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Starker Gegenwind von der Küste für Berliner Energie Pläne Vor allem die Kappungsgrenzen für Windparks stoßen auf Unverständnis bei Rostocker Herstellern.
Tenor: Die Politik soll die Energiewende nicht aufhalten. 21.01.2014 00:00 Uhr
Rostock. Von „grober Unsinn“ und „wenig durchdacht“ bis hin zu „Schnellschuss“ reichen die Kritiken aus der Rostocker Windkraftbranche für die Energiepläne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Sein „Eckpunktepapier“ zur Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG), das er morgen vom Bundeskabinett bei dessen Klausurtagung absegnen lassen will, sieht eine Drosselung des Ausbaus vor allem der Windparks zu Land und zu Wasser vor. Eine Entwicklung, die in Rostock Jobs kosten könnte.
„Es ist das falsche Signal für die norddeutschen Bundesländer“, sagt André Iffländer, Vorsitzender des Windenergie-Netzwerks MV. Die Energiewende werde vom Mittelstand getragen. „Wer investiert da noch? Den Unternehmen bricht der Heimatmarkt weg“, reagiert Iffländer auf die Kontingentierung des Zubaus erneuerbarer Energien. So sollen die Ausbauziele für die kostenintensiven Windparks in Nord- und Ostsee gedrosselt werden: Bis 2020 sollen 6500 Megawatt (MW), bis 2030 dann 15 000 MW installiert werden. An Land werden künftig pro Jahr 2500 Megawatt festgeschrieben — der Bau von rund 1000 Windrädern.
Planwirtschaft auf einem freien Markt einzuführen, hält Eberhard Voß vom Rostocker Beratungsunternehmen Voß Energy für „groben Unsinn“. Hier werde eine positive Entwicklung gestoppt, „Innovationskraft abgewürgt“, mit der einfach niemand gerechnet hatte. Windkraft sei heute sehr profitabel, nur, wie auch Sonnenenergie, nicht immer verfügbar. „Diese Energien bedarfsgerecht für Industrie und Haushalte zwischenzuspeichern, muss gelingen. Diese Technologien gilt es zu fördern“, sagt Voß.
Die Kappungsgrenze des Windenergievolumens bei 2500 MW pro Jahr beschäftigt auch den Windkraftanlagenhersteller Nordex. „Was passiert, wenn die Menge ausgereizt ist?“, fragt Sprecher Ralf Peters.
Auch wenn das Unternehmen zu 80 bis 90 Prozent für den ausländischen Markt produziere, „wollen wir in Deutschland, einem der größten Märkte für die Branche, natürlich stabile Geschäfte machen“, sagt Peters.
Mit Sorge sehe er auch das Tempo, mit dem der Energieminister das EEG durchziehen wolle. „Beim geplanten Inkrafttreten des Gesetzes im Sommer würden Projekte, die in diesen Wochen noch nicht durchfinanziert sind, unter die Neuregelungen fallen“, fürchtet Peters. Windkraft-Projekte dauerten aber zwei Jahre bis zur Umsetzung.
Die kostengünstigste Art der regenerativen Stromerzeugung — Wind an Land — sollte weiterhin Motor der Energiewende bleiben, betont Andreas Jessel, Sprecher des Windrad-Herstellers Eno Energy. „Der vorgesehene ,atmende Deckel‘ bezüglich des jährlichen Zubaus ist schwer mit den langen Planungszeiträumen von Windenergieanlagen zu vereinbaren“, so Jessel. Die vorgesehenen Übergangsfristen seien zu kurz, würden die Realisierung von Projekten gefährden. Eno Energy will in den nächsten Jahren die Produktion jährlich um 20 Prozent und die Zahl der Mitarbeiter von 240 auf 400 steigern.
Insgesamt arbeiteten einer Studie des Bundesumweltministeriums zufolge 2012 in Mecklenburg-Vorpommern 4760 Menschen in der Windkraftbranche. Viele Zulieferer sind von der Branche abhängig. Die Nordic-Werften in Wismar und Warnemünde produzieren Konverter-Plattformen für Offshore-Windparks. Die Energiewende sei für eine strukturschwache Region wie MV eine große wirtschaftliche Chance, sagt Netzwerk-Chef Iffländer. „Doch ich sehe mit Sorge die Entwicklung, die sich in Berlin anbahnt.“ Das sehe sehr nach „Schnellschuss“ aus.
Ziel: Bedarf decken und Energie exportieren 1549 Windkraftanlagen stehen derzeit in Mecklenburg-Vorpommern. Allein im ersten Halbjahr 2013 wurden 42 neue Windräder gebaut. Alle Anlagen zusammen können 2160,50 Megawatt Strom erzeugen und damit fast 40 Prozent des Stromverbrauchs im Land decken. Ziel der Landesregierung ist es, bis 2050 den Bedarf komplett mit erneuerbaren Energien zu decken. Zudem will Mecklenburg-Vorpommern Energieexporteur werden. Das hatte Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) erst vor einigen Tagen verkündet. Dazu muss der Strom von den Windparks in der Ostsee ins Landesinnere geleitet, die Netze dafür entsprechend ausgebaut werden. Der erste Windpark Baltic I ist seit Mai 2011 in Betrieb, Baltic II soll 2014 ans Netz. |