Deutsche Tölpel, fransösiche Füchse

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26.02.03 08:29

3263 Postings, 9084 Tage DixieDeutsche Tölpel, fransösiche Füchse

Irak-Krise
Deutsche Tölpel, französische Füchse
Von Karl Feldmeyer, Washington

In einer Frage von Krieg und Frieden steht die Bundesregierung gegen Amerika. Wie verläuft unter solchen Umständen der Besuch der deutschen Oppositionsführerin in Washington? Angela Merkel und dem sie begleitenden außenpolitischen Sprecher der Fraktion, Friedbert Pflüger, eröffnet sich eine breite Gesprächspalette.

Merkel spricht mit Senator Hagel, einem in der Irakfrage zur Vorsicht mahnenden und gegen unilaterale Entscheidungen argumentierenden Republikaner, mit Vizepräsident Cheney, mit Verteidigungsminister Rumsfeld, der sie zusammen mit seinem Stellvertreter Wolfowitz empfängt, mit Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, dem stellvertretenden Außenminister Armitage (Außenminister Powell ist nach Asien gereist) und mit Bushs Beauftragten für Handelsfragen, Zoellick.

Out of Rügen

Wie ein roter Faden zieht sich der Wunsch nach engen Beziehungen zu Deutschland und dem Erhalt einer handlungsfähigen Nato durch alle Gespräche. Zoellick, dessen Familie aus Rostock stammt und der sich Deutschland besonders eng verbunden fühlt, eröffnet das Gespräch mit Fragen danach, wie es in ihrem Wahlkreis Rügen/Stralsund aussehe. Er habe bedauernd, aber ohne darum herumzureden bekannt, daß das deutsch-amerikanische Verhältnis nie mehr so vertrauensvoll werden könne wie es vor dem Bruch in der Irak-Frage gewesen sei.

Merkel erfährt in ihren Gesprächen auch, daß die Frage, ob man in Deutschland Basen schließen solle, in Washington "Stadtgespräch" sei. "Truppenabzug ist eine reale Alternative", so wird ein amerikanischer Gesprächspartner zitiert; diese Überlegung beziehe sich nicht nur auf Deutschland, sondern auch auf Südkorea, weil Washington mit der dortigen Regierung in bezug auf Nordkorea nicht mehr übereinstimmt.

Merkel bekommt die Bitterkeit, die das Verhalten der Bundesregierung in Washington erzeugt hat, in allen Gesprächen zu spüren, wenn auch in unterschiedlicher Deutlichkeit. Verstärkt wird der Zorn durch den Versuch Deutschlands und Frankreichs, eine neue UN-Resolution zum Irak zu verhindern. Ausgerechnet diejenigen Verbündeten, die sich am lautesten gegen ein einseitiges Vorgehen Washingtons gewandt hätten, wollten jetzt eine Entscheidung der Vereinten Nationen verhindern, so heißt es.

Der Provinzler Schröder Spielball französischen Machthungers

Dabei werde in Washington zwischen Frankreich und Deutschland sehr wohl unterschieden. Bei aller Enttäuschung über die Deutschen: Die Verbitterung über die französische Politik sitze tiefer. Hinter ihr erkenne man in Washington einen Plan, hinter dem Verhalten Berlins eher eine Abfolge von Fehlentscheidungen, die ihre Wurzel im Bundestagswahlkampf haben. Paris unterstelle man das Ziel, zur europäischen Gegenmacht zu werden, und zwar unter Zuhilfenahme des deutschen Potentials. "Chirac will Europa gegen die Vereinigten Staaten als Gegengewicht in Stellung bringen. Diesmal hat er Deutschland an seiner Seite, das ist neu", so lautet die Bewertung, die Merkel vorgetragen wird.

Schröder werde in Washington dagegen als ein "Provinzpolitiker" beurteilt, der die Konsequenzen seines Handelns für sein Land nicht zu übersehen vermöge. Deutschland erscheine als Objekt, nicht als Subjekt. Die Beurteilung Frankreichs sei genau umgekehrt: Paris nutze kühl kalkulierend deutsche Fehler und Schröders Bemühen, einer totalen politischen Isolierung zu entgehen. Dabei werde in Washington sehr wohl erwartet, daß die französische Politik - wie stets ihr Eigeninteresse im Auge - im letzten Moment auf die amerikanische Position einschwenkt, so wie beim Golfkrieg 1991 auch. Alles, so sage man, sei für Frankreich Machtspiel.

Entscheidung jetzt

Zurückhaltung bestimme die Behandlung der jetzt akuten Fragen des Irak-Problems, insbesondere die Frage nach einem Zeitplan der Amerikaner. "Es ist eine Frage von Tagen, nicht von Wochen", so laute die am weitesten gehende Andeutung, die Merkel dazu erhält. Daß die neue deutsch-französische Initiative als kontraproduktiv bewertet werde, wird Merkel mehrfach versichert, und daß sie den Zwang zu Handeln für Washington verstärke, weil sie den Druck auf den Irak schwäche. Man weist Merkel darauf hin, daß inzwischen sogar arabische Partner mahnten, nicht endlos zuzuwarten. Saddam Hussein dürfe, das sei gerade die Sorge im arabischen Raum, nicht noch einmal mit seiner Politik des Hinhaltens und Ausbootens der Vereinten Nationen Erfolg haben, weil das unkalkulierbare Auswirkungen auf die Region hätte.

Das ist die Lagebeurteilung, die Merkel präsentiert wird. Ihre eigene Haltung wird von dem Bemühen geprägt, zweierlei in Einklang zu bringen: Sie hat Verständnis für die Gastgeber und ist überzeugt, daß man den Irak notfalls mit militärischen Mitteln entwaffnen müsse. Doch will sie in Washington nicht als "Nebenkanzler" in Erscheinung treten und keine "Nebenaußenpolitik" betreiben. Mehrfach versichert sie, Zweck ihrer Reise sei es, zu guten Beziehungen beizutragen und das heiße, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen, abgerissene Gesprächsfäden neu zu knüpfen und die Sprachlosigkeit zu überwinden.

Die andere deutsche Politik

Dazu gehört - das deutet sie mehr an, als daß sie es ausformuliert - eine andere deutsche Politik. Die Vorstellung einer deutschen Option für Frankreich und gegen Amerika teilt sie nicht. Sie fordert eine "balancierte" Politik in der Tradition Kohls und widerspricht der Annahme, ein politisch verfaßtes Europa könne ohne oder gar gegen Amerika aufgebaut werden. Sie widerspricht auch der von einem ihrer Gesprächspartner geäußerten Annahme, die Bemühungen um eine europäische Verfassung würden die transatlantischen Beziehungen aufweichen und seien gegen Amerika gerichtet. Das Gegenteil sei richtig, sagt Merkel: Europa könne nur mit, nicht gegen Amerika errichtet werden.

Ohne Einschränkung begrüßt sie das Bemühen Washingtons um eine weitere Resolution des Sicherheitsrats. Das zeige, daß Amerika die Vereinten Nationen als den maßgebenden Ort ansähen, an dem die Entscheidungen zu fallen hätten. Und auch daran läßt sie keinen Zweifel: daß sie im Kern mit Amerika einer Meinung ist, daß Saddam Hussein eine reale Gefahr darstelle und daß es die Vereinten Nationen um ihrer Selbstachtung willen nicht zulassen dürften, daß sich der Diktator über ihre Beschlusse ungestraft hinwegsetze. Auch wenn sie in ihrer Wortwahl größtmögliche Zurückhaltung wahrt und jeden Anlaß für innenpolitische Kontroversen vermeiden möchte: Der Gegensatz zur Bundesregierung, die diese Konsequenzen offenkundig nicht ziehen will, ist unübersehbar.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.02.2003, Nr. 48 / Seite 3
Bildmaterial: dpa
 

26.02.03 08:30

3263 Postings, 9084 Tage DixieNaja, ist noch früh am Morgen: französische o. T.

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