Um die betriebswirtschaftliche "Verschuldung" eines Unternehmens zu analysieren genügt nicht ein einfacher Blick in die Handelsbilanz, sondern man muss diese zunächst in eine Strukturbilanz überführen.
Die Strukturbilanz ergibt sich wie folgt:
Aktiva Anlagevermögen Working Capital
Passiva Eigenkapital verzinsliches Fremdkapital (net debt)
Der größte Teil der oben zitierten kurzfristigen Verbindlichkeiten, insbesondere kurzfristige Rückstellungen, Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, erhaltene Anzahlungen, sonstige Verbindlichkeiten und passive Rechnungsabgrenzungsposten zählen betriebswirtschaftlich zum Working Capital und sind mit Aktiva wie Vorratsvermögen, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, sonstige Forderungen, aktive Rechnungsabgrenzungsposten zu SALDIEREN! Aus der Saldierung von Aktiva und Passiva im Working Capital resultiert regelmäßig eine signifikante Bilanzverkürzung der Strukturbilanz gegenüber der zur Bilanzanalyse vollkommen untauglichen Handelsbilanz.
Eine Aussage, die kurzfristigen Verbindlichkeiten sind "explodiert" und das Unternehmen daher hochverschuldet ist betriebswirtschaftlich vollkommener Nonsens. Wenn ein Unternehmen den Jahresumsatz steigert, erhöhen selbst bei optimalem Working Capital Management, das Vorratsvermögen sowie Forderungen aus L+L und Verbindlichkeiten aus L+L in etwa proportional zum Umsatz. Ein extremer Umsatzanstieg wie bei Jinkosolar von kürzlich noch 3 MRD USD aus heute 16 MRD USD zieht also zwangsläufig einen dramatischen Anstieg der zur Finanzierung des Vorratsvermögens erforderlichen kurzfristigen Verbindlichkeiten aus L+L nach sich. Wieviel Cash das Unternehmen tatsächlich zur Finanzierung des (stark wachsenden) operativen Geschäftsbereichs benötigt, erkennt man ausschließlich durch eine Working Capital Betrachtung, also eine Saldierung des Umlaufvermögens (exkl. zinstragende Forderungen + Wertpapiere + Cash) mit den kurz- und langfristigen (nicht zinstragenden) Verbindlichkeiten.
Wenn wir betriebswirtschaftlich von Verschuldung reden, reden wir von zinstragenden Verbindlichkeiten wie Pensionsrückstellungen, Steuerverbindlichkeiten, Bankschulden, Unternehmensanleihen etc., welche in einer Nettobetrachtung mit zinstragenden Forderungen wie Darlehensforderungen, Wertpapieren und nicht zur WC-Finanzierung benötigten Cashbeständen saldiert werden => net debt.
Wer nun den Q1-Bericht 2024 aufmerksam liest wird unschwer feststellen, dass Jinkosolar die Nettofinanzverbindlichkeiten (net debt) in Q1 dramatisch gegenüber dem Vorjahr GESENKT hat! Die betriebswirtschaftlich das Fremdkapital (FK) repräsentierenden Nettofinanzverbindlichkeiten (net debt) wurden - trotz horrender weltweiter Investitionen in den Kapazitätsausbau innerhalb eines Jahres durch Ausgabe von Eigenkapitalinstrumenten (z.B. Wandelanleihen) sowie den Verkauf von Produktionsstätten (z.B. Xinjiang) von 2.891 Mio USD auf nur noch 1.223 Mio USD gesenkt.
https://ir.jinkosolar.com/static-files/...235a-413c-8ca1-38dec8a3ca09 https://ir.jinkosolar.com/news-releases/...ter-2024-financial-results
in Mio USD Q1 2023 Q4 2023 Q1 2024 total debt 4.371 4.381 3.664 - Cash -1.480 -2.686 -2.441 Net debt 2.891 1.695 1.223
Ursächlich dafür war u.a. der Verkauf der Produktionstochter in Xinjiang für ca. 600 Mio USD in CASH!
https://ir.jinkosolar.com/news-releases/...inko-signs-equity-transfer
Darüber hinaus hat Jinkosolar aufgrund des Börsenlistings der chinesischen Produktionstochter Jiangxi Jinko an der Shanghai Stock Exchange jederzeit Zugang zu frischem chinesischen Anlegergeldern via Ausgabe von Anleihen oder Aktien (-> Kapitalerhöhung). Jinko ist und war zu keinem Zeitpunkt angewiesen auf die Witzkurse der ADR an der NYSE!
Auch wenn es US Analysten und einige Basher hier im Forum partout nicht wahrhaben wollen, ist Jinko in China auch nach dem PV Crash noch immer mit einem KGV von 11 und einer Marktkapitalisierung von mehr als 10 MRD USD gelistet.
https://www.marketwatch.com/investing/stock/...&mod=search_symbol
Wer also zur Abschätzung einer etwaig drohenden Verwässerung den Vergleich von Marktkapitalisierung von Bruttofinanzverschuldung ernsthaft vornehmen will, muss die Marktkapitalisierung in Shanghai > 10 MRD USD der Nettofinanzverschuldung gegenüberstellen. Solange Jinko am US Markt mit KGV 3, in Shanghai aber mit KGV 11+ bewertet wird, wird Jinko sich frisches Geld via Kapitalerhöhung IMMER in Shanghai holen, niemals an der NYSE, weil selbst ein dressierter Affe als CFO begreift, dass Kapitaleffizienz bedeutet, Eigenkapital wie Fremdkapital stets zu den für das Unternehmen vorteilhaftesten Bedingungen aufzunehmen. Bedingt durch die brutal asymmetrische Marktbewertung zwischen Shanghai und NYSE und das durch Verschuldungsorgien der US Adminstration getriggerte riesige GAP der Inflationsraten in China vs. USA bietet die chinesische Börse Jinkosolar seit Jahren sowohl EK- als auch FK-seitig um Welten günstigere Finanzierungsbedingungen als am US-Markt. Das zwischenzeitlich mehr als 200 Basispunkte umfassende GAP der Leitzinsen zwischen China und USA ist u.a. ein Grund dafür, weshalb extrem kapitalintensive Branchen wie PV, Windkraft oder Stahl in China auch ohne zusätzliche Subventionen wettbewerbsfähiger sind als im gesamten Rest der Welt, vor allem als in der wachstumsschwachen, überalterten und hochverschuldeten EU. Die vorteilhaften Finanzierungsbedingungen in China gelten für alle dort wirtschaftenden Unternehmen, nicht etwa nur für chinesische Player. Werden hierzulande wie auch in den USA aber allzu gern mit wettbewerbsverzerrenden staatlichen SUBVENTIONEN verwechselt. Offensichtlich ist der CHINAHASS bei vielen Analysten und Anlegern derart überbordend hoch, dass man nicht einmal mehr in der Lage ist, betriebswirtschaftliche FAKTEN wie die zuletzt sehr positive Entwicklung der nach USGAAP bilanzierten Nettoverschuldung als solche anzuerkennen. Dass die wenigsten hier im Forum Wirtschaftswissenschaften studiert haben und als Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Unternehmensberater arbeiten, geschenkt. Aber es wäre gut, wenn Leute, die offensichtlich den Unterschied zwischen Handels- und Strukturbilanz kennen noch wissen, wie die "Verschuldung" eines Unternehmens betriebswirtschaftlich sinnvoll gemessen wird, sich der Stimme zu solchen Themen enthielten. Man kann ein Unternehmen wie Jinkosolar abgrundtief hassen und ein anderes (z.B. First Solar) vergöttern. Das ist jedermanns gutes Recht. Aber ich erachte es als verwerflich, wenn man permament mit falschen Daten hausieren geht und ein objektiv unglaublich erfolgreiches Unternehmen wie Jinkosolar - andauernd - als hochverschuldete Klitsche karikiert.
Bilanz zum 31.03.2024 EK: Konzern-EK (inkl. Minderheiten): 4,806 MRD USD FK: NET Debt: 1,223 MRD USD => Verschuldungsgrad V = FK/EK: 25,45% => GK lt. Strukturbilanz: 6.029 MRD USD => EK-Quote: 79,71% => FK-Quote: 20,29%
Ein unverändert stark wachsendes und auch unter widrigsten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stark fallender Modulpreise in Q124 weiter profitables Unternehmen (net income US GAAP Q124: 133 Mio USD bzw. 84,4 Mio USD ohne Minderheitsanteile; comprehensive income US GAAP Q124: 108,5 Mio USD bzw. 60,3 Mio USD ohne Minderheitsanteile) mit einer EK-Quote lt. Strukturbilanz von nahezu 80% als "hochverschuldet" zu bezeichnen, ist eine FARCE!
Dass nahezu sämtliche US Analysten - immer wieder - in das "Verschuldungshorn" blasen, um dem alles überlagernden Chinahass lustvoll zu fröhnen, ändert die oben dargestellten betriebswirtschaftlichen Fakten nicht! Diese Art von FAKE NEWS sind mega frustrierend und ich kann's einfach nicht mehr hören!!! Ich gestehe allerdings zu, dass die selektive Wahrnehmung vieler Marktteilnehmer bei betriebswirtschaftlichen Kennziffern nicht bei Chinaunternehmen endet. So wird u.a. auch Deutschlands mit Abstand größter und wichtigster Konzern VW permanent als hochverschuldete Klitsche verunglimpft, 40 MRD EUR NET CASH zum Trotz. Dass diese Schuldenklitsche einer Verlustbude Rivian mal eben mit 5 MRD USD Cash aus der Patsche helfen kann, einem Unternehmen, was beim hochgefeierten IPO mal eben mehr als doppelt so hoch bewertet wurde wie VW, wird mit (weiteren) Kursverlusten quittiert. Wirtschaftliche Solidität eines Unternehmens in Krisenzeiten wird an der Börse offensichtlich in keinster Weise mehr wertgeschätzt. Zocker sind bereit, Kurse allein auf Grundlage vielfach haltloser Phantasie und Träume in betriebswirtschaftlich vollkommen irrationale Höhen zu treiben, unterstellend, dass einzelne Unternehmen wie Nvidia oder Tesla nicht weniger als die Weltherrschaft bzw. ein ewig andauerndes weltweites Monopol erringen werden... Grundsolide, profitabel wachsende Geschäftsmodelle wie die von Jinko oder VW werden indes permanent infrage gestellt und bis ins Nirvana gebasht... In der Vergangenheit ist jede Hochkultur am Ende an Ignoranz und Dekadenz zugrunde gegangen. Der Aktienmarkt in seiner teilweise zur Perversion ausgearteten Zockerkultur hätte m.E. ein RESET verdient! Dass gute und nachhaltig erfolgreiche Geschäftsmodelle Anlegern selbst langfristig nicht mehr eine gute und nachhaltig positive Aktienkursentwicklung garantieren, ist m.E. ein Riesenproblem für die weltweite Aktienkultur. Wenn Börse zum Spielkasino mutiert, steht langfristig orientierte Kapitalanlage in Aktien vor dem AUS... |