Microsoft-Forscher Marc Smith will Handys mit Barcode-Scannern kombinieren / Informationen über Produktionsbedingungen VON JANKO RÖTTGERS
Leidgeprüfte Verbraucher kennen das Problem: Das Entziffern von Lebensmittel-Etiketten ist eine Wissenschaft für sich. Zusatzstoffe lesen sich wie Geheimcodes, Kalorien werden für hypothetische Portionen bemessen. Der Microsoft-Wissenschaftler Marc Smith will Verbrauchern jetzt helfen, die Geheimnisse eines Produkts schon im Supermarkt zu entschlüsseln. Smith hat dafür ein System namens Aura entwickelt, das Mobiltelefone mit Barcode-Lesern kombiniert. Über eine Netzverbindung können damit Preise oder Inhaltsstoffe abgefragt werden. "Jeder Gegenstand hat eine Geschichte zu erzählen", glaubt Smith. Gerne verweist er dabei auf ein Erlebnis eines ersten Aura-Testlaufs. Smiths Mitarbeiter scannten in einem Supermarkt den Barcode einer Packung Frühstücks-Flocken ein. Das Aura-System entzifferte den Code und schickte eine Suchanfrage an Google. Wenige Sekunden später konnte das erstaunte Team nachlesen, dass der Hersteller für dieses Produkt wegen nicht deklarierter Inhaltsstoffe einen Rückruf gestartet hatte.
Die Idee, das Netz mit Barcode-Lesern zu verbinden, ist nicht ganz neu. Bereits in den Neunzigern versuchten sich Firmen an ähnlichen Ansätzen. Internet-Zeitschriften wollten ihren Verbrauchern damit einscannbare Weblinks bieten und ganz nebenbei auch Anzeigeninhalte personalisieren. Die Technologie setzte sich jedoch wegen ihrer eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten nie durch.
Aura verfolgt einen anderen Ansatz. Das System wurde unter Smiths Leitung von der Community Research Group von Microsoft entwickelt. Die Wissenschaftler dieser Forschungsgruppe hatten sich zuvor mit Online-Diskussionsforen beschäftigt. "Dabei wurde uns deutlich, dass sich viele dieser Diskussionen auf greifbare Gegenstände beziehen", erklärt Smith. "Menschen unterhalten sich über die Digitalkamera, die sie gerade gekauft haben, oder über andere Produkte oder Medien. Wir dachten uns, es wäre interessant, die Verbindungen zwischen diesen Gegenständen und den Unterhaltungen darüber zu stärken."
Vielzahl von Quellen
Das Aura-System setzt deshalb im Gegensatz zu seinen kommerziellen Vorfahren auch auf einen Rückkanal. Nutzer können zu den von ihnen gescannten Produkten Anmerkungen hinterlegen und so in Kontakt mit anderen treten. Zudem soll es möglich sein, anstelle einer einzigen, firmeneigenen Datenbank auf eine Vielzahl von Informationsquellen zuzugreifen. Gewerkschaften könnten Aura-Nutzer beispielsweise einen Service anbieten, der die Produktionsbedingungen von Bekleidungsfirmen beleuchtet, erklärt Smith. "Einige Menschen wünschen sich eine transparentere Preisgestaltung - etwa, um die sozialen oder ökologischen Kosten eines Produkts zu erfahren."
Smith ist sich sicher, dass Systeme wie Aura in den nächsten anderthalb Jahren marktreif sein könnten. Einen wichtigen Sprung verspricht er sich von besseren Foto-Handys, die das Auslesen eines Barcodes über Bilderkennung ermöglichen würden. Dazu werde es eine ganze Reihe weiterer Sensoren geben, die Nutzern Interaktionen mit ihrer Umwelt erlauben werden. So könnten mobile Geräte mit GPS-Ortung dafür genutzt werden, neben Produkten auch Orte digital zu erfassen. Das Hinterlassen von virtuellen Nachrichten an der Bushaltestelle sei damit ebenso möglich wie ein geografisches Tagebuch. Das Handy werde langfristig zu einer Art Maus für die Welt jenseits des Monitors, meint Smith: "Man kann mit ihm auf Dinge klicken."
Datenschutz in Gefahr
Eine allgegenwärtige digitale Sphäre, die Informationen über Gegenstände, Orte und Personen verfügbar macht - derartige Zukunftsszenarien lassen Datenschützern die Haare zu Berge stehen. Auch Smith macht sich Sorgen über den Umgang mit persönlichen Daten in derartigen Systemen.
Für Fundamental-Opposition sei es jedoch längst zu spät. "Ich glaube nicht, dass Datenschutz-Bedenken der Entwicklung dieser Technologien im Weg stehen werden", so Smith. "Den meisten Leute wird dies egal sein."
Besonders heftig diskutiert werden Datenschutz-Aspekte derzeit im Zusammenhang mit RFID - jener Funk-Etiketten-Technik, die in Zukunft den Barcode ersetzen soll. "RFID ist nicht annähernd, was viele Leute denken", bemerkt Smith dazu. Sowohl Funkchip-Etiketten als auch Lesegeräte seien noch viel zu teuer für einen flächendeckenden Einsatz.
Als Beweis für seine These verweist er auf den US-Einzelhandels-Riesen Wal-Mart, der RFID eigentlich von Januar 2005 an flächendeckend einsetzen wollte. Kurz vor der Jahreswende gab Wal-Mart bekannt, in vielen Fällen vorerst nur Paletten mit RFID-Chips auszustatten. Zur Erfassung einzelner Produkte setzt die Firma weiter auf Barcodes.
Weitere Infos im Internet unter: http://research.microsoft.com/community/
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/...d_internet/netzwerk/?cnt=622168&
ist zwar MS aber dennoch interessant, Neom steht nicht alleine da, befinden sich aber im gleichen Konsortium. Mal schauen wie sich das weiter entwickelt. |