DEWB: BGH trennt Abfindungsanspruch von Aktie
Am 08.05. hat der BGH über die Revision der Jenoptik AG gegen ein Urteil des Thüringer OLG Jena zu Gunsten der Jenoptik AG entschieden.
Zum Hintergrund: Ausgangspunkt für den Rechtsstreit ist die Übernahme der DEWB durch Jenoptik im Jahr 1997. Jenoptik hatte damals die DEWB von der traditionsreichen Heidenheimer Industriellenfamilie Voith erworben, die 99% der DEWB-Anteile hielt. Zu diesem Zeitpunkt bestand zwischen Voith und der DEWB bereits seit vier Jahren ein so genannter Beherrschungsvertrag gemäß §291 Aktiengesetz. Beim Abschluss eines derartigen Vertrages ist es gesetzlich vorgeschrieben, allen Minderheitsaktionären einen Ausgleich anzubieten. Dieser Abfindungsanspruch betrug beim Abschluss des relevanten Beherrschungsvertrags 26,51 Euro. Seitdem verfügen die freien Aktionäre über einen entsprechend hohen Abfindungsanspruch je Aktie.
Das Problem: Die Zahlung wurde nicht von allen Eignern unverzüglich angenommen. Einigen Aktionären fiel dieses Angebot zu gering aus, sie klagten in einem Spruchstellenverfahren auf eine höhere Abfindung. Dieses Verfahren wurde inzwischen am 30.09.2005 vor dem OLG Frankfurt abgeschlossen, die Abfindungshöhe wurde vom OLG Frankfurt mit 26,98 Euro je DEWB-Aktie festgelegt. Weil das Geschäft glänzend lief und die Bewertung der DEWB hoch war, weitete die Jenoptik durch Kapitalerhöhungen den Streubesitz auf inzwischen knapp 29% aus, ohne darauf zu achten, die neu ausgegebenen Aktien von denen, die aus dem damaligen Beherrschungsvertrag anspruchsberechtigt sind, zu trennen. Die Jenoptik und der damalige Vorstandschef Lothar Späth haben es also versäumt, die Aktien von jenen unterscheidbar zu machen, die abfindungsberechtigt sind. Durch eine eigene Wertpapierkennnummer wäre dies leicht möglich gewesen, und in ähnlichen Fällen wurde es auch so gehandhabt.
Die Klage: Bei DEWB tragen nun alle Aktien die WKN 804100. Nun verlangte ein Aktionär die Abfindungszahlung von Jenoptik und verklagte diese, nachdem Jenoptik seinem Abfindungsverlangen nicht nachkam. Das OLG Jena hat in diesem Verfahren entschieden, dass die Beweislast dafür, dass ein Aktionär nicht anspruchsberechtigt ist, bei der Jenoptik liegt. Dies führte zu dem Ergebnis, dass es denkbar war, dass im Prinzip alle Aktionäre der DEWB nun einen Abfindungsanspruch an die Jenoptik haben, sofern sie ihre Ansprüche nach Abschluss des o.g. Spruchverfahrens vor dem OLG Frankfurt bis zum 16.12.2005 bei der AG angemeldet hatten.
Das Urteil: Der BGH hat in seiner Entscheidung das Urteil des OLG Jena als "unrichtig" bezeichnet, da der Kläger nicht nachweisen konnte, dass er die anspruchsberechtigten Aktien vor Beendigung des Unternehmensvertrages erworben hat. Die Möglichkeit, die Aktien nach Beendigung des Unternehmensvertrages von einem ehemals außenstehenden Aktionärs neu zu erwerben, ist nach Ansicht des BGH nicht gegeben. Denn, so lautet die Urteilsbegründung in einer Pressemitteilung des BGH, der Abfindungsanspruch ist kein in der Aktie verkörpertes, verkehrsfähiges Recht, "das rechtsgeschäftlich mit der Veräußerung der Aktie übergeht, sondern nur einem außenstehenden Aktionär – jeweils originär entstehend – "ad personam" zusteht."
Aus Sicht der SdK bedeutet dieses Urteil einen Rückschritt für die Aktienkultur in Deutschland und für Aktionäre einen erheblichen Verlust ihrer wertpapierrechtlichen Ansprüche. Es entbindet gleichzeitig die Unternehmen von ihrer Sorgfaltpflicht gegenüber den Kapitalmarktteilnehmern. Man muss es wohl als ein Gefälligkeitsurteil zugunsten der Jenoptik AG und ihres damaligen Chefs Lothar Späth ansehen, der für die Nichteinholung einer gesonderten Wertpapierkennnummer für die in den Verkehr gebrachten neuen Aktien verantwortlich zeichnete. Klagen von Aktionären, die ihre Aktien der Jenoptik AG rechtzeitig angedient haben, diese aber nach Beendigung des Gewinn- und Beherrschungsvertrages erworben haben, sind auf Basis dieses Urteils kaum Erfolgschancen zuzutrauen.
München, 17. Mai 2006 |