Mutmaßungen über russ. Betäubungsgas

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eröffnet am: 27.10.02 11:49 von: Jessyca Anzahl Beiträge: 1
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5215 Postings, 8244 Tage JessycaMutmaßungen über russ. Betäubungsgas

Einen Tag nach dem blutigen Ende des Geiseldramas in Moskau mit 168 Toten rätselt die russische Öffentlichkeit über das Gas, das bei der Erstürmung verwendet wurde. „Der russische Krisenstab muss mit offenen Karten spielen“, forderte ein Kommentator des Rundfunksenders Echo Moskwy am Sonntagmorgen. Über die genaue Todesursache der 118 Geiseln herrsche weiterhin Unklarheit. Viele seien an Vergiftungen oder nach einem Kreislaufkollaps gestorben, berichteten russische Medien.

Nach vorläufigen Erkenntnissen litten die meisten der etwa 750 geretten Geiseln in Krankenhäusern unter den Auswirkungen des Betäubungsgases. Die offizielle Diagnose lautete häufig „Vergiftung“, berichtete die russische Zeitung „Gazeta“ in ihrer Internet-Ausgabe. Mehr als 540 der rund 800 Befreiten würden noch in Krankenhäusern behandelt. Viele von ihnen befänden sich in einem kritischen Zustand.

Im Krankenhaus für Kriegsveteranen litten viele der 104 eingelieferten Patienten dem Bericht zufolge an Vergiftungserscheinungen und stünden weiter unter Schock. Neun Patienten seien erstickt oder an Herzstillstand gestorben. In einem anderen Krankenhaus würden nur „vier oder fünf“ von insgesamt 349 eingelieferten Patienten mit Schussverletzungen behandelt, hieß es in der Internet-Zeitung weiter.

Der stellvertretende russische Innenminister Wladimir Wassiljew dementierte Berichte, nach denen ein Großteil der getöteten Geiseln durch „eingesetzte Spezialmittel“, wie etwa Betäubungsgas, ums Leben gekommen war. Viele der befreiten Geiseln waren von Polizisten aus dem Gebäude getragen worden. Einige der Geretteten waren bewusstlos. Nach Medienberichten hatten die Spezialeinheiten Betäubungsgas eingesetzt, um die Geiselnehmer kampfunfähig zu machen. Einem Notarzt zufolge waren dadurch mehrere Menschen vergiftet worden und an ihrem eigenen Erbrochenen erstickt.

Weitere Moskauer Geiseln gestorben

Zwei Frauen mit niederländischer und kasachischer Staatsangehörigkeit starben in der Nacht zum Sonntag an den Auswirkungen des Betäubungsgases, wie der Fernsehsender NTW unter Berufung auf die Botschaften beider Länder berichtete. Die in Russland geborene Niederländerin hatte das Musical zusammen mit ihrem 14-jährigen Sohn besucht, der nach kurzer Behandlung im Krankenhaus zu seinem Vater zurückkehren konnte.

Krankenhäuser weisen Angehörige ab

Zahlreiche Angehörige von befreiten Geiseln beklagten, sie hätten noch immer keine Informationen über den Verbleib ihrer Verwandten. Vor den geschlossenen Toren von Krankenhäusern zeigten Eltern Fotos von Kindern, die das Musical besucht hatten und vermisst blieben. „Wir wissen überhaupt nicht, was mit unseren Angehörigen ist“, klagte eine Frau im Fernsehen. Ärzte begründeten die Maßnahme mit einer „Anweisung der Staatsanwaltschaft“.

„Wir konnten nicht alle retten!“

In einer kurzen, dramatischen Fernseh-Ansprache bat Russlands Präsident Wladimir Putin die Angehörigen der getöteten Geiseln am Samstagabend um Vergebung. „Wir konnten nicht alle retten. Vergeben Sie uns!“, sagte der Staatschef im Kreml vor laufenden Kameras. „Das Gedenken an die Toten soll uns vereinen.“

Die Verantwortlichen hätten gewusst, dass der Spezialeinsatz zur Befreiung der Geiseln in dem Moskauer Theater Opfer fordern werde. „Das fast Unmögliche ist gelungen – das Leben Hunderter Menschen zu retten“, sagte Putin.

Der Präsident bedankte sich für das Mitgefühl und die Unterstützung aus aller Welt. „Wir haben bewiesen, dass Russland nicht in die Knie gezwungen werden kann.“ Putin erinnerte daran, dass der Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht beendet sei. „Aber er muss besiegt werden und er wird besiegt werden.“

Weltweit wurde das Ende des Psychoterrors mit Erleichterung, aber auch mit Appellen zur Lösung des Tschetscheniens-Konflikts aufgenommen. Die russische Armee startete unterdessen eine Großoffensive in der abtrünnigen Kaukasusrepublik Tschetschenien.

Blutbad forderte über 140 Tote

Russische Spezialeinheiten hatten das Geiseldrama am Samstag im Morgengrauen beendet. Über 118 Geiseln und 50 der tschetschenischen Terroristen seien getötet worden, berichtete die Nachrichtenangetur Itar-Tass unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. Unter den Toten sind nach russischen Angaben keine Kinder.

Mehr als 750 der Geiseln, die zweieinhalb Tage lang in dem Musical-Theater gefangen gehalten worden waren, seien lebend befreit worden, darunter auch zwei Deutsche. Die Polizei hatte den Konzertsaal gestürmt, nachdem die Geiselnehmer ihre Drohung, die Gefangenen der Reihe nach zu erschießen, wahr zu machen schienen. Die Terroristen erschossen zwei Geiseln und verletzten zwei weitere, um ihrer Forderung nach einem Abzug der russischer Truppen aus der Kaukasusrepublik Tschetschenien Nachdruck zu verleihen. Als danach unter den verängstigten Geiseln Panik ausbrach, sah sich die Polizei nach Angaben des Krisenstabs zum sofortigen Eingreifen gezwungen. Praktisch mit dem Ablaufen des Ultimatums eskalierte die Lage nach einigen Explosionen und Schüssen. Schützenpanzer fuhren vor, und Soldaten stürmten das Gebäude.

Fast alle Geiselnehmer tot

Insgesamt seien bei dem Einsatz 50 Terroristen getötet worden. Diese korrigierte Zahl gab am Samstagnachmittag der russische Inlandsgeheimdienst FSB bekannt. Unter ihnen war auch ihr Anführer, der berüchtigte 23-jährige Feldkommandeur Mowsar Barajew. Laut Innenministerium waren unter den Toten 18 Terroristinnen. Nach ersten Berichten wurden drei Geiselnehmer, zwei Männer und eine Frau, unverletzt festgenommen. Im Großraum Moskau wurden laut Innenminister Boris Grislow rund 30 Komplizen der Geiselnehmer festgenommen.

Verbrechen war genau geplant

Die Terroristen hatten nach eigenen Angaben vor rund zwei Monaten mit den Vorbereitungen zu der Geiselnahme von Moskau begonnen. Dies erklärte ihr Anführer Barajew dem Fernsehsender NTW in einem am Freitag geführten Interview, das der Sender in Auszügen ausstrahlte. „Wir haben die Vorstellung (des Musicals) öfter besucht, haben alles ausgespäht“, sagte Barajew. Ein anderer Terrorist habe vor laufender Kamera den Grund für die Wahl gerade dieses Theaters unweit des Moskauer Stadtzentrums genannt. “Alle sollten es sehen, alle sollten davon wissen.“

Theater von oben bis unten vermint

Die Polizei entschärfte 30 Sprengsätze, die überwiegend aus grauem Plastiksprengstoff gefertigt waren. Zwei große Sprengsätze im Saal hätten jeweils eine Sprengkraft entsprechend 50 Kilogramm TNT gehabt. Die Terroristinnen hätten bis zu zwei Kilogramm Plastiksprengstoff an ihren Körpern getragen. Daneben seien noch zahlreiche Sprengsätze im Saal und unter dem Dach entdeckt worden. „Hätten die Terroristen alle Sprengsätze gezündet, wären wahrscheinlich alle Geiseln ums Leben gekommen“, sagte ein Vertreter der Einsatzleitung.
 

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