Mumia Abu-Jamal wird Ehrenbürger in Paris

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eröffnet am: 21.10.03 15:45 von: tinti Anzahl Beiträge: 2
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Besonders der Schluss ist lesenswert
Quelle: www.nzz.ch

Auszeichnung im Land der Guillotine

Mumia Abu-Jamal, Todeskandidat, wird Ehrenbürger von Paris. Von Thomas Isler

M
it Frankreich hatte er bis anhin nichts zu schaffen, auch nicht mit Paris. Und er wird wohl die Stadt, die ihn eben feierlich zu ihrem Ehrenbürger ernannt hat, nie besuchen können. Mumia Abu-Jamal, 49 Jahre alt, Radiojournalist und Aktivist für die Sache der Schwarzen, ist vor 21 Jahren in Philadelphia wegen eines Polizistenmordes zum Tod verurteilt worden. Vor zwei Jahren hob ein Richter die Strafe provisorisch auf, lehnte aber trotz neuen Beweisen einen Revisionsprozess ab. Abu-Jamal kann heute im besten Fall damit rechnen, seine Todesstrafe werde in lebenslangen Freiheitsentzug umgewandelt. Wobei lebenslang in den USA tatsächlich bedeutet: ein Leben lang.


Von den 3500 Häftlingen, die in amerikanischen Zellen auf ihre Hinrichtung warten, ist Abu-Jamal der weltweit bekannteste. In seinem Namen wurden und werden Komitees gegründet, Spendenkonten eröffnet, Demonstrationen abgehalten. Für seine Sache werden T-Shirts gedruckt («Free Mumia»), Protestsongs komponiert und zahllose Homepages ins Internet gestellt. Seine Unterstützer fanden und finden sich in der Berner Reithalle (Autonome) ebenso wie im Bundesrat (Ruth Dreifuss). Danielle Mitterrand hat ihn schon im Todestrakt besucht. Günter Grass, Desmond Tutu, Jacques Derrida oder Susan Sarandon setzen sich für den Mann mit den Dreadlocks ein. Mumia Abu-Jamal ist zur Ikone des Protests geworden - wahlweise gegen die Todesstrafe, gegen Justizwillkür, Polizeigewalt, Rassismus. Oder gegen all dies zusammen.

Mumia Abu-Jamal beteuert bis heute, er habe 1981 den weissen Polizisten Daniel Faulkner nicht erschossen. Der ehemalige Black Panther und aufsässige Polizeikritiker wurde damals mit einer Schusswunde neben dem toten Polizisten festgenommen und in einem Prozess zum Tode verurteilt, den man nicht eben als fair bezeichnen kann. Zeugen der Anklage erzählten später, sie seien manipuliert worden. Ein Mann namens Arnold Beverly bekennt inzwischen sogar öffentlich, er habe als gedungener Killer den Polizisten erschossen. Es nützte Abu-Jamal nichts.

Für den Pariser Stadtrat ist Abu-Jamal deshalb ein «politischer Gefangener», der für seine Freiheit kämpft. Schon im September 2001, ein halbes Jahr nach dem Wahlsieg der Linken in Paris, wurde per Vorstoss verlangt, man müsse Abu-Jamal zum Ehrenbürger machen. Eine Auszeichnung, die letztmals Pablo Picasso im Jahr 1971 erhalten hatte. Wegen der Anschläge vom 11. September wurde der Vorstoss aufgeschoben. Aber nicht aufgehoben: In Paris gibt es einen stellvertretenden Bürgermeister für «internationale Beziehungen und die Frankophonie», der sich sehr für das Geschäft einsetzte. Ernennungen von Ehrenbürgern sind ein günstiges Mittel, sich international in Szene zu setzen. An einer kleinen Feier wurde einer Vertreterin von Abu-Jamal die Medaille überreicht. Der Geehrte bedankte sich im Rathaus ab Tonband mit sonorer Stimme «bei unseren Freunden in Frankreich» für die Ehrung und dafür, dass sie den «Geist der Freiheit bewahrt haben, der vor zweihundert Jahren die französische Revolution entfacht hat». Er dankte auch dafür, dass Frankreich 1981 die Todesstrafe abgeschafft habe. Er erwähnte nicht, dass Frankreich damit das letzte Land in Westeuropa war. Und sagte auch nicht, dass er längst schon Ehrenbürger von Palermo, Venedig, Montreal und San Francisco ist.

Die Einzigen, die den Schritt der Pariser Stadtregierung würdigten, waren die Medien von Rupert Murdoch in den USA. «Paris ehrt Polizistenmörder Mumia», lautete die Schlagzeile in der «New York Post», die so ihre Kampagne aufwärmte gegen die «wacky weasels», gegen die verrückten Wiesel, wie man in diesem Blatt die Franzosen nennt. Im Fernsehsender «Fox» schimpfte der konservative Talkmaster Bill O'Reilly zusammen mit der Witwe des Polizisten über die unhöflichen Franzosen. Sie sei aufgebracht darüber, sagte die Frau, dass die Franzosen den Mörder ihres Mannes auf ein Podest stellten und dass «die französischen Kinder von Paris den Fall künftig so in der Schule lernen» müssten.

Da kann man die Witwe beruhigen. In die französischen Lehrpläne wird dies kaum Eingang finden. Dafür haben Ehrenbürgerrechte zu wenig Gewicht. Sie werden schnell verliehen - je nach Weltlage, politischer Opportunität und aktuellem Bedarf an Solidarität. Ein Beispiel dafür ist die amerikanische Stadt Detroit. Weil ein reicher Mann Ende der siebziger Jahre die Exilgemeinde der chaldäischen Christen mit namhaften Beträgen unterstützte, machten ihn die Stadtväter kurzerhand zum Ehrenbürger. Der Mann war Saddam Hussein.

 

21.10.03 16:25

21880 Postings, 8085 Tage utscheckWar? Seit wann ist der den Tod? o. T.

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