Hallo beisammen,
ich überlege mir gerade, bei Rheinmetall short zu gehen, und möchte meine Gründe zur Diskussion stellen:
- Einfache charttechnische Überlegungen. Die Aktie hatte in den vergangenen 4 Monaten einen sehr starken Lauf, seit knapp 2 Wochen hakelt es aber etwas. Eine tiefere Korrektur könnte sich anschließen.
- Langfristig zeigt die Aktie ein ausgeprägtes zyklisches Verhalten. Seit dem letzten bedeutenden Tief im November 2014 hat der Kurs sehr stark zugelegt. Wir könnten uns nahe dem Zyklushoch befinden.
- Der Anstieg in den letzten 4 Monaten dürfte in hohem Maße auf die Hoffnungen auf eine „Remilitarisierung“ Europas zurückzuführen sein. Hierbei handelt es sich in meinen Augen quasi um einen „verspäteten Trump-Trade“. Während bei denjenigen US-amerikanischen Werten, die in erster Linie von der von Trump erhofften Politik hätten profitieren sollen, bereits weitgehend Ernüchterung eingetreten ist, ist bei den Rüstungswerten die Hoffnung geblieben, das Trumps Forderung nach mehr Rüstungsausgaben der NATO-Partnerländer eine Art Megazyklus der Rüstung auslösen könnte. Hier möchte ich Zweifel anmelden:
* Wir haben ja inzwischen gesehen, dass Trump auch im eigenen Land Schwierigkeiten hat, seine Ideen umzusetzen. Ist es anzunehmen, dass ihm dies mit Europa besser gelingt? Die Frage war rhetorisch. Es ist nicht anzunehmen. Auch wenn manche europäische Politiker im beigepflichtet haben, dürfte seine Fangemeinde unter der europäischen Elite doch eher klein sein. Insbesondere Merkel dürfte wenig geneigt sein, sich von Trump unter Druck setzen zu lassen.
* Es gibt zwar durchaus gute Gründe, die europäischen Rüstungsausgaben zu erhöhen. Aber heißt das, dass es soweit kommt? Natürlich gibt es gegen höhere Rüstungsausgaben auch erhebliche politische Widerstände, und in Deutschland wäre sicherlich weder von Merkel noch von Schulz eine Rüstungsbonanza zu erwarten. Falls man sich irgendwie zu höheren Ausgaben durchringt, fragt sich, wann diese beschlossen werden können, und weiterhin, wann diese umgesetzt werden und sich positiv auf die Bilanzen von Rüstungsunternehmen auswirken können. Dies würde sich sicherlich über Jahre hinziehen. Ein realistisches Szenario ist vielleicht, dass man sich nach langem Hin und Her (sollte man das Geld nicht vielleicht doch lieber für Kindergärten/Schulen/Krankenhäuser/Flüchtlinge... ausgeben?) auf Mehrausgaben von ein paar Milliarden einigt. Ein gigantischer Schub erscheint mir extrem unwahrscheinlich. Was Resteuropa angeht, sind die Kassen ohnehin sehr klamm. Zu viel mehr als einer symbolischen Erhöhung wird es vermutlich nicht reichen.
* Auch wenn es zu einer Erhöhung der Rüstungsausgaben kommt, ist äußerst unklar, wie viel davon in die Beschaffung von neuen Rüstungsgütern ginge. In Deutschland scheint eher bei der Ausbildung und Wartung bestehender Ausrüstung Not am Mann zu sein.
* Auch wenn es zu höheren Beschaffungsausgaben kommt, wissen wir nicht, ob Rheinmetall davon profitieren kann.
* Die deutsche Rüstungsindustrie leidet weiterhin unter politischen Beschränkungen, riesiges Wachstum im außereuropäischen Ausland ist wohl kaum zu erwarten.
* Rheinmetall ist nur zur Hälfte ein Rüstungskonzern. Die anderen Automobilzulieferer sind nicht annähernd so gut gelaufen.
Mir scheint, dass der Zeitpunkt gekommen sein könnte, wo der Markt die Zukunftsaussichten der Rüstungsindustrie allmählich wieder realistischer beurteilt. |