Großbanken-Pionier fordert Banken-Zerschlagung Er hat einen globalen Bankengiganten geschmiedet. Doch der frühere Citigroup-Boss Sandy Weill hält Großbanken inzwischen für aus der Zeit gefallen – und verlangt ihre Entflechtung. Von E.S. Browning und D. Benoit, WSJ.de
http://www.welt.de/wall-street-journal/...rt-Banken-Zerschlagung.html
Sandy Weill brauchte nur wenige Sekunden, um von seinem Lebenswerk abzurücken. Durch zahlreiche Übernahmen hat Weill den Bankriesen Citigroup geschaffen. Einer der Megadeals veranlasste den US-Kongress im Jahr 1998, die sechs Jahrzehnte alte Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken aufzuheben. Nun jedoch fordert er eine Zerschlagung der riesigen US-Finanzkonzerne.
"Mein Vorschlag ist, dass sie entflochten werden, damit die Steuerzahler nie wieder in Gefahr kommen und die Kunden nicht um ihre Einlagen zittern müssen", sagte Weill in einem Interview mit dem Fernsehsender CNBC. "Es wurden Fehler gemacht", fügte er nach wenigen Augenblicken hinzu.
Nachdem er sich jahrelang nicht zu Wort gemeldet hatte, schließt sich der bedeutendste noch lebende Gründer eines Bankenimperiums damit den Kritikern von Großbanken an, die für ein "Kleiner ist besser" kämpfen.
Das ist ungefähr so, als habe Napoleon das Ende eines Eroberungs-Feldzugs gefordert. Weill trieb den Aufstieg der Citigroup an die Spitze der US-Bankenlandschaft an und beobachtete anschließend aus dem Ruhestand den Beinahe-Kollaps der New Yorker Bank in der Finanzkrise 2008.
"Das hat schon etwas Ironisches", sagt William Isaac, früherer Chairman von Federal Deposit Insurance Corp., der heute als globaler Leiter des Geschäfts mit Finanzinstituten bei FTI Consulting arbeitet.
Weill hat Abschaffung des Glass-Steagall-Acts forciert
Weill, sagt er, "hat vermutlich eine größere Rolle bei der Abschaffung des Glass-Steagall-Act gespielt, als irgendjemand anders." Diese Vorgabe aus der Zeit der Depression hielt Geschäftsbanken vom riskanten Wertpapierhandel und dem Investmentbanking fern.
Weill, der seinen Vorstandsposten 2003 an Charles Prince abgab und 2006 auch als Chairman der Citigroup zurücktrat, wies eine Interview-Anfrage des "Wall Street Journal" zurück. Seine Äußerungen kommen zu einer Zeit, in der Bankriesen, die seit der Rettung mit Steuermitteln im Jahr 2008 unter verschärfter Beobachtung stehen, mit einer Reihe neuer Skandale konfrontiert werden.
Bankenskandale reißen nicht ab
So wurde bekannt, dass Händler in Banken ihre Gewinne durch massive Manipulationen des oft verwendeten Libor-Zinssatzes gesteigert haben. Bei der britischen Bank Barclays traten daraufhin die Spitzen des Vorstands und des Verwaltungsrats zurück, weltweit haben die Regulierer umfassende Untersuchungen eingeleitet.
J.P. Morgan blamierte sich mit der Verkündung eines Handelsverlustes in Höhe von 5,8 Milliarden Dollar. Und Morgan Stanley wurde für seine Rolle beim Börsengang von Facebook kritisiert, bei dem die Aktien unmittelbar nach der Erstnotiz einbrachen, was Anlegern Milliardenverluste bescherte.
Die Äußerungen von Weill geben der Debatte über die Beschneidung der Größe einer Bank neue Nahrung. Kritiker befürchten, dass den Steuerzahlern eine Neuauflage der Finanzkrise droht. Während dieser stellte die Regierung Billionen Dollar an Kapitalspritzen und Garantien bereit, um das Vertrauen in die größten Institute aufrecht zu halten.
Großbanken funktionieren nicht mehr
Andere argumentieren, dass Großbanken aus finanzieller Sicht nicht funktionierten: Die meisten der nach Anlagevermögen größten US-Banken handeln an der Börse mit einem drastischen Abschlag auf ihren Buchwert bzw. den ausgewiesenen Unternehmenswert.
Die Regierung von US-Präsident Obama hat bisher wenig Interesse an der Zerschlagung von Banken gezeigt. Ihre Sorge galt mehr dem Schutz der immer noch fragilen Institute vor weiteren Schäden. Einige demokratische Abgeordnete im Kongress drängen dagegen auf eine Aufspaltung.
Die Republikaner, die über die Mehrheit im Parlament verfügen, wollen aber lieber die Dodd-Frank-Gesetze zur Reform des Finanzwesens als Gesetze aus dem Jahr 1933 wieder aufleben lassen.
Weill kämpfte für Liberalisierung des Bankensektors
Weill hatte jahrelang für die Abschaffung von Bundesgesetzen gekämpft, die Banken daran hinderten, in sämtliche Geschäftsfelder vorzustoßen. Eine der letzen Vorschriften, die ihm im Weg standen, war der Glass-Stegall-Act, der 1999 zurückgenommen wurde.
Weill galt als Chef-Lobbyist für diese Entscheidung. Sogar Bill Clinton rief er einmal spät in der Nacht an, um für seine Sache zu werben. Als die Vorlage zur Streichung des Gesetzes durch war, sprach man an daher schnell vom "Citigroup-Genehmigungs-Gesetz".
Großbanken heute aus der Zeit gefallen
Im Fernsehinterview verteidigte Weill seine Rolle bei der Schaffung von Konglomeraten: "Ich denke, das Ursprungsmodell war das richtige für seine Zeit", sagte er. "Ich denke jedoch, dass sich die Welt durch die Immobilienblase und den Zusammenbruch des Immobilienmarktes geändert hat und durch das, was dabei durch die hohen Kredithebel einiger Institute angerichtet wurde. Deswegen denke ich nicht, dass das Modell jetzt noch passt."
Die US-Finanzwirtschaft als Ganzes ist seit Jahrzehnten auf Konsolidierungskurs. Gleichzeitig hat sich das Wachstum der größten Banken beschleunigt – zumindest zum Teil durch Übernahmen, die durch die Finanzkrise 2008 gefördert wurden.
Vier US-Banken halten Anlagen für 7 Billionen Dollar
Die vier größten US-Banken - J.P. Morgan, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo - haben heute Anlagen im Wert von mehr als 7 Billionen Dollar. Das sind über die Hälfte mehr als Ende 2007. Dieses Wachstum ist zu einem großen Teil Krisen-Zukäufen geschuldet wie der Übernahme der gescheiterten Washington Mutual durch J.P. Morgan, dem Zukauf des Hypothekenfinanzierers Countrywide Financial durch die Bank of America oder Wells Fargos Übernahme von Wachovia.
Die Citigroup, die während der Krise nicht bei der Konkurrenz einstieg, musste stattdessen 45 Milliarden Dollar an staatlicher Hilfe in Anspruch nehmen und Beteiligungen verkaufen.
Großbanken immer mehr in der Kritik
Zu den Kritikern der immer größer werdenden Banken gehören auch Philip Purcell, der einstige Vorstandschef und Chairman von Morgan Stanley, sowie Sheilar Bar, die ehemalige Chefin der FDIC. Auch John Reed, der an der Spitze von Citicorp stand, ehe die Bank 1998 in einem Megadeal mit der Travelers Group zur Citigroup fusioniert wurde, und der jüngst zurückgetretene Citigroup-Chairman Richard Parsons haben gesagt, es sei ein Fehler gewesen, die Schaffung riesiger Finanzkonglomerate zu erlauben.
Es gibt aber auch Verteidiger der Großbanken. J.P.-Morgan-Chef James Dimon, der jahrelang für Sandy Weill arbeitete, eher dieser ihn 1998 rausschmiss, hat stets betont, dass große Banken Vorzüge hätten, wenn sie richtig geführt würden. Auch der Finanzkrise seien vor allem kleine und wenig diversifizierte Institute zum Opfer gefallen.
Dieser Artikel ist zuvor im Original unter dem Titel "Großbanken-Pionier fordert Banken-Zerschlagung" auf "Wall Street Journal" erschienen. |