BERLIN (Dow Jones-VWD)--Bundeskanzler Gerhard Schröder hat am Dienstag bekräftigt, dass der von der Bundesregierung eingeleitete Reformkurs noch weiter fortgesetzt werden soll. Dieser Reformprozess könne "nie endgültig abgeschlossen sein", weil sich Wirtschaft und Gesellschaft permanent auf neue Herausforderungen einstellen müssten, sagte Schröder beim Deutschen Arbeitgebertag in Berlin. Beispiele hierfür seien die Entwicklungen beim Ölpreis und bei der Euro-Dollar-Kursrelation. "Reformpausen" könne es nicht geben, sagte Schröder. Derzeit befinde man sich mitten im Prozess der Umsetzung der Agenda 2010. Schröder meinte, abstrakt sei die Reformbereitschaft in Deutschland außerordentlich hoch. Wenn es konkret werde, sei dann aber eine stark abnehmende Reformbereitschaft zu beklagen. Deshalb bleibe die Aufgabe, den Menschen klar zu machen, dass ihr verständlicher Wunsch nach Bewahrung des persönlichen Wohlstandes mit Bereitschaft zur Veränderung einher gehen müsse. Es müsse klar sein, "dass der Reformprozess zur Erhaltung des Wohlstandes in der Zukunft unter radikal veränderten Bedingungen dient". Schröder sah hier bereits Fortschritte. "Wir sind ein ganz gutes Stück voran gekommen, was die konkrete Reformbereitschaft angeht", sagte er. Jedenfalls werde der Reformkurs so unterstützt, dass man damit politisch leben und überleben könne. Es gehe um die Schaffung einer "neuen Balance zwischen Solidarität und Eigenverantwortung". Allerdings könnten die Systeme auch nicht von heute auf morgen umgebildet werden, sondern nur "im Prozess". Klar müsse sein, "dass derjenige, der die Reformbereitschaft überlastet, auch einen Fehler begeht". Die Regierung benötige "noch sehr viel Rückenwind, um das, was im Gesetzblatt steht, auch gesellschaftliche Realität werden zu lassen". Mit Blick auf die zum 1. Januar 2005 veränderten Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslosenunterstützung erwartete Schröder noch "erhebliche Probleme" und eine umfangreiche Debatte. Schröder bekräftigte in diesem Zusammenhang auch seine Position zur Mitbestimmung, wonach man in der gegenwärtigen "Umbruchzeit" den Menschen mehr Beteiligung an betrieblichen Entscheidungen ermöglichen müsse. Er meinte, die betriebliche Flexibilität in Deutschland könne sich "im internationalen Wettbewerb sehen lassen". Ausdrücklich lobte er den Tarivschluss der Metallindustrie, der einen "Meilenstein" darstelle. "Gehen Sie diesen Weg weiter, der ist vernünftig", sagte Schröder zu dem Gesamtmetall-Vorsitzenden Martin Kannegiesser. Der Kanzler teilte auch Aussagen von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt zu Fortschritten beim Ausbildungspakt. "Der Ausbildungspakt wirkt", sagte er. Es habe sich gezeigt, dass es richtig gewesen sei, auf Vereinbarungen zu setzen. Seine Skepsis gegenüber der Überantwortung solcher Bereiche an den Staat gelte im Übrigen auch für die Frage des Niedriglohnsktors. Hier sei nicht das Problem, dass man nicht Möglichkeiten finden könnte, in bestimmten Bereichen Mindestlohnregelungen auszuhandeln, unterstrich Schröder. Das Problem sei vielmehr, dass man in einem föderalen Staat die Politik in die Situation bringe, dass in jedem Landtagswahlkampf mit völlig unbeherrschbaren Folgen für die Wirtschaft über die Frage diskutiert werde, ob der Mindestlohn noch hoch genug sei oder nicht. "Wir haben da eine andere Tradition als die meisten europäischen Länder, in denen es diese Mindestlöhne gibt", warnte Schröder. -Von Andreas Kißler, Dow Jones Newswires; +49 (0) 30 2888 4118, andreas.kissler@dowjones.com (ENDE) Dow Jones Newswires/16.11.2004/ak/hab |