Ist Gold Geld?
Thomas Bachheimer: Gold und Silber sind Geld, alles andere ist Papier. Geld ist für mich nur Edelmetall.
Andreas Böger: Da das Geldmonopol zurzeit vom Staat wahrgenommen wird, sind der Dollar oder der Euro eher "das Geld". Aber trotzdem kann man das Gold nicht entmonetarisieren. Gold wird quasi aktuell inoffiziell als Ersatzmittel verwendet.
Ronald Stöferle: Der Markt hat sich im Laufe der letzten Jahrhunderte und Jahrtausende das perfekte Zahlungsmittel gesucht, und das sind größtenteils Gold und Silber und eben nicht - wie es temporär der Fall war - Kaffee, Zigaretten oder Papiergeld. Was sich immer mehr zeigt: Früher haben die Leute vor allem den schnellen Profit gesucht, indem sie in Gold und Goldaktien investierten. Jetzt kommt der monetäre Charakter immer mehr zum Vorschein, d. h. man besinnt sich auf diese jahrtausendealte Tradition als Zahlungsmittel.
Adalbert Boschek: Vor allem in den letzten Jahren haben sich Edelmetalle wieder monetarisiert. Wenn wir angesichts der unsicheren Wirtschaftslage den Begriff einfach umdrehen und die Metalle als Krisenwährung bezeichnen, dann hat das heute durchaus seine Berechtigung als Alternative zu den bestehenden Papierwährungen und als Notgroschen und Notfallzahlungsmittel.
Gold steigt seit mehr als einem Jahrzehnt. Was sind die Preistreiber?
Böger: Gold wird als monetäres Gut interpretiert. Man muss einfach schauen, wo die Zinsen der Alternativen liegen, also von Staatsanleihen, Sparbüchern etc. Sind diese real negativ, dann sind die Opportunitätskosten von Gold sehr gering. Ein weiterer Faktor ist das Risiko der Alternativen. Wenn dieses steigt, dann wird Gold auch attraktiver, weil es kein Gegenpartei-Risiko hat. Ich würde nicht sagen, Gold steigt, weil die Zentralbanken Gold kaufen. Die Menschen kaufen Gold, weil sie keine Opportunitätskosten und kein Risiko haben.
Bachheimer: Gold steigt nicht, sondern Gold ist der Bewertungsmaßstab für alles, und die Währungen fallen. Gold ist ein Zeugnis für die Wirtschaftsverantwortlichen und das Währungssystem. Je größer das Misstrauen in die Währung ist, desto höher ist der Goldpreis. Im kollektiven Unterbewusstsein bildet Gold den Grad des Freiheitsbedürfnisses einer Gesellschaft ab. Je höher der Goldpreis ist, desto mehr wollen sich die Menschen aus diesem System befreien. Für mich ist der Goldpreis ein Revolutionsindikator. Je höher dieser Preis in meinem Währungssystem ist, desto eher kommt der Zeitpunkt, wo dieses System - ich meine damit keine politischen Parteien, sondern das Gesamtsystem - abgelöst wird von einer neuen Gesellschafts-, Wirtschafts- und Organisationsform. Der Goldpreis zeigt an, wie weit wir im Zerfall der Elitestrukturen sind. Ich würde davon ausgehen, wenn die Unze zwei durchschnittliche Monatslöhne kostet, wird das System abgelöst. Davon sind wir nicht mehr allzu weit entfernt.
Boschek: Ganz so dramatisch sehe ich es nicht. Die aktuelle Zinssituation ist ein Indikator für den steigenden Metallpreis als Investment-Alternative, ein weiterer Indikator ist die wirtschaftliche Unsicherheit. Und natürlich ist alles ein Spiel von Angebot und Nachfrage. Das Angebot lässt sich schwer erhöhen, die jährliche Produktion liegt bei 2500 Tonnen pro Jahr, dazu kommen aus der Wiederverwertung 2000 Tonnen dazu. Die Nachfrage ist im Moment noch immer höher als das Angebot. Der größte Verbraucher ist die Schmuckindustrie, vor allem China, Indien, Russland sind Nettokäufer. In den letzten Jahren hat sich Gold auch als Investmentprodukt entwickelt.
Stöferle: Indien war im letzten Jahr noch der größte Nachfrager nach Gold, heuer könnte es China werden. In Indien wird die Goldnachfrage zwar als Schmucknachfrage subsumiert, aber in Wirklichkeit ist das Investment, wenn es sich etwa um die Mitgift handelt. Generell ist die Investmentnachfrage sicher der treibende Faktor im Bullenmarkt. Langsam sieht man auch institutionelle Investoren den Markt betreten, wobei diese noch immer massiv unterinvestiert sind. Der stark gestiegene Gold- und Silberpreis sind einfach Zeichen der Zeit. Es ist nicht nur Libyen. In den USA gibt es Streiks mit 100.000 Leuten auf der Straße, in Indien und China Massenproteste. Ich glaube nicht, dass sich die Situation wieder bald beruhigen wird. Die Probleme von 2008 wurden bei Weitem nicht gelöst, ganz im Gegenteil, es wurde versucht, die Krise mit den Mitteln zu lösen, die sie verursacht haben. Daher meine ich, dass die nächste Krise nur noch größer wird.
Sie alle leiten somit aus dem steigenden Goldpreis eine Systemunzufriedenheit ab?
Böger: Es ist ein staatliches Geldmonopol, das an seine Grenzen stößt, weil es eine Überschuldung gibt. Die Leute entziehen sich diesem Geldmonopol, indem sie sich der Freiheit zuwenden.
Bachheimer: Die Leute werden gezwungen, das staatliche Geld zu verwenden, sehen aber, dass sie damit ständig die Verlierer sind. Mit dem Geld, das uns aufoktroyiert wird, können wir nicht mehr operieren. Die Menschen beginnen, sich davon zu befreien. Das lässt sich nicht mehr stoppen.
Wie lange erwarten Sie einen weiteren Anstieg?
Stöferle: Unser offizielles Kursziel liegt für Juni bei 1600 US-$. Langfristig sehe ich die 2300 US-$, was das inflationsbereinigte Allzeithoch von 1980 wäre. Allerdings beruht das auf der offiziellen Inflationsrate. Wenn man sich die Shadowstats-Daten ansieht, käme man relativ schnell auf 8000 US-$.
Bachheimer: Bei einer Kurszielberechnung muss man auch beachten, was seit 1980 an Goldmenge und an Geldmenge geschaffen wurde. Und hier ist zehnmal so viel Geld wie Gold geschaffen worden. Damit kommt man auf einen fairen Preis von 23.000 US-$. Das werden wir aber nicht erreichen, weil vorher das monetäre System zusammenbrechen würde.
Stöferle: Generell besteht ein wunderschöner Bullenmarkt, und am Ende jedes Bullenmarktes kommt eine parabolische Trendbeschleunigung, von der wir noch weit entfernt sind. Im Zuge dessen sollten wir zumindest 2300 US-$ sehen. Laut Bloomberg bin ich weltweit der mit Abstand optimistischste Analyst aller großen Häuser. Das Chance-Risiko-Profil ist heute wesentlich besser als 2006, als ich meine erste Goldstudie geschrieben habe und die Welt oberflächlich noch in Ordnung war. 2300 US-$ mag bullish klingen, das sehe ich aber eher als Untergrenze.
Böger: Man sollte die Kursziele im Sinne einer Kaufkrafterhöhung sehen. In den 30er-Jahren ist Gold in den USA um 50 Prozent gestiegen, die Preise sind aber um 90 Prozent gefallen: Kaufkrafterhöhung ca. 10fach. In den 70er-Jahren ist Gold um das 20-Fache gestiegen, aber auch die anderen Preise, sodass sich die Kaufkraft um das 10-Fache erhöht hat. So ähnlich wird es auch jetzt passieren. Wenn man die Deflation in Form von Masseninsolvenzen bekommt, dann wird sich Gold stabil halten, während die anderen Preise sinken. Gibt es eine Geldentwertung, dann wird sich die Kaufkraft auch erhöhen, weil dann Gold als Inflationshedge genommen wird. Die Probleme sind jedenfalls um ein Vielfaches größer als in den 70ern. Der klassische Lösungsweg, ein Papiergeldsystem zu stabilisieren, funktioniert über eine Zinserhöhung. Das war schon im 19. Jahrhundert so. Das wäre das Ende der Goldhausse.
Stöferle: So wie 1980, als Paul Volcker den Bullenmarkt dadurch beendete, dass er die Zinsen auf 16,7 Prozent erhöhte. Das ist nun absolut illusorisch.
Bachheimer: Die Häuslbauer können heute nicht einmal mit null Zinsen ihre Kredite bedienen. Das System hat sich zu Tode gelaufen. Wenn die Zinsen erhöht werden, was absolut wichtig wäre, dann ist alles aus. Insofern gibt es kein Ausweichen. Diese Krise hat keine historische Entsprechung, weil es ein globaler Flächenbrand ist. Es ist fast jedes Land betroffen.
Boschek: Die geglättete Preisprognose bei einer Konferenz im letzten Jahr über alle Teilnehmer lag bei 1450 US-$ für 2011, wovon wir nicht mehr weit weg sind. Auch 1600 US-$ sind im Bereich des Möglichen. Ich möchte mich aber nicht auf eine Zahl fixieren. Mir fehlen momentan einfach die Indikatoren, die für Kursrückgänge sprechen würden. Daher besteht weiteres Potenzial nach oben.
Stöferle: Die bescheidenen Kursziele in Bloomberg, ich glaube sie liegen aktuell unter den 1450 US-$, entkräften auch jegliche Bubble-Argumente klar. Ganz am Ende eines Bullenmarktes muss die breite Masse extrem bullish sein und die Analysten müssten Kursziele haben, die weit vom aktuellen Kurs entfernt sind.
Sie haben extreme Zinserhöhungen angesprochen. Was sonst könnte die Rally beenden?
Bachheimer: Ein Währungswechsel oder eine Neustrukturierung des Weltwährungssystems würde ein abruptes Ende bewirken. Alles andere kann den Goldzug nicht bremsen.
Böger: Wenn man risikobereinigt wieder eine gute Alternative hat.
Wie viel soll ein Privatanleger prozentuell in Gold investieren?
Bachheimer: Ich habe jetzt 400 Euro eingesteckt, aber der Rest ist quasi in Gold. Ich habe 2002 den Aufsatz "Gold und wirtschaftliche Freiheit" von Alan Greenspan gelesen, meinen Job als Staatsanleihenhändler in Irland gekündigt und verfolge die Situation seither.
Boschek: Ich bin da konservativer und erachte zwischen fünf und 15 Prozent in Edelmetallen für sinnvoll.
Stöferle: Wir empfehlen einerseits das physische Investment und andererseits Goldaktien, von denen wir viele auf unserer Empfehlungsliste haben. Vor eineinhalb Jahren haben wir auch einen Basket mit kanadischen Goldaktien aufgelegt, der nun 130 Prozent im Plus ist. Innerhalb der Aktien findet man nach wie vor sensationell günstige Bewertungen. Unser Haus empfiehlt fünf bis zehn Prozent Investments in Gold, bei mir persönlich ist es ein bisserl mehr.
Böger: Ich orientiere mich an der Rothschild-Quote von 30 Prozent, persönlich habe ich allerdings viel mehr. Genauso wie Thomas Bachheimer habe auch ich 2002 meinen Lebenslauf umgekrempelt, um auf den Goldbereich umzuschwenken.
Könnte Gold bei einer Neustrukturierung des Währungssystems wieder eine Rolle spielen?
Bachheimer: Meiner Meinung nach ja! Wir brauchen bei jedem Währungssystem einen Gravitationspunkt, etwas Physisches, das nicht beliebig vermehrbar ist. Etwa einen Korb aus Metallen.
Stöferle: Ich hoffe ebenfalls. Nimmt man die Aussagen einiger doch recht honoriger Persönlichkeiten wie etwa von Robert Zoellick (Weltbank-Präsident, Anm.) her, in denen auf den "Goldstandard" eingegangen wird, zeigt das schon einen ganz klaren Paradigmenwechsel und war vor einigen Jahren undenkbar. Es gibt allerdings nicht DEN Goldstandard, es gibt viele verschiedene Formen. Ich glaube nicht an eine hundertprozentige Deckung.
Haben Sie zum Abschluss eine Buchempfehlung zum Thema Gold?
Bachheimer: Der Greenspan-Artikel, dann noch Roland Baader: Der papierene Selbstmord.
Stöferle: Als Autoren Mises und Murray Rothbard, ferner Hayek: Der Weg in die Knechtschaft; Ferdinand Lips: Die Goldverschwörung.
Boschek: Für jemanden, der beginnt, sich für Edelmetalle zu interessieren, etwa Bruno Bandulet: Das geheime Wissen der Goldanleger.
Böger: Mises, Hayek; für Einsteiger: Rothbard, Scheingeldsystem.
Mittwoch, 23. März 2011 18:08
quelle: wirtschaftsblatt.at
12.03.2011 |