Know-how aus der Raumfahrt Mit Anlagen zur Kühlung und Trocknung von Stahl ist die Adphos AG vor allem in Asien erfolgreichvon Stefan Beyer An Selbstbewusstsein mangelt es Kai K. O. Bär nicht. "Wir von Adphos tragen dazu bei, mit unseren Ideen die Welt zu verändern", sagt der promovierte Maschinenbauingenieur und Geschäftsführer der Adphos Steel GmbH im oberbayerischen Bruckmühl.
In anderen Sphären, der Raumfahrtforschung nämlich, liegen die Wurzeln der Firma. Beim früheren Staatsunternehmen IBAG in Ottobrunn waren Bär und sein heutiger Kompagnon, der Physiker Rainer Gaus, für die Wiedereintrittssimulation des europäischen Space Shuttles "Hermes" zuständig. Dabei entwickelten sie ein Verfahren mit, das thermische Prozesse, also das Erwärmen und Trocknen von Materialien, radikal verkürzte.
Kommerzielle Anwendungen wurden bereits damals diskutiert, "doch von zu vielen Leuten, die davon nichts verstanden", sagt Bär. Überzeugt von der Nutzung von Lichtstrahlen als Quelle von Energie und deren innovativer Anwendung gründeten der damals 36jährige Kai Bär und der 32jährige Rainer Gaus 1996 in Bruckmühl die Industrie SerVis GmbH.
Es ging schnell aufwärts mit dem Unternehmen, 1999 erfolgte unter dem Namen Adphos (Advanced Photonics Technologies) der Gang an die Börse. "Im Unterschied zu vielen Newcomern auf dem Börsenparkett hatten wir nicht nur eine Idee, sondern auch eine Technologie und entsprechende Hardware", sagt Bär.
Heute besitzt Adphos mehr als 100 Patente und baut Trocknungs- und Kühlungsanlagen vor allem für die Stahlindustrie. Bärs Ziel, Weltmarktführer auf seinem Spezialgebiet zu werden, ist zumindest in Asien in Sicht.
In Europa hingegen hat Bär ein Beharren auf alten Technologien in der Stahlindustrie ausgemacht. Obwohl durch neue thermische Technologien viele Fertigungsprozesse wesentlich beschleunigt werden könnten, gehe vielen Managern in Deutschlands Stahlindustrie die Veränderung zu rasant. Die Chance, etwas "extrem zu verbessern und andererseits die altbekannten Produktionspfade zu verlassen" werde in Europa noch zuwenig genutzt, sagt Bär.
Zwar gebe es Ausnahmen wie den Thyssen-Krupp-Konzern, der bereits seit drei Jahren mit Adphos-Know-how "enorme Kostenvorteile" erziele, doch sei zu befürchten, daß andere Großunternehmen die neuen Möglichkeiten der thermischen Industrieprozesse zu spät anwenden. "Der Zug ist schon heute in Richtung Asien abgefahren, über 70 Prozent unserer Kunden sitzen dort", sagt Bär. Auf Asien entfallen demnach auch bereits zwei Drittel des Umsatzes von 35 Millionen Euro.
Rund 200 Tage im Jahr reist der Geschäftsführer Bär um den Globus, denn vielfach wird die Adphos-Technologie vor Ort in Zusammenarbeit mit den Maschinenbauern nicht nur installiert, sondern auch gleich weiterentwickelt. "Das läuft vertikal", sagt Bär. "Bei uns verläßt keine Anlage das Haus, bevor sie hier nicht ausführlich getestet wurde. Wir sind eigentlich ein großes Labor."
In Bruckmühl wird die Erfahrung, die Adphos bei seinen Kunden weltweit sammelt, gebündelt. Die komplette Elektrotechnik und Mechanik wird in Oberbayern gefertigt. Dann findet die Endmontage statt, schließlich wird unter "betriebsrelevanten" Bedingungen getestet, dann erst ausgeliefert. Am Hauptsitz Bruckmühl beschäftigt Adphos derzeit 100 Menschen, weitere 100 in einem Tochterunternehmen in Hamburg.
Da die Adphos-Anlagen nur einen Bruchteil der Fläche konventioneller Trocknungsanlagen beanspruchen, werden enorme Kostenvorteile erzielt. So ist das Betriebsgelände in Bruckmühl nicht einmal so groß wie eine einzige riesige Trocknungshalle, die bei konventioneller Technik in der Stahlindustrie noch heute benötigt wird, sagt Kai Bär.
Doch neben dem Platzvorteil, der effizienten Kontrolle des Trocknungsprozesses und der Energieeinsparung, zählt vor allem der Faktor Zeit. Thermische Produktionsprozesse, wie die Beschichtung von Stahlbändern, können in der laufenden Produktion in Sekunden ausgeführt werden. Das war früher nicht möglich. Man mußte die Bänder wesentlich langsamer fahren oder sogar Prozesse auslagern.
Beschichtete Stahlflächen werden hauptsächlich für Gebäudefassaden verwendet. Aber verstärkt auch bei "weißer Ware", wie Elektronikgeräten, bei der Bär "große Wachstumsraten" prognostiziert. In der Druckindustrie ist Adphos bei der Trocknungstechnologie im Bogenoffsetdruck gut vertreten.
Nachholbedarf sieht das Unternehmen vor allem bei vielen mittelständischen Betrieben. Hier müsse man sich in vielen Bereichen von alten Vorstellungen verabschieden. Schon ab 5000 Euro könne man in Zusammenarbeit mit Adphos und Maschinenbauern Kostenvorteile erzielen. Aber auch Investitionen von zwei bis drei Millionen Euro in die thermischen Prozesse könnten dauerhaft die gesamten Fertigungskosten signifikant senken, sagt Bär.
Der größte Bandstahltrockner der Welt wurde jüngst in Holland in Betrieb genommen. Die große Ausnahme, denn nach wie vor werde in Europa zuwenig in neue Technologien investiert. "Hier müssen wir noch viel Überzeugungsarbeit leisten", sagt der Adphos-Manager.
Die fortschreitende Globalisierung lasse den Unternehmen ohnehin keinen Spielraum mehr. Und Kunden in Asien bezahlten die hohen Kosten deutscher Ingenieurleistungen ohnehin nur noch, wenn die Qualität und die Fertigung stimmten. "Und genau das ist unsere Stärke."
Artikel erschienen am 19. Februar 2006 http://www.wams.de/data/2006/02/19/847675.html |