FAZ vom 05.02.04 auf S.19 :
Offene Immobilienfonds unter Druck
Erstmals seit dem Jahr 2000 verzeichnen offene Immobilienfonds wieder Mittelabflüsse. Allerdings wäre es verfrüht, dahinter eine allgemeine Abkehr der Investoren von diesem Anlageprodukt zu vermuten: Von den hohen Mittelabflüssen der vergangenen Monate scheinen hauptsächlich offene Immobilienfonds betroffen zu sein, die schwerpunktmäßig in Deutschland investieren, wie das Immobilien-Beratungsunternehmen Dr. Lübke in seinem "Stimmungsbarometer offene Immobilienfonds" berichtet. Fonds mit internationalem Anlageschwerpunkt haben im November und Dezember sogar Mittelzuflüsse verzeichnet.
Dennoch, Abflüsse in Höhe von rund 1,85 Milliarden Euro innerhalb von zwei Monaten sprechen eine deutliche Sprache. Angesichts der positiven Entwicklung auf den Aktienmärkten tragen auch die Renditen, welche inzwischen im Durchschnitt nur noch bei 3 bis 3,5 Prozent liegen, nicht zur Attraktivität der offenen Immobilienfonds bei. Jetzt gilt es, das Vertrauen der Anleger in das Produkt zu erhalten, was vereinzelt auch mit einer Neuausrichtung älterer Fonds einhergeht, die von "Altlasten" befreit werden sollen.
Nichts ist sicher
Die Zeiten, in denen Immobilien nur verwaltet wurden, sind vorbei - heute stehen die Anlagestrategie und das Portfoliomanagement im Vordergrund. Nachdem die offenen Immobilienfonds über Jahrzehnte positive Renditen auswiesen und 2001 und 2002 Mittelzuflüsse in rekordverdächtiger Milliardenhöhe verzeichneten, wandelt sich jetzt das Bild vom stetigen Gewinner zum ebenso von der Konjunktur und den Marktzyklen abhängigen Anlageprodukt. Sicher ist nur, daß nichts mehr sicher ist, auch nicht die Wertentwicklung einer Immobilie.
Besonders hart hat diese Entwicklung im Dezember den offenen Immobilienfonds "Grundwert-Fonds" der Tochtergesellschaft der Dresdner Bank Degi getroffen, der Mittelabflüsse in Höhe von 1,1 Milliarden Euro verkraften mußte. Die in Fachkreisen geäußerte Spekulation, daß institutionelle Investoren den Fonds als kurzfristigen "Parkplatz" genutzt hätten, weist die Sprecherin der Geschäftsführung, Bärbel Schomberg, im Gespräch mit dieser Zeitung zurück. "Es war die Entscheidung vieler privater Anleger, die zum Jahresende ihr Vermögen umgeschichtet haben. Diese Entwicklung kam auch für uns überraschend. Insgesamt haben wir eine gute Streuung bei unseren Anlegern, so daß wir nicht von großen institutionellen Investoren abhängig sind", betont sie. Im Januar habe sich die Situation stabilisiert. Die Wiederanlagequote habe bei 60 Prozent gelegen. Das entspräche einem kleinen positiven Mittelzufluß von rund 4 Millionen Euro. Aufgrund der hohen Abflüsse liegt die Liquiditätsquote des Grundwert-Fonds derzeit bei 6 bis 8 Prozent und damit nur knapp über dem vorgeschriebenen Minimum von 5 Prozent. "In solchen Situationen, die außergewöhnlich sind, muß man zu Kreditaufnahmen greifen, wobei dies keine langfristige Lösung ist, da durch die Kredite das Ergebnis beeinträchtigt wird."
Zyklen auch bei Immobilienfonds
Für das Management der Degi, das ebenfalls neu aufgestellt wurde, gibt es viel zu tun, sowohl im Hinblick auf das Produkt selbst als auch die Organisation des Vertriebs. So soll die Zusammenarbeit mit den 14 000 hauptamtlichen Vertretern der Allianz verstärkt und der Drittvertrieb ausgebaut werden. "Wir wollen das richtige Geld in die richtigen Fonds bekommen. Offene Immobilienfonds sind für langfristige Anleger geeignet", sagt Schomberg. Der Grundwert-Fonds selbst, der 1972 aufgelegt wurde, soll eine neue Ausrichtung erhalten. "Wir werden aus dem Grundwert-Fonds einen relativ großen Bestand veräußern und die Liquidität nutzen, um neue Premium-Immobilien zu kaufen", sagt Schomberg.
Der Grundwert-Fonds ist zur Zeit überwiegend in Deutschland investiert, was sich auch in der relativ mageren Wertentwicklung widerspiegelt. Deshalb soll der Auslandsanteil, der zur Zeit bei rund 17 Prozent liegt, weiter ausgebaut werden. "Geld wird beim richtigen Einkauf verdient", sagt Schomberg. Allerdings bergen auch Auslandsinvestitionen Risiken: Neben dem Wechselkursrisiko, das jedoch nur noch in Ländern außerhalb der Euro-Zone besteht, erfordern Investitionen im Ausland auch eine gute Kenntnis der steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen und der Märkte. Insgesamt sei ein Umdenken erforderlich, hebt Schomberg hervor. Das Thema Volatilität habe sich erst in der jüngsten Vergangenheit auch bei den offenen Immobilienfonds gezeigt. Jetzt müsse sehr offen kommuniziert werden, daß es auch bei Immobilienfonds Zyklen gebe.
Kritischere Stimmung
Auch der Grundbesitz-Invest der DB Real Estate, der schwerpunktmäßig in Deutschland investiert ist, mußte Abflüsse hinnehmen, berichtet der Vorstandschef (CEO) für Deutschland, Michael Kremer. "Die offenen Immobilienfonds sind in der kurzfristigen Betrachtung für den Anleger nicht mehr so interessant." Dies erklärt er unter anderem damit, daß die Sachverständigen im vergangenen Jahr als Antwort auf die hohen Leerstände und sinkenden Mieten die Immobilienwerte zurückgenommen haben. Insgesamt sei die Stimmung kritischer geworden. "Wir werden dennoch nicht im großen Stil Objekte in Deutschland verkaufen, nur weil die Märkte hierzulande zur Zeit schwach sind", betont Kremer. "Eine Portfoliobereinigung um der Portfoliobereinigung willen wäre falsch."
Ingo Hartlief, Vorstandsmitglied der Difa Deutsche Immobilien Fonds AG betont, daß sich die Risikoneigung der Anleger in Zeiten sich bessernder Konjunkturaussichten und anziehender Aktienmärkte verändere. "Schon in der Vergangenheit haben sich die Nettomittelzuflüsse bei offenen Immobilienfonds umgekehrt zur Entwicklung der Aktienmärkte verhalten. Dadurch erklären sich auch die Rückflüsse, die einige offene Immobilienfonds derzeit zu verzeichnen haben." Die Nettoabsatzentwicklung müsse jedoch differenzierter als in der gegenwärtigen Diskussion betrachtet werden, denn auf breiter Front seien keine dramatischen Rückflüsse zu beobachten.
Text: hc., Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.02.2004, Nr. 30 / Seite 19 |