Die Silicon Valley Bank Group (SIVB) ist der größte Finanzierer von Startup-Unternehmen, speziell in der Bio-Branche. Wegen der Zinserhöhungen der Fed sind die von der SIVB gehaltenen Anleihen (Staats- und Unternehmensanleihen) deutlich im Kurs gefallen. Und zwar deshalb, weil es auf jetzt neu begebene Anleihen mehr Zinsen gibt.
Das ist für normale Großbanken - Bank of America z. B. hat dadurch Buchverluste von bislang über 100 Mrd. $ erlitten - kein ernstes Problem. Denn zum Ende der Laufzeit werden Anleihen in der Regel mit 100 % ausgezahlt, außer der Emittent ist dann pleite. Die Kursabsacker sind daher nur temporär.
Zwar müssen die Banken diese temporären Buchverluste bilanzieren (d.h. Verluste ausweisen), aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es später, wenn das Laufzeitende näher rückt oder die Leitzinsen erneut gesenkt werden, wieder entsprechende Gewinne geben wird.
Bei der SIVB beliefen sich die Buchverluste aus Anleihen auf etwa 20 Mrd. $. Das Sonderproblem der SIVB war, dass der Venture-Kapital-Guru Peter Thiel, der Startups berät, diesen empfahl, ihr Geld bei der SIVB abzuziehen. Als Begründung nannte er, dass der US-Einlagensicherungsfonds FDIC nur für Verluste bis 250.000 Dollar pro Konto haftet. Ein Startup, das Millionen bei der SIVB liegen hat, könnte allein dadurch pleite gehen, dass die SIVB über den Jordan geht.
Also zogen die Startup-Investoren in den letzten Wochen massenhaft Geld von der SIVB ab. Die Mittelabflüsse waren so groß, dass die Bank unterkapitalisiert war. Sie musste, um Mittel für die Auszahlungen zu generieren, einige ihrer im Kurs gefallenen Anleihen notverkaufen. Damit wurden die Buchverluste aber nun zu realen Verlusten in Höhe von 1,8 Mrd. $. Das Management der SIVB hoffte, sich über eine Kapitalerhöhung frisches Geld zum Ausgleich dieser Verluste besorgen zu können. Dies klappte jedoch nicht, weil die Bank bereits zu angeschlagen und das Vertrauen zu erschüttert war.
Deshalb hat der FDIC die Silicon Valley Bank am Freitag unter "Receivership" gestellt - eine Pleite-Zwangsverwaltung. Für normale Kunden bedeutet dies, dass sie bereits am Montag wieder Geld abheben bzw. ihre Mittel abziehen können. Allerdings nur bis 250.000 Dollar Obergrenze, weil mehr durch die FDIC nicht versichert ist.
Wie wirkt sich die SIVB-Krise auf die sonstige Bankenlandschaft aus?
Es gibt andere Wackelkandidaten wie die First Republic Bank (FCR) in San Francisco, deren Aktie am Freitag mit 50 % Minus eröffnete, am Ende des Handelszeit jedoch mit -20 % schloss (Chart in # 083). Ansteckungseffekte können daher gerade bei kleineren Banken mit hohen Anleihenbeständen sehr wohl auftreten.
Im Prinzip aber sind Banken durch die Reformen, die im Zuge der Bankenkrise 2008 eingeführt wurden, in der Regel gut kapitalisiert. Regelmäßige Stresstest beweisen, dass ihnen selbst in mittelschweren Rezessionen keine Pleite droht.
Großbanken genießen zudem das Vertrauen, dass der Staat sie im Zweifel immer noch wegen Systemrelevanz ausbailt (TBTF-Effekt). Bei kleineren Banken (wie der SIVB) könnten jedoch besorgte Firmenkunden ihre Mittel abziehen, so dass diese Banken Liquiditätsengpässe erleiden.
Bankenkrisen, die durch Mittelabflüsse verängstigter Kunden entstehen, sind zu 90 % Psychologie. Die FDIC-Garantien sollten nach meiner Einschätzung dafür sorgen, dass es zumindest bei kleineren Privatkunden keinen Bank Run geben wird.
Die Fed hat die Leitzinsen im letzten Jahr stark erhöht. Das ist für die Kurse von Anleihen, die in der Tiefzinsphase emittiert wurden, besonders schädlich. Man sollte aber nicht übersehen, dass die Fed damit auch wieder handlungsfähig geworden ist. Das Werkzeug Notfall-Zinssenkung ist jetzt wieder ein Joker (mit fundamentalen Auswirkungen), während in der Tiefzinsphase nur das eher stumpfe QE-Werkzeug (Anleihenaufkäufe) zur Verfügung stand. Wenn wirklich ernste Schieflagen bei den US-Banken drohen, würde die Fed die Zinsen wohl wieder "überraschend" drastisch senken.
Ein weiterer extremer Notnagel, der 2008/9 angewendet wurde, bestand darin, dass Banken die Anleihen in ihren Beständen mit dem Einkaufspreis ("mark to fantasy" statt "mark to market") bewerten durften. (Die Fed selbst macht "mark to fantasy" jetzt schon, sie hat ebenfalls hohe Verluste aus den QE-Aufkäufen von Anleihen aller Art, siehe # 069.) Bei den Geschäftsbanken ist die Aufweichung der FASB-Bilanzierungsregeln zwar Augenwischerei, aber Verluste aus gefallenen Anleihekursen müssen dann in den Quartalszahlen vorläufig nicht nicht mehr ausgewiesen werden - "pretend and extend". |