THOMAS SCHULZ IM INTERVIEW Das aktuelle Geschäftsjahr hat für Thomas Schulz, seit März Vorstandschef des lange kriselnden Traditionsunternehmens Bilfinger, mit einer Erfolgsmeldung begonnen. Um 14 Prozent stieg der Umsatz des Industriedienstleisters im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr, mit nennenswerten Zuwächsen in allen Segmenten und Regionen, wie der Konzern am Mittwoch mitteilte.
In seinem ersten Interview nach seinem Antritt im März lobt der Manager dafür auch seine Vorgänger: „Es ist in den vergangenen Jahren sehr viel sehr gute Arbeit bei Bilfinger gemacht worden“, sagte Schulz dem Handelsblatt. Das Unternehmen sei heute sehr stark aufgestellt.
Der SDax-Konzern profitiert derzeit von einer verbesserten Auftragslage in der Öl- und Gasindustrie, die auch durch den Konflikt des Westens mit Russland und die daraus entstandenen Preissteigerungen für Energie derzeit Auftrieb erhält. „Wenn sich der Markt da gut entwickelt, ist das natürlich positiv“, erklärte Schulz. Inwieweit das langfristig so bleibe, sei allerdings fraglich.
Als Worst-Case-Szenario sieht der Bilfinger-Chef dabei eine Eskalation des Konflikts, die in einen Gaslieferstopp münden könnte. „Für uns bei Bilfinger allerdings würde ein Energieembargo kurzfristig wohl eine bessere Auftragslage bedeuten“, sagte Schulz. Viele Industrieanlagen müssten mangels Rohstoffen erst abgeschaltet und dann instandgehalten werden.
Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht seien die Folgen aber gravierend. „Auch Europa insgesamt würde schwer getroffen, denn Deutschland ist keine Insel und mit vielen EU-Ländern und Staaten außerhalb der EU wirtschaftlich verbunden“, sagte Schulz.
Herr Schulz, nachdem Öl und Gas als Energieträger lange abgeschrieben worden sind, erlebt die Branche durch den Ukrainekrieg eine kleine Renaissance. Was bedeutet das für Bilfinger? Dienstleistungen für die Öl- und Gasindustrie gehören zu unseren Kernkompetenzen. Wenn sich der Markt da gut entwickelt, ist das natürlich positiv. Unsere Angebotspalette ist aber sehr breit. Wir wollen unseren Kunden grundsätzlich dabei helfen, effizienter und nachhaltiger zu werden. Technologie ist der Schlüssel dafür, in der Öl- und Gasindustrie, aber auch in unseren anderen Segmenten.
Unter Ihren Vorgängern wurden die Kapazitäten im Segment Öl und Gas zuletzt abgebaut. Müssen Sie angesichts der veränderten Marktlage wieder aufbauen? Diese Kapazitätswechsel gibt es bei Bilfinger immer wieder. Es ist deshalb wichtig, dass wir in unser Personal investieren, um auch die Weiterbildung zu fördern. Das hat in der Vergangenheit immer gut funktioniert. Wichtig ist, dass es in keinem Bereich zu Leerläufen kommt oder Personal fehlt, um Aufträge abzuarbeiten. Inwieweit sich die Marktlage bei Öl und Gas langfristig verändert, hängt eng mit der weiteren Entwicklung des Konflikts zwischen dem Westen und Russland zusammen.
Auf welche Szenarien bereiten Sie sich dabei vor? Das Worst-Case-Szenario ist eine weitere Eskalation. Die hätte einen spürbaren Effekt auf die Politik und damit auch auf die Wirtschaft. Denkbar ist grundsätzlich auch, dass der Krieg in der Ukraine noch eine lange Zeit weitergeführt wird. Das ist eine ziemlich schlimme Vorstellung, aber darauf muss man vorbereitet sein. Das spielen wir im Topmanagement und auch im Gespräch mit unseren Kunden regelmäßig durch.
Bereitet Ihnen die Möglichkeit eines Energieembargos gegen Russland gewisse Sorgen? Ein solcher Schritt wäre sehr gravierend für die deutsche Wirtschaft – und damit auch für die Gesellschaft. Auch Europa insgesamt würde schwer getroffen, denn Deutschland ist keine Insel und mit vielen EU-Ländern und Staaten außerhalb der EU wirtschaftlich verbunden. Für uns bei Bilfinger allerdings würde ein Energieembargo kurzfristig wohl eine bessere Auftragslage bedeuten, denn viele Anlagen, die dann zum Beispiel keinen Rohstoff mehr zugeführt bekommen, müssten abgeschaltet und gleichzeitig instandgehalten werden. Mittelfristig wollen sich die Betreiber diversifizieren und unabhängiger werden. Dieses Transformationsgeschäft ist ebenfalls gut für uns.
Eon-Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley hat gefordert, nicht private Haushalte, sondern die Industrie prioritär zu beliefern, wenn das Erdgas knapp werden sollte. Was halten Sie davon? Ich glaube, hier herrscht ein Irrglaube. Viele denken, wenn das Gas abgestellt wird, dann bekommt die Wirtschaft keine Lieferung mehr, und die Leute sitzen zu Hause im Warmen, und alles ist in Ordnung. Das ist mitnichten so. Die Wirtschaft ist ja nicht unabhängig von den Menschen. Wenn Betriebe schließen müssen, dann gibt es keine Arbeit und auch kein Geld. Die verbale Trennung von Wirtschaft und Gesellschaft ist falsch und gefährlich. Die Politik muss hier einen Ausgleich schaffen, wie immer der auch aussieht.
Vor dem Ukrainekrieg ging Bilfinger durch viele Jahre der Krise. Ihr Vorgänger musste während der Restrukturierung noch zahlreiche Rechtsstreitigkeiten lösen, die aus mehreren Korruptionsskandalen resultierten. Bleiben Sie davon verschont? Es ist in den vergangenen Jahren sehr viel sehr gute Arbeit bei Bilfinger gemacht worden. Sehr viele der Probleme wurden gelöst. Was nicht gelöst wurde, ist bekannt. Der ganze Prozess hat das Unternehmen sehr krisenfest gemacht. Wir sind heute extrem stark aufgestellt.
Während der Restrukturierung hat sich Bilfinger deutlich verkleinert. Ist die Schrumpfkur jetzt abgeschlossen? Schrumpfkur ist nicht das richtige Wort. Es ging darum, sich auf die Kernkompetenzen von Bilfinger zu fokussieren. Man sollte dort investieren und wachsen, wo man gut ist. Dieser Prozess ist nie abgeschlossen, das ist eine der Hauptaufgaben für das Topmanagement. Gute Unternehmen sind immer in der Lage, sich neu zu erfinden.
Wie wollen Sie Bilfinger neu erfinden? Die internationale Wirtschaft steht vor komplexen Aufgaben, allem voran steht dabei der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit. In einer solch komplexen Welt tendieren Unternehmen dazu, Aufgaben, die nicht zu ihren Kernkompetenzen gehören, auszulagern. Das ist für Dienstleister eine gute Nachricht. Wir kennen uns mit Industrieanlagen aus und wissen, wie man sie effizient und nachhaltig betreibt. Dabei gibt es in vielen Industrien in vielen Teilen der Welt noch erhebliches Verbesserungspotenzial, das wollen wir in Zusammenarbeit mit unseren Kunden heben.
Ihr Vorgänger musste teilweise harte Kritik von aktivistischen Investoren einstecken. Hatten Sie schon Gelegenheit, Ihre Ideen mit den Aktionären zu diskutieren? Wenn man als neuer Vorstandsvorsitzender in ein Unternehmen kommt, bringt man in der Regel schon alles mit, was gewünscht ist. Ich bin ein sehr kommunikativer Mensch. Mir geht es unter anderem darum, die Eigenverantwortung bei den Mitarbeitern zu fördern. Hier macht Bilfinger schon viel richtig. Diese hervorragende Kompetenz will ich weiterentwickeln, und dafür bin ich auch geholt worden.
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