Hapag-Lloyd steuert in eine ungewisse Zukunft Dem Reisekonzern TUI droht die Zerschlagung. Die Folgen für die Schiffahrtssparte am Standort Hamburg sind nicht abzusehen. Der Senat arbeitet an einem Rettungsplan von Stephan Maaß und Martin Kopp
In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Aktie des hannoverschen Reiseveranstalters TUI halbiert. Teure Zukäufe, hohe Schulden und Zweifel am Unternehmenskurs von TUI-Chef Michael Frenzel hielten viele Anleger auf Abstand. Da reichte eine kleine Nachricht über eine mögliche Richtungsänderung für einen ansehnlichen Kursanstieg: Sechs Prozent legten die TUI-Papiere am Mittwoch zeitweise zu, nachdem Gerüchte die Runde machten, der dänische Schiffahrtsriese A.P.Moeller-Maersk habe Interesse an TUI wegen ihrer Tochter Hapag-Lloyd.
TUI schwieg, Maersk bestätigte der WELT zumindest, daß es Verhandlungen gebe. Doch in der Branche werden der Übernahme keine großen Chancen eingeräumt. Die Reaktion auf die Gerüchte macht deutlich, daß es bei TUI nicht so weitergehen kann, wie bisher. Die Folgen für Hapag-Lloyd am Standort Hamburg sind ungewiß.
Analysten kritisierten schon lange, daß sich bei den beiden TUI-Konzersparten Touristik und Schiffahrt kaum Synergien erzielen ließen. Lediglich die unter Hapag- Lloyd geführte Kreuzfahrtsparte verbindet die "zwei starken Säulen des Konzerns" (TUI-Sprache).
"Eine Übernahme durch eine Beteiligungsgesellschaft ist ein realistisches Szenario", sagt der Haspa-Analyst Christian Hamann. Der Konzern sei an der Börse derzeit extrem niedrig bewertet, so etwas wecke das Interesse von Investoren. Hintergrund: An der Börse kostet der gesamte Konzern rund 3,9 Milliarden Euro - günstig etwa in Relation zu den rund 18 Milliarden Umsatz oder der halben Milliarde Jahresüberschuß im vergangenen Jahr. Rund neunzig Prozent der Aktien sind in Streubesitz - so sieht ein Unternehmen aus, das leicht geschluckt werden kann. An der Börse wurde schon ein Kaufpreis von fünf Milliarden Euro gehandelt. "Bei einem Aufschlag von zwanzig Prozent auf den Aktienkurs wären viele Aktionäre bereist, sich von ihren Aktien zu trennen", sagt Hamann
Aber mehr als acht Milliarden Euro Schulden trüben das Bild. Vom Kauf des Reiseveranstalters Thomas Cook bis zur Übernahme der kanadischen Reederei CP-Ships hat TUI-Lenker Frenzel viel Geld ausgegeben. "TUI hat eigentlich immer überhöhte Preis gezahlt", sagt Hamann. Deshalb werde es wohl noch etwas dauern, bis der geeignete Käufer mit einem zugkräftigen Konzept auf den Plan tritt.
Der Hamburger Senat blickt dennoch mit Sorge auf die Entwicklung bei TUI. Hier befürchtet man bei einer Übernahme und Zerschlagung von TUI eine Schwächung des Wirtschaftsstandorts Hamburg, sollte Hapag-Lloyd verkauft werden und womöglich den Stammsitz Hamburg aufgeben. Zwar rechnet auch im Rathaus niemand damit, daß Maersk zum Zug kommt, zumal der Konzern derzeit noch die Fusion mit P&O Nedlloyd verdauen muß. Im Senat wird allerdings befürchtet, daß bei der Übernahme durch eine Beteiligungsgesellschaft ein Verkauf von Hapag-Lloyd an Dritte nicht verhindert werden könnte.
Vor allem die Rolle des Vorstandsvorsitzenden Michael Frenzel wird in Hamburg kritisch beäugt. Er habe es bisher nicht geschafft, dem Unternehmen eine klare strategische Ausrichtung zu geben, hieß es. Zwar habe er der Stadt zugesichert, diese bei einem Verkauf von Hapag-Lloyd vorher zu informieren. Einer feindlichen Übernahme stünde sie aber ohne Einflußmöglichkeiten gegenüber.
Deshalb sucht der Senat nach anderen Lösungen. Auch ein Einstieg wie bei Beiersdorf wird nicht ausgeschlossen. Allerdings müßte sich ein Hauptinvestor finden. Sollte der nicht alle Anteile von Hapag- Lloyd übernehmen können, wäre die Stadt unter Umständen bereit, den Rest zu kaufen.
Mehrfach hat der Senat schon versucht, eine Fusion der Hapag-Lloyd mit der Reederei Hamburg Süd zu organisieren. Dieses scheiterte bisher aber immer am Votum der Unternehmensführungen. Gleichwohl hielte man den Deal im Rathaus für ideal: Hamburg Süd ist ein traditionsreiches Unternehmen im Familienbesitz mit einem klaren Bekenntnis zum Standort Hamburg. Zudem gibt es kaum Überschneidungen in den Fahrgebieten der beiden Unternehmen.
Artikel erschienen am 30. Juli 2006 |