Lufthansa in Turbulenzen

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eröffnet am: 22.12.02 12:50 von: Nassie Anzahl Beiträge: 1
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Lufthansa fliegt in heftige Turbulenzen

Streik, Konkurrenz, Kriegsgefahr: Das Unternehmen kommt nicht zur Ruhe. Und jetzt wechselt auch noch der Chef / Von Winand von Petersdorff


Da braut sich etwas zusammen. Überall, wo das in Krisen gehärtete Lufthansa-Management hinguckt, drohen Brände. Ob im Tarifstreit, im Amerikageschäft nach der United-Pleite oder bei der Tourismus-Tochter Thomas Cook. Immer noch nerven die Billiganbieter. Und über allem lastet die Wirtschaftskrise und die Angst vor Terror und dem Irak-Krieg. Obwohl LH-Chef Jürgen Weber wieder als bester Luftfahrt-Manager der Welt gekürt wurde, werden Analysten skeptischer. Dresdner Kleinwort Wasserstein stufte das Kranich-Papier von "buy" auf "hold" herab. Die Helaba hatte vorher schon die Aktie auf "neutral" abgewertet.


Da hilft selbst nicht, daß der Aufsichtsrat kurz vor Nikolaus ein Zeichen der Verläßlichkeit setzte und Webers langjährigen Mitstreiter bei der Sanierung, Wolfgang Mayrhuber, frühzeitig zum Nachfolger bestimmte. Bei der Airline ballen sich die Probleme. Lauter offene Fragen.


Wie kommt die Airline zu einem verträglichen Tarifabschluß? Neun Prozent hat Verdi gefordert. Und schon einmal kurz die Muskeln spielen lassen. Beim Warnstreik des öffentlichen Dienstes in dieser Woche legte die Gewerkschaft die Flughäfen in Frankfurt und München kurz still. Die Lufthansa mußte 300 Flüge streichen, obwohl sie mit dieser Tarifrunde nichts zu tun hat. Niemand sagt es. Jeder weiß es: Das war Verdi-Chef Frank Bsirskes Botschaft an die Lufthansa-Spitze. Wenn im Januar wieder über die Löhne der Lufthanseaten geredet wird, geht es nicht um 3 Prozent, sondern um 9(!) Prozent. Denn Verdi will nach den von der Vereinigung Cockpit erzwungenen hohen Pilotenabschlüssen des vergangenen Jahres nun auch für ihre Mitglieder "einen ordentlichen Schluck aus der Pulle", wie ein Funktionär es formuliert. Von einem hohen Abschluß würden die Konkurrenten profitieren. Vor allem zu den jetzt schon schneller wachsenden Billig-Airlines würde der Kostenabstand größer. Hart bleiben bringt aber auch nichts. Verdi ist stark bei der Lufthansa. "Da hilft nur hoffen", sagt ein Lufthanseat.


Wie soll die Lufthansa mit der United Airlines-Pleite umgehen? Die amerikanische Gesellschaft ist Partner der Lufthansa in dem Airline-Bündnis Star Alliance. United fliegt weiter, dürfte aber defizitäre Strecken aufgeben. Damit kann auch die Lufthansa weniger Ziele vor allem in den Vereinigten Staaten anbieten und damit weniger Flüge verkaufen. Die öffentlichen Bekundungen der Lufthansa, alles bleibe beim alten, halten Experten, wie Cockpit-Sprecher Georg Fongern wie illusionär.


Offen ist zudem, was auf Dauer aus der Pleitefirma wird. Die Mitglieder der Star Alliance wollen zwar helfen, aber sich nicht in finanzielle Großrisiken stürzen. Zumal auch der brasilianische Partner Varig schwer angeschlagen ist. Erste Analysten raten der Lufthansa deshalb, nach einem neuen Partner für das USA-Geschäft Ausschau zu halten. Alle großen Amerikaner kommen dafür in Frage, sagt Booz Allen Hamiliton-Berater Jürgen Ringbeck: "Einen solchen Wechsel könnt Weber relativ reibungslos managen" Doch er kennt die Risiken. Selbst die Nummer eins American Airlines ist schwer angeschlagen. Und dezimiert die Strecken.


Wie soll Lufthansa den Schlag der Billigairlines kontern? Sieben sogenannte Low Cost-Carrier tummeln sich inzwischen in Deutschland und verderben der Kranich-Linie auf mancher Strecke die alte Preiskalkulation. Vor allem Michael O' Leary (O-Ton "Wir wollen mit der Lufthansa konkurrieren, nicht mehr kuscheln") macht geschickt von seiner RyanAir reden. Die vom sogenannten Netzwerkcarrier Lufthansa verbreitete These, daß RyanAir & Co neue Kundenkreise erschließen, und damit Lufthansa nicht wehtue, stimmt nur bedingt, wie eine Befragung der Beratungsagentur Simon, Kucher & Partner ergab: Viele machen regelmäßig Geschäftsflüge, fast ein Drittel nimmt an Vielfliegerprogrammen teil. Und wichtiger noch: Zwei Drittel wäre auch ohne Billiganbieter gereist. Knapp die Hälfte hat vor dem Flug die Preise anderer Fluggesellschaften sondiert und dann für RyanAir optiert. Mit anderen Worten: Es geht auch um potentielle Kunden der Lufthansa.


Noch schwerer ist die Bedrohung, die von Easyjet ausgeht, glauben Experten wie Ringbeck. Easyjet hat das gleich Geschäftsmodell wie die Iren, gilt aber als besser gemanagt. Und hat eine Kaufoption auf die Deutsche BA. Und die fliegt im Unterschied zu RyanAir nicht von Hahn oder Lübeck, sondern von München, Köln, Berlin, Hamburg, Stuttgart und Düsseldorf. Verknüpft mit dem Easyjet-Netz könnte es schmerzhaft für die Lufthansas werden.


Eine Antwort haben Weber und vor allem Mayrhuber, der als treibende Kraft gilt, schon gegeben: Die Beteiligung an German Wings, der Charter-Tochter der Eurowings. Sie stieg erfolgreich ins Billigsegment ein und hält vor allem Hapag Lloyds Discount-Carrier auf Distanz. German Wings fliegt von Köln und Berlin nach Barcelona, Istanbul, London (Stansted), Mailand, Paris und in andere Metropolen. Noch liegt die LH-Beteiligung bei 25 Prozent (mit einer Option auf weitere 25 Prozent). Wenn LH und German Wings näher zusammenrücken, könnten neue Probleme entstehen, fürchten Experten wie Ringbeck, nicht nur weil das Bundeskartellamt diese Verbindung aufmerksam beobachtet. Sollte die Lufthansa-"Denke" bei der extrem schlanken German Wings Einzug bekommen, dann wäre die gute Position "ruck, zuck dahin", so ein Berater. Zudem gibt es die Sorge, daß Gewerkschafter der Lufthansabeteiligung die Arbeitsbedingungen der Lufthansa übertragen. "Dann könnte die Lufthansa auch gleich wieder aus dem Geschäft aussteigen."




 

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