Bruno Simma, Richter am Internationalen Gerichtshof, im Spiegelinterview:
"Leider kann man Putin wenig entgegensetzen, wenn er in seiner Rede provozierend sagt: "Schau her, die USA entdecken das Völkerrecht - besser später als nie." Das völkerrechtliche Gewalt- und Interventionsverbot ist in der jüngeren Vergangenheit gerade vom Westen unter Führung der USA, immer wieder durchlöchert und aufgeweicht worden: im Irak-Krieg, über dessen angebliche Rechtfertigung man doch heute nur noch stauen kann, oder im Kosovo-Konflikt, als man sich gegenüber Rest-Jugoslawien auf den Gedanken einer humanitären Intervention berief. Und wenn irgendwo in der Welt ein Umsturz geschieht, der dem Westen gelegen kommt, wie jetzt in Ägypten, als der gewählte Präsident Mohammed Mursi gestürzt wurde, wird dies vom Westen akzeptiert - wenn nicht, dann nicht. So hat Putin eben auch, wie es ihm passte, die Regierung auf der Krim anerkannt, die in Kiew dagegen nicht. Putin war jetzt sicher besonders dreist, aber er hatte gute Lehrmeister. Der Vorwurf des Westens, Putin habe Völkerrecht verletzt, stimmt - aber er ist auch scheinheilig."
Bruno Eckard Simma (* 29. März 1941 in Quierschied) ist ein deutscher Völkerrechtler. Er war von 1973 bis 2006 Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München und fungierte von 2003 bis 2012 als Richter am Internationalen Gerichtshof |