BAD NEWS
Deutsche Metallindustrie bildet erste Krisenstäbe
Die deutsche Metallindustrie macht tapfer gut Wetter. Noch ist von Krise auch keine Spur. Doch verdeckt bereiten sich die Unternehmen schon emsig auf den Abschwung vor. Wieder heißt es: Kosten sparen oder zumindest flexibilisieren. Einen Puffer für den nächsten Einbruch bietet vor allem die Leiharbeit.
München - Der Senior kommt im silbernen Mercedes, der Junior im schwarz glänzenden. Flott und in Kolonne fahren sie über das Werksgelände ihrer traditionsreichen Firma, eines Zulieferers für die Fahrzeugindustrie. Ihr Ziel: eine Villa der Jahrhundertwende, Sitzungszimmer. Tagesbefehl für die Präsentation der Geschäftsführung: Weitere Flexibilisierung der Kapazitäten, Vorplanung betrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen für die nächste Anwendung von Kurzarbeit.
Es scheint absurd: Die Auftragsbücher sind voll, die Fabriken bis zum Anschlag ausgelastet, die Gewinne hoch wie nie, es wird stark investiert. Und trotzdem tagen in den Unternehmen der Metallbranche derzeit Krisenstäbe und außerordentliche Gesellschafterversammlungen. Wie soll man sich vorbereiten, auf den nächsten externen Schock? Wie der Gefahr eines Kollaps der Finanzmärkte begegnen, die den Umsatz wieder über Nacht auf Talfahrt schicken könnten?
Bei der letzten Krise hat es die Unternehmen kalt erwischt, doch wenn die nächste kommt, kann keiner den Naiven spielen. Schließlich hatte man erlebt, wie schnell alle Zukunftspläne Makulatur werden. Auch die Pressekonferenzen zur gerade angelaufenen Automesse IAA in Frankfurt bieten daher zum Teil eine merkwürdige Mischung aus Euphorie und unterschwelliger Angst - bei allem Bemühen um Normalität.
Unklare Datenlage
Noch heißt die Devise: Bange machen gilt nicht. Aber auch: nichts Gewisses weiß man nicht. Sogar das Münchener Ifo-Institut schreibt in einer aktuellen Studie zum Absatz der Autoindustrie: "Die Entwicklung 2012 ist wegen der Euro-Schuldenkrise und den Sanierungsbemühungen vieler öffentliche Haushalte, die insbesondere konjunktursensible Branchen wie der Automobilsektor betreffen, nicht abschätzbar".
Immerhin 2011 soll noch ganz glimpflich zu Ende gehen. Die sehr gute Entwicklung werde sich leicht abgeschwächt in den letzten Monaten des Jahres fortsetzen, sagt etwa Franz-Josef Kortüm, Chef des Autozulieferers Webasto. "Aber wir sehen natürlich mit einer gewissen Anspannung, was auf den globalen Finanzmärkten passiert und die möglichen Auswirkungen auf die Realwirtschaft". Es gebe derzeit angesichts der immer noch hohen Abrufzahlen der Kunden keinen Anlass, eine Krise herbeizureden, fährt er fort: "Gleichwohl sind wir darauf eingestellt, schnell und flexibel auf Marktentwicklungen zu reagieren. Alles andere wäre leichtsinnig."
Noch gequälter äußern sich auf Anfrage Vertreter aus dem Maschinenbau, einer Branche, die es nach dem September 2009 besonders hart getroffen hat und die teilweise auf Vorkrisenniveau noch gar nicht wieder angekommen ist - beim Ertrag nicht, geschweige denn bei der Eigenkapitalausstattung.
"So sehr es mich freut, dass es jetzt steil nach oben geht, so sehr denke ich, das steile Nachuntengehen könnte darin schon angelegt sein", sagt etwa Karl Haeusgen, mit Hawe Hydraulik Familienunternehmer in München und Sprecher des bayerischen Maschinenbauverbandes.
War er noch vor Kurzem in Sachen Schuldenkrise und Marktpsychologie gar nicht so pessimistisch, so sieht er die Zukunft nun düsterer: "Wir haben eine hoch integrierte eigene Wertschöpfung. Da ist es schwierig, die Kostenseite zu flexibilisieren". Eine Umsatzschwankung von 20 bis 30 Prozent sei beherrschbar, bei 50 Prozent aber werde es eng.
Das Rezept für seine Firma heißt ganz klar Leiharbeit. 20 Prozent der Gewerblichen seien derzeit Leiharbeiter sagt Haeusgen ohne Umschweife und schwärmt von der "Jobmaschine Zeitarbeit" - selbstverständlich zu fairen Konditionen. Regelmäßig habe seine Firma rund die Hälfte der Leiharbeiter in feste Arbeitsverhältnisse übernommen.
20 Prozent - diese Daumenregel für den Anteil der Leiharbeiter an den gewerblichen Mitarbeitern hört man immer öfter, wenn man mit mittelständischen Metallarbeitgebern spricht; meist ist sie nicht zitierfähig. Natürlich ist auch der Abbau von inzwischen wieder gut gefüllten Arbeitszeitkonten ein beliebtes Flexibilisierungsinstrument. Oder befristete Einstellungsverträge, wie sie für Neueinsteiger inzwischen fast die Regel sind.
Mit Kurzarbeit gut gefahren
Das kurzfristige Verschieben von Mitarbeitern zwischen Produktionsstandorten hilft im Krisenfall die Fertigung zu konzentrieren, genauso wie Fertigungsstraßen, die schneller auf verschiedene Produkttypen umrüstbar sind. Sogar vorübergehende Werksschließungen oder Zwangsurlaub sind kein Tabu, solange der Betriebsrat mitspielt. Nicht zuletzt steht das Instrument der Kurzarbeit bereit, mit dem man in der letzten Krise gut gefahren ist und kostspielige Massenentlassungen verhindern konnte.
Doch nochmals fast die ganze Belegschaft über eine vergleichbare Krise zu retten, das trauen sich viele Unternehmer offenbar nicht zu. Nicht einmal der fast schon unheimlich erfolgreiche Automobilhersteller BMW Chart zeigen, der 2011 rund 3500 neue Mitarbeiter eingestellt hat, die Hälfte davon in Deutschland, verzichtet auf Leiharbeit, sondern zeigt nach Gewerkschaftsangaben sogar eine besonders hohe Quote.
Zeitarbeit sei ein Flexibilitätsinstrument, sagte BMW-Personalvorstand Jürgen Krüger schon in diesem Frühjahr im Interview mit manager magazin online. "BMW braucht Flexibilität, auch zwei Jahre nach der Krise. Und ich persönlich glaube, das wird auch nicht mehr anders. Indem wir die starken Schwankungen in unserem Geschäft abfangen, sichern wir die Beschäftigung für unser Stammpersonal".
Ganz gleich wie glänzend sie dastehen: Bei einem nennenswerten Teil der Ressource Humankapital wollen die Unternehmen aus Fixkosten einfach variable machen.
Damit seien sie gut beraten, sagt Martin Eisenhut, Partner der Unternehmensberatung Roland Berger und Experte für den Maschinenbau. "Wer sich nur mit Kurzarbeit und wenigen Entlassungen durch die letzte Krise gerettet und die Unternehmensstrukturen nicht konsequent angepasst hat, der wird künftig Schwierigkeiten haben, Geld von den Banken zu bekommen, um weitere Wachstumspläne zu finanzieren".
Die Instrumente für die Strukturanpassung seien bekannt, müssten jedoch nach den Erfahrungen der letzten Krise noch konsequenter umgesetzt werden: Reduzierung von Standorten und Komplexität, Verlagerung von Komponenten an Zulieferer, intelligentere Produktentwicklung und Wachstum möglichst ohne Neueinstellungen.
Hatten sich die Unternehmen gerade noch auf mutige Wachstumsstrategien für die Schwellenländer kapriziert, müssen sie nun wohl wieder in die Niederungen des Kostensparens. Eisenhut will in den von ihm betreuten Branchen aufkommende Panik aber bisher nicht festgestellt haben. "Der Maschinenbau kann Zyklen schon immer sehr gut abfedern - auch durch Leiharbeit, wobei ich eine Quote von 20 Prozent für zu hoch gegriffen halte".
Welche Zahl auch stimmt - die Gewerkschaft IG Metall will die Leiharbeit jetzt endlich "beenden", so formuliert es Jürgen Wechsler, Bezirksleiter der IG Metall Bayern, im Gespräch mit mm-online. Er hält sie für nicht akzeptabel, ja überflüssig, da es bewährte Instrumente der Kapazitätsanpassung gebe, wie eben Arbeitszeitkonten oder die Kurzarbeit. Nur wenn der Betriebsrat mitreden könne, ob und zu welchen Kriterien Leiharbeit im Unternehmen stattfinde, werde man sie in eng begrenzten Fällen billigen.
Betriebsrat soll mitentscheiden
Um dieses Zustimmungsverweigerungsrecht und zusätzlich ein Mitwirkungsrecht für Betriebsräte bei Werkverträgen auszuhandeln, hat die IG Metall am Mittwoch die Arbeitgeberseite bundesweit zu Gesprächen aufgerufen. Da von der Politik nichts zu erwarten sei, "es sei denn, es gibt eine andere Regierung", so Wechsler, mache die IG Metall nun den Arbeitgebern ein Angebot für eine friedliche Lösung. Gesamtmetall hat schon pflichtgemäß zurückgepoltert, das Thema sei völlig überschätzt, die Gewerkschaft wolle damit nur billig neue Mitglieder werben.
Die IG Metall gibt sich unbeeindruckt. Die eigentliche Tarifrunde startet erst im nächsten Frühjahr, und vor Februar 2012 wird die Gewerkschaft ihre Entgeltforderung nicht beschlossen haben. Doch die "qualitativen Tarifziele" sollen vorher festgezurrt werden, darunter auch die unbefristete Übernahme von Auszubildenden und Werkstudenten. Um die Leiharbeit einzudämmen, scheint die Gewerkschaft durchaus offen für Zugeständnisse. "Wir sind immer bereit über innerbetriebliche Flexibilisierung zu sprechen", versichert Wechsler, "aber eben nicht über externe".
Doch geht ihm auch bei den internen Maßnahmen der Erfindungsreichtum mancher Manager zu weit. So wünscht sich BMW-Personalchef Krüger Mitarbeiter, die ihre Urlaubsplanung streng an den betrieblichen Erfordernissen orientieren. "Herr Krüger darf viel und gerne träumen", sagt Wechsler dazu. "Aber es darf nicht sein, dass ein Arbeitgeber bestimmt, wann jemand in Urlaub geht".
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/.../0,2828,786577-3,00.html ----------- Die Gedanken hier geben nur meine Meinung wider. Sprecht mit eurem Finanzberater darüber... |