Wadephuls Wahrheit Rest der Republik : Der Bundesaußenminister setzt im Ukraine-Krieg auf Verhandlungen – das war lange verpönt
Burkhard Ewert
Haben Sie ihn gehört? Den Sturm der Entrüstung? Ich auch nicht. Deutschlands neuer Außenminister Johann Wadephul hat der „Süddeutschen Zeitung“ ein Interview gegeben. Bezüglich der Ukraine meinte der Christdemokrat, ein militärischer Sieg könne kaum das Ziel bilden. „Aus meiner Sicht war von Anfang an klar, dass dieser Krieg höchstwahrscheinlich durch eine Verhandlungslösung beendet werden wird“, erklärte er. Denn eines stimme schon: „Dass eine komplette Niederlage im Sinne einer Kapitulation des atomar bewaffneten Russlands nicht erwartet werden konnte. Insofern haben wir uns jetzt ein wenig ehrlicher gemacht.“ Wie bitte? Verhandlungen als logischer Schritt? Jetzt doch kein russischer Rückzug, kein Sturz Wladimir Putins, kein Ruinieren seines Landes mehr? Das überrascht im Unterschied zu den Tönen seiner Amtsvorgängerin und anderer Hardliner im innenpolitischen Diskurs. Auf selbige Sätze vor zwei Jahren wäre scharfer Protest gefolgt. Dabei hat Wadephul selbstverständlich recht. Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland sind wünschenswert. Sie können zu einem Ende des Krieges und des Sterbens nach dem russischen Angriff führen. Es fällt auf, dass der eine oder andere Akteur dies nicht sonderlich anzustreben scheint – auch nicht im Westen. Auf besondere Begeisterung stießen Donald Trumps diesbezügliche Bemühungen in Brüssel und Berlin zuletzt nicht. Nun setzt auch Wadephul auf Verhandlungen, über deren Aufnahme Kiew entscheiden soll, wer auch sonst. Sich so zu äußern, war lange verpönt. Der Minister sagt selbst: jetzt sei man ehrlicher – vorher nicht. Sogar über den verstorbenen Papst Franziskus fiel man her, als er anmerkte, dass es Mut verlangen würde zu verhandeln, und er sich angesichts der militärischen Lage wünschte, dass die Kriegsparteien diesen aufbrächten. Was mussten er und andere sich anhören? Russland breche das Völkerrecht – daher gebe es keine Grundlage für Verhandlungen. Russland wolle die gesamte Ukraine erobern und dazu das halbe Nato-Gebiet – Verhandlungen würden es darin nur bestärken. Russland habe schon die Minsker Verträge gebrochen – es werde sich auch an neue Vereinbarungen nicht halten. Russland müsse sich bedingungslos zurückziehen – dies bedeutete im Klartext, Verhandlungen seinerseits abzulehnen. Russland würde diesen Krieg verlieren – und eigentlich sei man ja auch selbst im Krieg und brauche Zeit zur Aufrüstung. Jetzt kommt Wadephul und flicht nonchalant ein, das sei nicht so gemeint gewesen. Man habe mindestens sich selbst, wenn nicht die Menschen in Deutschland getäuscht. Gleichzeitig, während wenigstens er es die ganze Zeit über besser gewusst haben will, hat man Andersdenkende diffamiert. Wieder einmal war es Armin Laschet, der mit seinem Sinn für Zwischentöne dem Parteifreund die Räumung martialischer Maximalposition nicht kommentarlos durchgehen ließ. Wenn inzwischen auch die Bundesregierung meine, dass der Krieg nur durch eine Verhandlungslösung zu beenden sei, „sollten Politik und Medien für die Zukunft differenzierte Meinungen, Stellungnahmen und Diskussionsbeiträge nicht reflexartig als von fremden Mächten gesteuert diskreditieren“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. „Wir brauchen eine neue außenpolitische Diskussionskultur, die Meinungsunterschiede aushält“, erinnerte er an die Ächtung von Gesprächspartnern, die die Position des Ministers bereits in der Vergangenheit öffentlich vertraten. Auch der Sicherheitsexperte Peter R. Neumann wunderte sich. „Wadephul hat recht“, merkte der international geachtete Professor an. Aber: „Wer als Ukraine-Unterstützer bereits vor zwei Jahren so argumentiert hat, fand kaum Gehör und wurde – wenn überhaupt – als ,Verräter“ oder ,Appeaser“ beschimpft.“ Im politischen Raum mag ein solches Vorgehen unschön, aber noch erklärbar sein. Ein schwerer Fehler wäre es in den Medien. Deren Aufgabe ist es nicht, Kriegsziele zu stützen, geschweige denn sie selbst zu verfolgen. Deren Rolle besteht in einer offenen und demokratischen Gesellschaft darin, durch Informationen, durch Debatte und das Aufzeigen von Perspektiven die Meinungsvielfalt, die Meinungsfreiheit und insofern die Meinungsbildung zu ermöglichen. |