Bafin-Chefin Elke König hat beim Neujahrsempfang der Aufsicht den Banken die Leviten gelesen. Sie fordert eine Haltung, in der Banker ganz neu denken lernen müssen: Nicht alles, was legal ist, ist legitim. Die Rede im Wortlaut. ...Ein weiteres Thema hält uns über den Jahreswechsel hinaus die Treue: die Manipulationsvorwürfe rund um wichtige Referenzsätze. Standen zunächst LIBOR, Euribor & Co. im Fokus, wurden später auch Vorwürfe laut, bei der Ermittlung von Referenzwerten für die Devisen- und Edelmetallmärkte sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Diese Vorwürfe wiegen besonders schwer, denn solche Referenzwerte basieren – anders als LIBOR und Euribor – typischerweise auf realen Transaktionen in liquiden Märkten und nicht auf Schätzungen der Banken.
Dass dieses Thema in der Öffentlichkeit so hohe Wellen schlägt, ist verständlich: Gerade die Finanzwirtschaft ist abhängig vom Vertrauen der Allgemeinheit darauf, dass sie leistungsfähig ist und dabei ehrliche Arbeit leistet. Die zentralen Referenzwerte schienen über jeden Zweifel erhaben – und nun steht der Verdacht im Raum, sie seien manipuliert worden. Aufseher weltweit sind damit beschäftigt, die Vergangenheit aufzuarbeiten, was alles andere als trivial ist und noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Zugleich wird auf globaler und europäischer Ebene daran gearbeitet, das Thema regulatorisch in den Griff zu bekommen. Denn was Transparenz und Kontrolle angeht, gibt es noch jede Menge Nachholbedarf. Aber erste Schritte sind bereits getan, weitere sind in Vorbereitung. In Brüssel ist derzeit zum Beispiel eine Änderung der Marktmissbrauchsrichtlinie in Vorbereitung, nach der die Manipulation von Benchmarks unter Strafe gestellt werden soll. Im September vergangenen Jahres hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Regulierung von Referenzwerten vorgelegt. Für diesen Verordnungsentwurf gilt dasselbe wie für alle anderen bisherigen Reformvorhaben: Sie gehen in die richtige Richtung, aber nicht weit genug.
Der Entwurf greift einen zentralen Punkt auf: Referenzsätze sollen künftig nach Möglichkeit auf Daten von realen Transaktionen basieren. Experteneinschätzungen sollen weiterhin zulässig sein, aber nur dann, wenn sie belegbar und nachprüfbar sind. Das wäre immerhin ein Fortschritt. Doch die Kommission setzt in ihrem Vorschlag weitgehend auf Selbstkontrolle. Die Daten, die in die Ermittlung der Referenzwerte eingehen, sollen künftig lückenlos dokumentiert werden. Auswerten und prüfen soll sie dann allerdings ein zwar unabhängiges, aber privates Kontrollorgan.
Wer wird ein Auge darauf haben, dass diese privaten Kontrollinstanzen tatsächlich unabhängig sind? Und können solche Instanzen prüfen, ob Referenzzinsätze auf ehrliche Art und Weise ermittelt werden? Ich habe meine Zweifel. Die Märkte für Geldmarktgeschäfte, Devisen und Edelmetalle sind dezentral organisiert. Der Handel findet in großem Umfang bilateral statt und nicht an Börsen oder börsenähnlichen Plattformen. Private Kontrollinstanzen können daher nur einen relativ kleinen Ausschnitt des Marktgeschehens beobachten und überwachen.
Wir müssen daher einen Schritt weiter gehen: Markttransparenz und Marktkontrolle sind nur dann möglich, wenn die zahllosen Datenströme auf den betroffenen Märkten zentralisiert werden. Man müsste daher den Handel in diesen Märkten so weit wie möglich auf transparente und direkt oder indirekt staatlich überwachte Handelsplätze verlagern. Was bei Over-the-Counter-Derivaten möglich ist, sollte auch bei den dazugehörigen Spotmärkten möglich sein.
Die Manipulationsvorwürfe haben eine Branche in Verruf gebracht, deren Ansehen ohnehin lädiert war, die aber wie kaum eine andere darauf angewiesen ist, dass man ihr vertraut. Umfassende Regulierung und wirksame Kontrolle werden helfen, dieses Vertrauen wieder aufzubauen. Doch mit bloßer Regel- und Gesetzestreue – Sie können auch das Modewort „Compliance“ verwenden – ist es nicht getan. Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim. Ich glaube nicht an eine flächendeckende moralische Verrohung, aber wir brauchen eine Rückbesinnung auf gewisse ethische Werte, die offenbar in Teilen des Finanzsektors in den Boom-Zeiten aus der Mode gekommen sind. Orientierung kann der ehrbare Kaufmann bieten, der sich nicht nur dem Unternehmen, sondern auch der Gesellschaft gegenüber in der Verantwortung sieht. Sein Image mag etwas angestaubt sein, aber als Vorbild taugt er allemal besser als Gordon Gekko. In der Pflicht sind Management und Aufsichtsgremium. Statt der Parole „Profit um jeden Preis“ müssen langfristiges Denken und verantwortungsvolles Handeln die Richtschnur sein. Ein Sinneswandel in diese Richtung ist zu erkennen.... |