Immobilien Zeitung Nr. 15 vom 17.04.2008 Seite 11
MARKETING
VERMARKTUNGSSTRATEGIEN FÜR EDELOBJEKTE Perfekt inszeniert: Storyboard für Lifestyle-Immobilien
Um hochwertige Immobilien an den Mann zu bringen, braucht es mehr als einen soliden Verkaufsprospekt mit Zahlen und Fakten, weiß Lutz Grimm, einer der beiden Köpfe der Berliner Agentur TPA. Seine Firma hat sich ausschließlich auf die Vermarktung von Immobilien spezialisiert und entwickelt vornehmlich Vermarktungskonzepte für Nobel-Objekte. Die gleichen in ihrer Dramaturgie einem Storyboard für einen gut inszenierten Hollywoodstreifen und bringen frischen Wind in das noch immer recht biedere deutsche Immobilienmarketing. Das Happy End: Alles ist verkauft, und das sogar über dem Wert der ursprünglich kalkulierten Preise. Lutz Grimms Augen strahlen, als er ein mit weißem Seidenpapier eingewickeltes großformatiges Heft überreicht. Unter dem knisternden Papier schimmert der leuchtend hellgrüne Einband hindurch. Die Neugier ist geweckt, und beim Öffnen der Verpackung fühlt man sich beinahe, als habe man Geburtstag. Dass man gerade einen Verkaufsprospekt überreicht bekommen hat, ist schon fast vergessen. Und das ist natürlich gewollt. Man hält etwas Kostbares in den Händen, suggeriert die Aufmachung unaufdringlich und geschickt.
Die Inszenierung setzt sich mit dem Öffnen des großformatigen Heftes fort. Die erste Doppelseite zeigt unscharf aufgenommen ein aufgeblühtes Schneeglöckchen auf weißem Hintergrund, nur das helle Grün von Stil, Blatt und den inneren Spitzen der Blüten bringt Farbe ins Bild. Dazu ein kurzer Text: "Erste Sonnenstrahlen kitzeln mich wach. Ich schaue hinaus auf zartes Grün und glitzerndes Wasser. Die frühen warmen Tage haben die Kastanien blühen lassen. Jetzt joggen gehen durch den Park? Oder um die Ecke in ein Café und das erste Frühstück im Freien? Vielleicht lese ich besser in meinem Lieblingssessel Zeitung und genieße das Erwachen der Natur und meiner Familie. Zuhause. Mitten in Köln." Das ist der elegante Einstieg in das eigentliche Thema. - Wäre man im Kino, würde man sich spätestens jetzt im Sessel zurücklehnen und in die Geschichte eintauchen.
Es geht um den Verkauf von Eigentumswohnungen am Clarenbach in Köln, nahe dem Stadtpark und dem Lindenviertel. Das von TPA entwickelte Leitthema für das Projekt der Vivacon heißt Frühlingserwachen. Als Zielgruppe wurden frisch etablierte Gutverdiener definiert, die darüber nachdenken, eine Familie zu gründen, aber dennoch das pulsierende Großstadtleben nicht gegen ein Häuschen auf dem Land eintauschen wollen. Ihnen soll mit der Verkaufsbroschüre das Gefühl vermittelt werden, auf nichts verzichten zu müssen. Das Motto Frühlingserwachen steht für Aufbruch und Lust auf einen Neuanfang, eben typische Frühlingsgefühle.
Lutz Grimm kennt die für das Projekt am Clarenbach anvisierte Zielgruppe in diesem Fall aus eigener Erfahrung. Selbst vor einiger Zeit Vater geworden, stand für ihn die Frage im Raum, die Berliner Innenstadt zu verlassen. Doch die Vorstellung, auf das quirlige Großstadtleben im Stadtteil Mitte verzichten zu müssen, war ihm ein Graus - auch wenn er, wie er lachend zugeben muss, kaum dazu kommt, die umliegenden Bars und Galerien zu besuchen. Allein es tun zu können, gebe ihm das Gefühl, die Freiheit der Wahl zu haben. Und das sei entscheidend.
Leitidee und Zielgruppe müssen klar definiert sein
Um den richtigen Nerv der angepeilten Zielgruppe für ein Projekt zu treffen, muss diese aber erst einmal genau definiert werden. Das ist einer der ersten Schritte, wenn es um die Entwicklung einer passenden Kommunikationsstrategie für eine Immobilie geht. Bei TPA werden dazu verschiedene Persönlichkeitsprofile mit erfundener Vita entwickelt und gemeinsam mit dem Auftraggeber die jeweils passende Zielgruppe herausgefiltert. Dem vorausgehend müssen natürlich die Potenziale des jeweiligen Standortes unter die Lupe genommen werden. Erst dann wird das Projekt unter der Maßgabe der Bedürfnisse der Zielgruppe entwickelt. Die Arbeit beginnt also nicht erst dann, wenn ein Haus fix und fertig steht oder umgebaut ist, sondern schon vor dem Baubeginn und mitunter sogar noch früher: "Wir überlegen bereits vor dem Ankauf, wie ein Projekt positioniert werden kann", sagt Michael Ries, der für den Vertrieb verantwortliche Vorstand der Kölner Vivacon.
Die vornehmlich auf die Entwicklung von Bestandsobjekten spezialisierte Vivacon arbeitet quasi seit ihrer Gründung 1997 mit TPA zusammen. Beide Firmen sind gemeinsam gewachsen und Ries ist sich sogar sicher, dass die Vivacon ohne diese Zusammenarbeit weniger erfolgreich am Markt agieren würde. Manchmal sei es sogar die Agentur, die Ideen für die Projektentwicklung liefert. Wie beispielsweise das Konzept Servicewohnen für Studenten, das seit kurzem erstmals in Bonn unter dem Slogan "My Studio" vermarktet wird. Stylisch eingerichtete Apartments mit komfortablen Gemeinschaftseinrichtungen wie einer gut ausgestatteten Küche (Cooking-Lounge), einer TV-Lounge mit riesigem Flatscreen oder einem Fitnessbereich sind vom üblichen Studentenwohnheim um Welten entfernt. Dennoch sollen sie durch optimale Platzausnutzung nicht teurer zu mieten sein als eine normale Einzimmer-Wohnung und gleichzeitig eine gute Rendite für Kapitalanleger erwirtschaften. Geworben wird für das Projekt mit einem Prospekt, der von seiner Aufmachung her einem Magazin für junge Leute gleicht. Erst in der Heftmitte, ab Seite 40, kommen die üblichen Grundrissabbildungen und Anlegerinformationen.
Der König des Designs baut ein Märchenschloss
Gar ein eigenes Lifestyle-Magazin mit dem Titel Hidden Places hat TPA für Orco Germany kreiert. Das Magazin, das ursprünglich als anspruchsvolles redaktionelles Umfeld für das Projekt Fehrbelliner, einem exklusiven Wohnungsbauvorhaben von Orco in Berlin-Mitte entwickelt wurde, um die Zielgruppe der kunst- und kulturliebhabenden internationalen Avantgarde nicht mit schnöder Werbung zu verschrecken, ist inzwischen zum Kundenmagazin von Orco Germany avanciert. Es soll zwei Mal jährlich erscheinen und neben Projekten des Unternehmens die Leser mit Lifestyle-Themen fesseln.
Die Immobilien werden da schon mal zur Kulisse für Fotoshootings zur Präsentation von Designerkollektionen. Zum Beispiel das Haus Cumberland, das zur Luxusimmobilie mit Edelboutiquen und einem Nobelhotel umgebaut und laut Orco-Marketingleiterin Sabrina Eilers wie ein Luxusprodukt aus der Modebranche vermarktet werden soll. Mit den Bildern in Hidden Places bereitet man diese strategische Ausrichtung geschickt von langer Hand vor.
Um die Inszenierung von Luxus pur geht es auch bei Yoo München, einem Projekt der Vivacon-Tochter Yoo Deutschland, die das Designkonzept für Luxuswohnungen des Labels Yoo von Stardesigner Phillipe Starck in Deutschland umsetzt. Für das Vorhaben im Münchner Glockenbachviertel zogen die Kommunikationsdesigner von TPA alle Register. Die Kreationen Starcks stellten sie im mattgolden eingebundenen Verkaufsbooklet den opulent ausgestatteten Schlössern des exzentrischen Bayernkönigs Ludwig II. gegenüber.
Das Motto: Der König des Designs baut ein Märchenschloss. Zum Kick-off-Event für den Verkauf der bis zu 8.000 Euro/m2 teuren Wohnungen lud man die Münchner Schickeria zum Maskenball. Mit von der Partie war natürlich der ungekrönte Designkönig Starck, der medienwirksam im Blitzlichtgewitter der Kameras mit Models in barocken Kleidern und hochgesteckten weißen Perücken posierte. Mit weiteren Events wie dem mit Starkoch Holger Stromberg, der inspiriert vom Design Starcks den geladenen Gästen das passende Menü kredenzte, konnte das Objekt bisher gut verkauft werden. 80% der Wohnungen sind nach Angaben von Michael Ries bereits vergeben. Was den Vivacon-Vorstand dabei besonders freut: Wie schon zuvor bei Yoo Hamburg stiegen die Preise seit dem Verkaufsstart um 25% an. Es könnte noch teurer werden, denn in dem Yoo-Projekt in der Hamburger Hafencity waren es seinerzeit sogar 30%. Für Werber Lutz Grimm ist der Erfolg seiner Vermarktungsdramaturgie auf diese Weise messbar. Sein Rezept: "Eine Immobilie ist nur dann erfolgreich, wenn sie eine Geschichte zu erzählen hat und für ein Lebensgefühl steht." (mv)
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