Wir leben in aufregenden Zeiten! Speziell im Rohstoffsektor gibt es wöchentlich neue Rekordmarken bei den verschiedensten Basiswerten zu vermelden. Das Barrel Öl kostet inzwischen über 115 US-Dollar - soviel wie nie zuvor. Die Nachricht der Woche kommt jedoch - wieder einmal - aus dem Agrarsektor. Ein Konsortium aus drei nordamerikanischen Düngemittel-Produzenten hat mit dem chinesischen Abnehmer Sinofert einen geradezu sensationellen Deal ausgehandelt. Potash Corporation of Saskatchewan (Kanada), Mosaic und Agrium (beide USA) bekommen künftig pro Tonne Kali-Dünger, den sie nach China liefern, 576 US-Dollar. Das sind 400 US-Dollar oder 227 Prozent mehr als 2007 ausgehandelt worden war. Da die Herstellungskosten je Tonne gleich bleibt bzw. auf Grund von Skaleneffekten sogar sinkt, schlägt sich die Steigerung direkt im Ergebnis je Aktie nieder. Die Gewinne der Unternehmen explodieren geradezu - und mit ihnen der Preis der Aktie. Analysten hatten zwar mit drastischen Anhebungen gerechnet, aber nicht in dieser Größenordnung. Folglich hagelte es Kurszielanhebungen. RBC Capital-Analyst Fai Lee sieht den fairen Wert bei Marktführer Potash nun bei 300 US-Dollar statt bisher 250 US-Dollar. Der aktuelle Kurs der Aktie liegt bei 194 US-Dollar. Noch vor einem Jahr kostete das Papier 60 US-Dollar. Die Hintergründe dieser Entwicklung hatten wir bereits in unserer Monatsausgabe am 1. März beleuchtet. "Alleine in China werden sich in den nächsten zehn Jahren mindestens weitere 600 Millionen Menschen der Mittelschicht anschließen und ihre Ernährung entsprechend anpassen", schrieben wir damals. Dünger ist ein immens wichtiges Gut, um ausreichend Agrarrohstoffe und damit letztlich Lebensmittel für diese ungeheure Menge an Menschen produzieren zu können. Wenn China eine Verdreifachung des Preises innerhalb eines Jahres akzeptieren muss (und das nicht nur gegenüber nordamerikanischen sondern auch gegenüber russischen Produzenten), dann muss die Versorgungssituation bereits äußerst kritisch sein. Darauf deutet auch hin, dass in China die Exportsteuer für Düngemittel drastisch erhöht worden ist, um die Erzeugnisse mit aller Macht im Land zu behalten. Die Preisanstiege bei Lebensmitteln auf globaler Ebene passen da gut ins Bild. Hungersnöte in Ägypten, Haiti und China - wieder einmal trifft es die Ärmsten als erstes und am härtesten. Sie haben nichts mehr zu verlieren, gewalttätige Proteste und Revolten sind das natürliche Ergebnis. Aber auch hierzulande werden Lebensmittel in einem Maß teurer, das deutlich über dem der durchschnittlichen Teuerungsrate aller Güter liegt. Ein Beispiel: Milch. Beim Discounter um die Ecke kostet der Liter mittlerweile 30 bis 40 Prozent mehr als vor einem Jahr. Lebensmittel sind vom Inflationsbremser zum Inflationstreiber geworden. *Makrotrend wird anhalten Ein Ende dieses Trends scheint nicht in Sicht zumal gerade in den USA durch die weiter hohe Förderung von Bioethanol der Agrarboom zusätzlich angefacht wird. US-Landwirte können die hohe Nachfrage nicht bedienen. Daher versuchen sie aus den vorhandenen Flächen das Maximale herauszuholen - und das geht nur mit hohem Düngereinsatz. Ein weiteres globales Problem: 40 Prozent des weltweiten Ackerlandes ist schwer "degeneriert", beispielsweise durch Monokulturen oder klimatische Veränderungen und bringt nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen bzw. gar keinen Ertrag mehr. Beim Düngermarkt kommt eine hohe Marktmacht der Akteure hinzu. Ähnliche Zusammenschlüsse wie oben beschrieben in Nordamerika gibt es auch in Russland. Diese oligopolistische Struktur unterstützt den Preisanstieg. Kritiker werfen Potash und Co. vor, die Produktionsmenge absichtlich so zu dosieren, dass das Gut knapp und wertvoll bleibt. Die Unternehmen argumentieren anders: Jetzt mache sich einfach die jahrelange Stagnation des Marktes bemerkbar, es seien schlicht zu wenig Kapazitäten vorhanden. Ein Engpass gibt es bei Kalium: Das ist einer der wichtigsten Rohstoffe für die Düngerproduktion. Allerdings gibt es weltweit weniger als 50 Minen. In neue Minen wurde in den vergangenen Jahren kaum Geld investiert, weil das vorhandene Angebot ausgereicht hat. Der Neuaufbau einer Mine dauert aber bis zu fünf Jahre und verursacht Kosten bis zu einer Milliarde Euro. Es dauert daher noch bis mindestens 2010, ehe an neuen Standorten der Abbau beginnen kann. *Kostet die Tonne bald 1.000 US-Dollar? Kein Wunder, dass die Flüsterschätzungen in der Branche von einem weiteren Anstieg bis auf 1.000 US-Dollar je Tonne Potash (= Kali-Dünger) ausgehen. Das entspräche fast nochmal einer Verdopplung. Fai Lee betont dann auch, dass sein Kursziel von 300 US-Dollar für Potash auf durchaus konservativen Annahmen beruhe. Er geht von einem realisierten Tonnen-Preis für 2008 von 400 US-Dollar je Tonne und für 2009 von 600 US-Dollar je Tonne. Dabei handelt es sich um Nettokosten, bei den Frachtkosten bereits abgezogen sind. Brutto geht er für 2009 von einem Preis von 700 US-Dollar je Tonne und danach von keinen weiteren Preissteigerungen mehr aus. Das liegt demnach noch weit unter den herumgereichten 1.000 US-Dollar je Tonne. Somit scheint auch das Kursziel von 300 US-Dollar für Potash und damit die 50%-Chance noch nicht das Ende der Fahnenstange zu sein. *Bioethanol-Politik der USA als Zünglein an der Waage Gegenwind könnte für die Branche allenfalls eine massive wirtschaftliche Abschwächung bringen, wobei selbst dann Rohstoffe für Nahrungsmittel verhältnismäßig wenig betroffen sein dürften. Hier geht es ja vor allem um Grundnahrungsmittel, auf die auch in einer Rezession keiner verzichten will bzw. kann. Die neuesten Konjunkturdaten in den USA machen eine schwere Rezession aber ohnehin unwahrscheinlich. Unter Druck könnte die Branche allenfalls durch eine veränderte Bioethanol-Politik der US-Regierung geraten. Sollten die Subventionen hier zurückgefahren werden, könnte sich eine Entspannung beim Verdrängungskampf zwischen den landwirtschaftlichen Flächen die für die Produktion von Getreide für Biokraftstoffe und solchen, die für Lebensmittel verwendet werden. *Die Bewertungssituation Auf Basis der aktuellen Schätzungen von Lee ergibt sich für Potash ein 2009er-KGV von 16. Das ist angesichts der Perspektiven nicht zu hoch. Berücksichtigt werden muss allerdings, dass ab 2010 mit einem stufenweisen Rückgang des Düngerpreises zu rechnen ist, weil dann neue Kapazitäten vorhanden sein werden. Potash Corporation of Saskatchewan WKN: 878149 / POT KGV 08e: 26 Div.-Rend. 08e: 0,2 % Akt. Kurs: 127,00 EUR / 201,86 USD
MEIN FAZIT: - Der Boom bei Düngeraktien ist fundamental begründet, kein Hype. - Eine Verdreifachung des Kalidünger-Verkaufspreises gegenüber dem Vorjahr spricht eine deutliche Sprache. - Düngeraktien sind extrem gut gelaufen, aber fundamental noch vertretbar bewertet. - Auf Grund des positiven News-Flows und der Aufmerksamkeit der Medien sind die Aktien charttechnisch heiß gelaufen. Ein Rücksetzer sollte abgewartet werden.
Quelle: Auszug aus dem Geldanlage-Report |