Boomende Weltwirtschaft treibt die Nachfrage nach Rohöl
FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach einer Reihe von Höhenflügen beim Ölpreis hat sich an den Rohstoffmärkten eine Erkenntnis durchgesetzt: Die Lage bleibt auf absehbare Zeit weiter angespannt. In den vergangenen Handelstagen sorgten selbst vergleichsweise nebensächliche Meldungen in einem nervösen Handel für kräftige Preissprünge. Die Anleger reagieren äußerst sensibel auf jede neue Entwicklung im Atomstreit mit dem Iran, auf Unruhen im Förderland Nigeria und selbst auf die Wetterberichte aus den Ölfördergebieten im Golf von Mexiko. Über allem steht aber eine Tatsache: Die hohen Ölpreise sind in erster Linie eine Folge der steigenden Nachfrage im Zuge der boomenden Weltwirtschaft.
In den volkswirtschaftlichen Abteilungen der großen Banken brüten die Experten in diesen Tagen über den Prognosen für die kommenden Jahre. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie sich das robuste Wirtschaftswachstum auf die Nachfrage nach Rohöl auswirken wird. Die Internationale Energieagentur erwartet in ihrer aktuellen Einschätzung vom Mittwoch im kommenden Jahr beispielsweise einen Anstieg der weltweiten Nachfrage um 1,6 Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Tag.
STARKE NACHFRAGE AUS CHINA
Einen Anstieg um täglich 1,6 Millionen Barrel erwarten auch die Volkswirte der renommierten US-Investmentbank Goldman Sachs. Demnach dürfte der weltweite Bedarf im kommenden Jahr nach der jüngsten Studie auf 85,1 Millionen Barrel zulegen. Auch in den folgenden Jahren werde sich die Lage nicht entspannen. Goldman Sachs rechnet mittlerweile bis zum Jahr 2015 mit einem jährlichen Anstieg der Nachfrage um durchschnittlich 1,6 Prozent.
Das Verlangen nach dem schwarzem Gold ist dabei in den verschiedenen Weltregionen höchst unterschiedlich. Insbesondere China verbraucht durch den Wirtschaftsboom immer mehr Rohöl. Die tägliche Nachfrage aus der Volksrepublik dürfte nach Einschätzung von Goldman Sachs von 6,6 Millionen Barrel in 2005 auf 10,0 Millionen Barrel im Jahr 2015 ansteigen. Für die USA, der größten Volkswirtschaft der Welt, rechnet die Investmentbank lediglich mit einem leichten Anstieg des Bedarfs auf 23,5 Millionen Barrel im Jahr 2015. In den Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dürfte die Nachfrage nahezu unverändert bei rund 15,5 Millionen Barrel pro Tag verharren.
GUTE GESCHÄFTE FÜR ÖLFÖRDERFIRMEN
Mit dem hohen Ölpreis fließt aber auch mehr Geld in die Kassen der Förderländer. Geld, das für moderne Fördertechniken oder die Erschließung neuer Ölvorkommen investiert wird. Vor allem die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) dürfte ihre Fördermengen kräftig ausweiten. Die Internationale Energieagentur rechnet hier in den nächsten fünf Jahren mit einem Anstieg um 3,3 Millionen Barrel pro Tag auf 36,3 Millionen Barrel.
Die Folge sind Milliardeninvestitionen. Die Experten wittern bereits das große Geschäft für Unternehmen, die sich auf Ölfördertechniken spezialisiert haben. Für die gesamte Branche erwartet Goldman Sachs in den Jahren bis 2008 ein Wachstum von 14 Prozent, wobei die Geschäfte einzelner Unternehmen sogar um bis zu 40 Prozent wachsen könnten.
Die hohen Ölpreise sorgen allerdings auch für mehr Sparsamkeit bei den Verbrauchern. Selbst in den Vereinigten Staaten mit dem weltweit höchsten Benzinverbrauch legen die Autofahrer mit Blick auf die Preise an den Zapfsäulen eine bis dahin unbekannte Sparsamkeit an den Tag. Die Zurückhaltung der Verbraucher dürfte auch in den künftigen Statistiken ihre Spuren hinterlassen. Für die Internationale Energieagentur bestehen kaum Zweifel, 'dass die hohen Preise die globale Nachfrage dämpfen werden'./jkr/jha/aa
--- von Jürgen Krämer, dpa-AFX ---
Quelle: dpa-AFX |