Der Artikel gibt die gängigen Gemeinplätze und Mehrheitsansichten wider. Börsenabsturz und Dollar-Crash werden unreflektiert in einem Atemzug genannt, obwohl der Dollar seit etwa vier Jahren bei fallenden Börsen STÄRKER wird. Hinweise auf die Gold/Rohstoff/Commodity-Blase fehlen - ebenso darauf, dass sie eine Mitursache der Dollarschwäche ist.
Ein wichtiger Faktor (ebenfalls nicht erwähnt) sind meiner Meinung nach die starken Dollar-Verkäufe der Japaner (gegen Yen) seit Herbst. Sie erfolgten bei USD/JPY-Kursen zwischen 115 und 120. Japaner besitzen, wie die Chinesen, 850 Mrd. Dollar, sind also die größten ausländischen US-Gläubiger. Die Bestände zu reduzieren macht bei günstigen Kursen (120) daher Sinn. Ich glaube aber, damit haben die Japaner auch ihre Kriegskasse wieder aufgefüllt, um jetzt - bei USD/JPY-Kursen um 110 - wieder intervenieren zu können. Es gibt bereits Hinweise auf Japan-Interventionen in diesem Kursbereich. Deshalb ist der Yen zum Euro "nur" auf einem 8-Monats-Hoch, der Dollar hingegen steht zum Euro auf einem 12-Monats-Hoch.
Interessant an dem FTD-Artikel ist das letzte Zitat (in rot). Wichtig ist weiterhin, dass es in Europa zurzeit an Problembewusstsein in punkto Dollarabwertung mangelt. Im Nov. 2004 hatte Trichet die damalige Dollarstärke noch als "brutal" bezeichnet und verbal interveniert. Mit ihrer jetzigen Laissez-faire-Haltung tun sich die Europäer keinen Gefallen.
FTD, 16.5.06 AGENDA Angst um den Dollar
von Mark Schieritz, Mark Schrörs, Elisabeth Atzler, Frankfurt, und Sebastian Dullien, Berlin
Rund um den Globus geraten die Börsenkurse ins Rutschen. Die Anleger fürchten einen Absturz der US-Währung. Für Europas Wirtschaft wäre das hochgefährlich.
Peer Steinbrück hat sich für seinen Termin in der Frankfurter Börse den denkbar schlechtesten Tag ausgesucht. Seit Wochen brummen die Märkte, steigen die Kurse. Der Dax war zwischenzeitlich auf ein Fünf-Jahres-Hoch von mehr als 6100 Punkten gestiegen. Als aber der Bundesfinanzminister am Montag das Parkett besuchte, stürzte das Börsenbarometer ab. Zeitweise unter die Marke von 5800 Punkten.
Nicht nur in Deutschland, rund um den Globus zeigen die Händler erstmals wieder Nerven. In Japan gibt der Nikkei-Index nach, innerhalb einer Woche hat er 4,65 Prozent verloren. Der amerikanische Dow Jones-Index stagniert, in aufstrebenden Volkswirtschaften wie der Türkei und Polen brechen die Märkte regelrecht ein.
Besonders stark sacken die Kurse exportorientierter Unternehmen ab und Papiere, die zuletzt kräftig gewonnen hatten. So zählen im Dax ThyssenKrupp, MAN und Continental, aber auch die Deutsche Börse zu den größten Verlierern. Am Abend erholt sich der Dax zwar, doch geben die Turbulenzen in Frankfurt einen Vorgeschmack auf das, was Anlegern in den kommenden Monaten droht. Die Zeiten, in denen es an den Märkten immer nur nach oben gehen konnte, sind vorerst vorbei. Die Angst ist wieder da.
Die Ursache für die Sorgen ist hellgrün, nur wenige Gramm schwer und verziert mit dem Konterfei großer amerikanischer Präsidenten: der US-Dollar. "Der Dollar ist aktuell ganz klar eines der größten Risiken für die Weltwirtschaft", sagt Rolf Schneider, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft der Allianz-Dresdner-Bank-Gruppe. In den vergangenen Wochen hat die Währung bereits deutlich an Wert verloren. Gegenüber dem japanischen Yen gab sie seit Jahresbeginn um 6,5 Prozent nach, gegenüber dem Euro fiel sie am Montag auf ein Jahrestief von 1,2972. Selbst Kuwait wertete seine Währung auf, und gegenüber dem notorisch starren chinesischen Renminbi sank der Greenback am Montag sogar auf ein Zwölf-Jahres-Tief. Befürchtet wird nun, dass es zu einem regelrechten Absturz der US-Währung kommt.
Walter in Sorge
Das würde die Exporte der Europäer und Asiaten stark belasten. "Ich mache mir Sorgen über die aktuelle Entwicklung. Die Leute, die immer sagen, ein starker Euro und ein hoher Ölpreis machten den Unternehmen und der Konjunktur in Deutschland und Europa nichts aus, irren", sagte Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Denkbar seien Kurse von 1,40 oder auch 1,50 $ je Euro.
Dabei war es in den vergangenen Monaten ruhig geworden um den Dollar. Nachdem die US-Währung Ende 2004 stark unter Druck geraten war, hatte sie sich zuletzt stabilisiert. Die amerikanische Wirtschaft wuchs kräftig, die Notenbank Federal Reserve hob die Zinsen an. Das machte Kapitalanlagen in den USA attraktiver und hielt die Nachfrage nach der amerikanischen Währung aufrecht. Vergessen schien, dass die US-Bürger seit Jahren über ihre Verhältnisse leben: Sie verbrauchen deutlich mehr, als sie herstellen, und müssen deshalb immer mehr Güter einführen.
Das ist in einer arbeitsteiligen Welt grundsätzlich kein Problem - doch der amerikanische Importüberschuss hat ein Ausmaß erreicht, das an den Märkten als bedenklich eingestuft wird. Das Leistungsbilanzdefizit liegt bei knapp sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts - das entspricht der jährlichen Wirtschaftsleistung der Niederlande. Nach Einschätzung der meisten Ökonomen lässt sich eine solche Situation auf Dauer nicht durchhalten.
Unsicherheit über Zinsentwicklung
Schuld an dem Einbruch vom Montag an den Märkten sind auch die Unsicherheit über die weitere weltweite Zinsentwicklung und die Tatsache, dass einige Anleger schlicht Kasse machen wollten. Die hohe Nervosität aber ist darauf zurückzuführen, dass die Sorge um die Stabilität der Währungen die Händler jetzt wieder umtreibt.
Beigetragen hat zu dem Stimmungswandel, dass sich die führenden Industriestaaten (G7) auf ihrem Treffen in Washington im April besorgt über die US-Leistungsbilanz geäußert haben. Medienberichte, wonach die Regierung von Präsident George W. Bush den Dollar schwächen will, um so ihre Exportwirtschaft anzukurbeln, haben die Marktakteure am Montag zusätzlich verunsichert.
[Dem wurde gestern in USA offiziell widersprochen - A.L.]
Das alles lässt die Anleger aus dem Dollar flüchten - zumal auch andere Stützen des Greenback wegbrechen. Die amerikanische Konjunktur wird sich nach Einschätzung vieler Beobachter im zweiten Halbjahr abkühlen, die Notenbank Fed hat ein Ende der Zinserhöhungen in Aussicht gestellt, während in Japan und Europa die Geldpolitik weiter gestrafft wird. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bereits deutlich gemacht, dass der Leitzins in der Währungsunion im Juni um mindestens einen Viertelprozentpunkt steigen wird. Gerade für die deutsche Wirtschaft könnten die Wechselkursturbulenzen gefährlich werden.
"Gefährliches Potpourri"
Mit dem derzeitigen Niveau könne die Wirtschaft zwar noch leben, heißt es unter Volkswirten. "Die großen deutschen Unternehmen haben die Euro-Aufwertung auf 1,34 $ Anfang 2005 recht gut weggesteckt", sagt Wolfgang Pflüger, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Gefährlich allerdings werde es, wenn der Euro weiterhin kräftig aufwerte.
Zusammen mit dem Anstieg der Ölpreise und den deutschen Plänen, die Mehrwertsteuer 2007 um drei Prozentpunkte zu erhöhen, könne sich leicht ein "gefährliches Potpourri für die Konjunktur in Europa ergeben", warnt Pflüger.
Mit Spannung blicken die Investoren rund um den Globus jetzt auf die Währungshüter der großen Wirtschaftsnationen. Die Anleger sind auf der Suche nach Anzeichen, ob sich die Herren der Weltkonjunktur mit Worten oder Taten gegen den Wechselkurstrend stellen werden.
Im November 2004 hatte EZB-Chef Jean-Claude Trichet den damaligen Anstieg des Euro als "brutal" beschrieben und so die Aufwertung gedämpft. Denn die Marktteilnehmer mussten befürchten, dass die Zentralbanken an den Devisenmärkten intervenieren oder die Zinsen senken, um den Trend zu brechen.
Fed besorgt über Preisauftrieb
Bislang hat aber noch kein Notenbanker oder Finanzminister von Rang lautstark deutlich gemacht, dass ihm die Wechselkursentwicklung missfällt. Auch hat keiner mit Interventionen zur Stärkung des Greenback gedroht.
"Der Dollar wird an Wert verlieren, bis die zuständigen Stellen damit beginnen, Kritik zu äußern", sagte Stephen Jen, Währungsexperte bei Morgan Stanley. Jen vermutet, dass sich der Widerstand der Politik bald regen wird, wenn die Talfahrt des Dollar anhält. Die Währungsbehörden in Europa und Japan würden es nicht riskieren wollen, dass eine starke Aufwertung die Konjunktur abwürgt, sagt der Experte.
Im Gegensatz zu Teilen der US-Regierung habe auch die amerikanische Notenbank kein Interesse an einem Dollar-Absturz, weil eine billigere Währung die Inflation antreibe. Schon jetzt ist die Fed besorgt über den Preisauftrieb in den Vereinigten Staaten. Der Harvard-Professor Niall Ferguson warnt sogar, ein Dollar-Sturz könne zu einer Kapitalflucht aus den USA führen. "Die Zinsen würden in die Höhe schießen, die Konjunktur abwürgen und einen sich selbst verstärkenden Mechanismus aus weiteren Dollar-Abwertungen und steigenden Zinsen auslösen."
[Höhere Zinsen wirken - wenn sie rechtzeitig genug kommen (manche Leute meinen, die Fed sei immer noch "behind the curve") - einer möglichen Kapitalflucht allerdings auch entgegen - A.L.]
Allerdings wächst unter Volkswirten und an den Märkten die Sorge, dass die Währungshüter zu lange zögern könnten. "Problematisch wird es, wenn eine Dynamik in Gang kommt, die die großen Notenbanken nicht mehr steuern können", sagt Berenberg-Ökonom Pflüger. Und der Deutsche-Bank-Chefökonom Walter fordert: "Wir brauchen ein Ende der Zinserhöhungsfantasie in Europa. Ich hoffe, Herr Trichet schafft es, seinen Kollegen verständlich zu machen, dass eine zehnprozentige Aufwertung einer Zinserhöhung um 50 Basispunkte entspricht." |