SQUEEZE-OUT Angriff auf die Aktionäre
Drängt ein Großaktionär die übrigen Anleger heraus, muss er sie abfinden. Doch höchst selten wird der faire Wert gezahlt: Meistens werden Kleinanleger abgezockt. Meist werden Aktionäre bei einem Squeeze-out-Verfahren über den Tisch gezogen. Seit Januar 2002 kann ein Großaktionär, der mindestens 95 Prozent an einem Unternehmen hält, die übrigen Aktionäre herausdrängen. Um die Höhe der Abfindung festzulegen, beauftragt er einen Wirtschaftsprüfer, dessen Unternehmensbewertung noch von einem Sachverständigen überprüft wird. Das Problem an dem Verfahren liegt darin, dass der Aufkäufer des Unternehmens den Wirtschaftsprüfer beauftragt und ihn mit Daten versorgt. Der zweite Sachverständige hat im Anschluss meist nur wenige Tage Zeit, um die Ergebnisse des Wirtschaftsprüfers zu überprüfen - Prüfer und Wirtschaftsprüfer sind also auf eine Zusammenarbeit angewiesen. In der Regel werden dann die Werte, die ein Unternehmen vorgibt, abgenickt. Der Aufkäufer und Auftraggeber des Wirtschaftsprüfers hat natürlich ein Interesse daran, den Wert des Unternehmens möglichst gering zu rechnen, damit er bei einer vollständigen Übernahme möglichst wenig bezahlen muss. Bei dem Bewertungsverfahren kommt also nicht unbedingt der faire Wert eines Unternehmens heraus. Mit Hilfe eigener Ertragsprognosen verfügt ein Unternehmen über wirksame Stellschrauben, um den Unternehmenswert je nach Interesse hoch- oder herunterzurechnen. Im Vorfeld eines Börsengangs hat man es meist mit sehr optimistischen Ertragsprognosen zu tun, im Fall eines Squeeze-out sind sie dann eher pessimistisch. Die Fehler im System kann man auch daran erkennen, dass die Abfindung bisher in 90 Prozent der Fälle aufgestockt werden musste, sobald das erste Abfindungsangebot gerichtlich überprüft wurde. Dies heißt nichts anderes, als dass in der großen Mehrheit der Fälle der Großaktionär versucht hat, die privaten Aktionäre zu übervorteilen. Es ist also möglich, je nach eigener Interessenlage Unternehmenswerte zu erzeugen und zu testieren, die hinten und vorne nicht stimmen. Vertreter der freien Aktionäre müssen an dem Bewertungsverfahren beteiligt werden. Wir brauchen zusätzlich zum beauftragten Wirtschaftsprüfer eine neutrale Instanz, damit das Wertermittlungsverfahren glaubwürdig wird. Offiziell hat der Wirtschaftsprüfer diese neutrale Funktion, aber er ist häufig auf das Wohlwollen der Unternehmen angewiesen: Er will schließlich weitere Aufträge von seinen wichtigen Kunden bekommen. Wir brauchen also im Bewertungsverfahren weitere Experten, die nicht im Auftrag des Unternehmens arbeiten und denen die Investoren vertrauen. Viele Squeeze-out-Verfahren haben bereits zu Vertrauensverlusten bei Anlegern geführt. Ein Squeeze-out-Verfahren muss allerdings von der Hauptversammlung abgesegnet werden. Derlei Verfahren sind doch eine Farce. Wenn der Aufkäufer, der sowieso schon 95 Prozent der Stimmanteile hat, in dieser Frage mit stimmen darf, ist es nur noch Formsache, dass der Squeeze-out-Beschluss abgenickt wird. Eine Möglichkeit, hier für mehr Fairness zu sorgen, wäre ein Quorum: Der Aufkäufer müsste zum Beispiel 50 Prozent der übrigen Aktionäre von seinem Angebot überzeugen, damit der Squeeze-out in die Wege geleitet werden kann. Immerhin haben Anleger eine zweite Chance. Sie können beim Landgericht eine Überprüfung der Abfindung beantragen, wenn sie die angebotene Barabfindung für zu niedrig halten. Dieses Spruchstellenverfahren ist sinnvoll, war bislang aber sehr langwierig und konnte mehrere Jahre dauern. Sobald eine unabhängige Instanz bei der Unternehmensbewertung mit von der Partie ist, könnte man das Spruchstellenverfahren auf wenige Punkte reduzieren. Eine komplette Neubewertung des Unternehmens ist dann nicht mehr nötig. Von einem solchen zusätzlichen Prüfer, der die Interessen der Aktionäre vertritt, ist derzeit nicht die Rede. Dennoch soll das Spruchverfahren ab 1. September beschleunigt werden. Zum Vor- oder zum Nachteil der Aktionäre? Die Änderung hat es in sich. Zwar wird das Verfahren beschleunigt, gleichzeitig werden jedoch die Rechte der Aktionäre deutlich eingeschränkt. Das so genannte "Spruchverfahrensneuordnungsgesetz" sieht unter anderem vor, dass das betroffene Unternehmen nur noch die Gerichtskosten, aber nicht mehr die Anwaltskosten bezahlen muss. Zweitens muss der Aktionär nun konkrete Einwendungen gegen die vorgeschlagene Abfindung erheben. Für einen einzelnen Anleger wird ein solches Verfahren damit uninteressant, da für ihn allein seine Anwaltskosten höher sein dürften als die erhoffte Nachbesserung bei der Abfindung. Der Antragssteller muss unter Umständen selbst dann noch zahlen, wenn er Erfolg hat und eine Verbesserung der Kompensation erreicht. Spätestens mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber den Unternehmen einen Freibrief ausgestellt, die verbleibenden Aktionäre zu übervorteilen. Dabei wollen Aktionäre in einem solchen Verfahren nur das bekommen, was ihnen zusteht: Wir sehen in der Neuordnung einen klaren Eingriff in die Rechte des Aktionärs. Bislang war es für jeden Anleger grundsätzlich ratsam, eine Überprüfung der angebotenen Abfindung zu beantragen. Jetzt stehen die Anwaltskosten dagegen. Die Folge wird sein, dass außer den Aktionärsschutzvereinigungen kaum noch jemand ein solches Spruchstellenverfahren einleiten wird.
Was tun beim Squeeze-out? Privatanleger haben kaum Möglichkeiten, sich gegen einen Squeeze-out-Beschluss zu wehren. Allerdings gibt es wichtige Regeln, mit denen Sie Ihre Chancen fahren. Hält der betroffene Aktionär die angebotene Barabfindung für angemessen, sollte er gar nichts tun, rät die Schutzgemeinschaft für Kleinaktionäre. Es ist nicht ratsam, seine Papiere im Depot vor Zahlung der Abfindung verkaufen: Die Abfindung wird spesenfrei gutgeschrieben, während beim Verkauf der Papiere zum selben Preis Gebühren anfallen. Wer mit der angebotenen Abfindung nicht zufrieden ist, muss auf ein Spruchstellenverfahren setzen und künftig das erstellte Gutachten zum Unternehmenswert konkret angreifen. Die Mitteilung an das zuständige Landgericht, man halte die Abfindung für "nicht angemessen", reicht ab September nicht mehr aus. Das Unternehmen schickt das Gutachten auf Nachfrage zu - die Lektüre ist jedoch eher etwas für Spezialisten. Statt das Gutachten selbst anzugreifen, kann der Aktionär auch abwarten und hoffen, dass innerhalb der gesetzten Drei-Monats-Frist zum Beispiel eine Aktionärsvereinigung diesen Schritt übernimmt. Eine nachgebesserte Abfindung muss an alle Aktionäre gezahlt werden, unabhängig davon, ob sie selbst geklagt haben oder nicht. Wichtig: Fristen beachten. Innerhalb von drei Monaten, nachdem der Beschluss zum Squeeze Out eingetragen ist, muss das Spruchstellenverfahren eingeleitet werden. Der Aktionär muss sich selbst darüber auf dem Laufenden halten, ob die Abfindung eventuell nachgebessert wurde. Von seiner Bank ist in diesem Fall keine Hilfe zu erwarten. Tritt er dem Spruchstellenverfahren bei, informiert ihn das Gericht. Eine weitere Möglichkeit ist, einer Aktionärsschutzvereinigung beizutreten, die (bislang) an fast jedem Verfahren beteiligt ist. Die Informationen über den Ausgang des Verfahrens kommen dann von dieser Seite. |