Annan: Pressefreiheit sollte Religion respektieren Der UN-Generalsekretär ruft dazu auf, den Streit um die Mohammed-Karikaturen friedlich und im gegenseitigem Respekt zu lösen. Weltweite Reaktionen und Proteste. Dänemark stellt Aufenthaltsgenehmigungen von Imamen in Frage
New York/Kopenhagen - UN-Generalsekretär Kofi Annan hat sich von der Kontroverse um die Mohammed-Karikaturen „betroffen“ gezeigt. In einer Erklärung Annans hieß es in New York, „die Freiheit der Presse sollte immer so ausgeübt werden, daß auch der religiöse Glauben und die Grundsätze aller Religionen voll respektiert werden.“ Annan rief dazu auf, den Streit in „friedvollem Dialog und gegenseitigem Respekt“ zu lösen.
Muslimische Demonstranten drangen am Morgen in die dänische Botschaft in Jakarta ein. Sie holten die dänische Flagge herunter und verbrannten sie, um gegen die Veröffentlichung der Karikaturen zu protestieren. Rund 70 Demonstranten bewarfen zudem das Botschaftsgebäude mit Eiern. „Wir sind keine Terroristen, wir sind keine Anarchisten, aber wir sind gegen Leute, die den Islam beleidigen“, riefen die Demonstranten.
Dänemark überprüft Aufenthaltsgenehmigungen von Imamen
Vor dem Hintergrund der eskalierender Proteste werden in Dänemark die Aufenthaltsgenehmigungen von Imamen (Geistlichen) der islamischen Gemeinden in Frage gestellt. Dies erklärten Sprecher der rechtsliberalen Partei von Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen Rasmussens, seines konservativen Koalitionspartners und der rechtspopulistischen DVP übereinstimmend. Nach ihrer Meinung hätten die Imame durch die Organisierung von Protesten gegen die Karikaturen des Propheten Mohammed in arabischen Ländern den Interessen Dänemarks massiv geschadet. Deshalb müsse man jetzt oder nach Ende der derzeitigen Protestwelle die Grundlage für die jeweiligen Aufenthaltsgenehmigungen überprüfen.
Neben der seit vergangener Woche erfolgten Abberufung von Botschaftern aus Saudi-Arabien, Kuwait, Libyen und Syrien und den massiven Straßenprotesten ist Dänemark auch von einem umfassenden Käuferboykott in der arabischen Welt betroffen.
Zu Protesten mehrerer hundert muslimischer Demonstranten kam es auch in den pakistanischen Städten Multan und Lahore. In Multan steckten sie dänische und französische Flaggen in Brand. Weitere landesweite Proteste sind dort für heute geplant. In Syrien protestierten 300 Menschen vor der dänischen Botschaft.
Der ägyptische Präsident Husni Mubarak erklärte, Pressefreiheit dürfe nicht als Entschuldigung für die Beleidigung der Religion dienen. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verurteilte die Karikaturen als „Angriff auf unsere geistig- moralischen Werte“. Die Pressefreiheit müsse Grenzen haben, sagte Erdogan im Gespräch mit dem französischen Außenminister Philippe Douste-Blazy in Ankara, wie die Nachrichtenagentur Anadolu meldete.
Unterschiedliche Reaktionen
In Deutschland warnten Politiker und Journalistenverbände angesichts militanter muslimischer Proteste gegen die Karikaturen vor einer Einschränkung der Medienfreiheit. Nach der „Welt“ veröffentlichte in Deutschland auch die Wochenzeitung „Die Zeit“ am Donnerstag eine der Karikaturen. Auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und die „tageszeitung“ bekannten sich zu einem Abdruck.
Kaum 24 Stunden nach der Entlassung des Direktors von „France Soir“ wegen des Nachdrucks der Karikaturen legte dessen Interimsnachfolger das Amt nieder. Der gleichzeitig als Generaldirektor der Verlagsgruppe Presse Alliance ausscheidende Eric Fauveau war von dem ägyptischen Besitzer des Pariser Boulevardblattes, Raymond Lakah, übergangsweise für den entlassenen Jacques Lefranc eingesetzt worden. Die Entlassung sei „unpassend zu einem Zeitpunkt, an dem das Blatt (wegen finanzieller Probleme) im Rampenlicht steht“, begründete Fauveau seinen Schritt.
Wegen des Nachdrucks von drei der umstrittenen Mohammed- Karikaturen ist am Donnerstag in Jordanien der Herausgeber der Wochenzeitung „Shihan“ entlassen worden. Wie der Besitzer der Zeitung, die Arab Printers Company, in Amman mitteilte, werde die neue Ausgabe des Blattes vom Markt genommen. Alle Verantwortlichen für diese „unverantwortliche und schockierend Aktion“ würden bestraft werden.
Die österreichische Außenministerin und amtierende EU- Ratsvorsitzende, Ursula Plassnik, hat sich dafür ausgesprochen, Äußerungen und Handlungen, die eine Religion in beleidigender Weise herabwürdigen, „deutlich zu verurteilen“. Plassnik vermied vor dem Ständigen Rat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) jedoch, den Streit um die Karikaturen zu nennen.
Auslöser des Streits um die Darstellung des Propheten Mohammed sind zwölf Karikaturen, die die dänische Tageszeitung „Jyllands- Posten“ Ende September veröffentlicht hatte. Der Chefredakteur von „Jyllands-Posten“, Carsten Juste, entschuldigte sich inzwischen für die Karikaturen. WELT.de
Artikel erschienen am Fr, 3. Februar 2006, welt.de |