Für Außenseiter ist das Verhalten der Fonds nicht so leicht verständlich, für Kenner jedoch eine klare und eindeutige Angelegenheit. Jedenfalls was die Postaktie in der Woche vor dem letzten großen Verfallstag des Jahres angeht. Wichtigster Faktor ist dabei die Aussicht auf die kommenden beiden Quartale - also das erste und zweite Quartal 2021. Das vierte Quartal 2020 wird dabei schon als gelaufen und mangels schlechter Nachrichten als wie erwartet oder besser angesehen. Deswegen wirken sich diese Faktoren besonders auf die echten Optionsscheine der Aktien aus.
Normalerweise sind die Optionsscheinkäufer so ausgerichtet, dass sie ihre gewünschte/erwartete Richtung des Aktienkurses einkaufen und nach Ablauf der Zeichnungsfrist (=Verfallstag) einfach die Gewinne ausgezahlt bekommen. Es gibt jedoch eine Ausnahme :
Gehen die Anleger von einem fundamentalen Anstieg des Kurses aus u n d erwarten eine Steigerung der Dividenden (aber Achtung ! das gilt nicht für Aktienrückkäufe !), so ist ein Teil der Käufer von Calls darauf ausgerichtet mit dem Verfall nicht den Gewinn ausgezahlt zu bekommen sondern diese Anleger ziehen die Option und kaufen die Aktie zu dem bezeichneten Optionsscheinwert. Dann sind sie in der Lage die Aussichten auf höhere Dividenden durch den günstigeren Kaufkurs der Aktien einzukaufen. In diesem Fall wird aus dem einmaligen Gewinn des Optionsscheins, den man mit der Auszahlung erhält, ein größerer Gewinn, der dadurch entsteht, dass mit dem günstigeren Einkaufkurs der (mehr) Aktien und ihrem Halten eine häufigere und höhere Dividende erzielt werden kann.
Gleichzeitig können die Anleger, die sich dieser Calls bedienen, durch genaue Beobachtung dieser Aktie und des Marktes Vorteile verschaffen, die dadurch entstehen, dass das eigene Kaufverhalten dieser Aktie eine vorhandene gegenteilige Kursentwicklung ausnützt. Das geschieht dadurch, dass die Anleger bei Kursverlusten, die ja gegen eine gewinnbringende Entwicklung der Calls gerichtet sind, zu streng limitiereten Käufen ordern. Damit werden dem Markt schon vor dem Verfallstag die Verkaufsabsichten entzogen, die bei einer Entwicklung, die wie erwartet erfolgt, bei der Ziehung der Option zu einem Überhang der Nachfrage führt, der um so größer wird, je besser die Geschäftsentwicklung ist. Das führt am Verfallstag und ggf. auch noch danach zu starken Kursausschlägen.
Damit aber nicht genug. Diese Kursausschläge treten infolge sehr geringer Volumina auf und werden durch die gezielte Vorbereitung des geringen Angebots um so höher ausfallen je weniger Aktien angeboten werden. Treten dann aber nach dem Erreichen eines bestimmten Gewinnziels Gewinnmitnahmen anderer Anleger ein, so führen weitere streng limitierte Nachkäufe dazu, dass bereits eine geringe Anzahl von Nachkäufen zu hohen Preisen der Kursgewinn durch den Verfallstag gehalten werden kann. Hier ist es nämlich keine Limitierung das Preises sondern des Volumens. Das führt dazu, dass bei einer entsprechenden Geschäftserwartung zum Beispiel ein Fond mit einem Paket von 1 Mio. Postaktien, die früher zu sagen wir mal 28 erworben worden sind, dann mit genauso teuren Calls optioniert wurden, und ein Verfall bei sagen wir mal 39 ausgelöst wird, für ein Volumen die Option gezogen wird, das sich aus der Gewinndifferenz der Calls ergibt. Damit nicht genug, denn am Verfallstag wird zuerst diese erwähnte Gewinndifferenz ausgerechnet und erst dann wird bekannt gegeben ob und wieviele Optionen gezogen werden. Das führt dazu, dass nach dem Xetraschluß möglicherweise die Aktien nachgekauft werden müssen, die zur Erfüllung der Calloption benötigt werden. Kauft der Fond zum Beispiel vor dem Verfall 1000 Aktien nach, so fehlen diese zu Erfüllung der Calls und müssen über dem Verfallskurs noch teurer gekauft werden. Dadurch würden diese 1000 Aktien nicht nur den Bestand vergrößern sondern auch noch selbst vom nachbörslichen Kursgewinn profitieren.
(Und hier setzt die Taktik ein : Je höher der Wert des Optionsscheins ist u n d je höher der Kursgewinn am Verfallstag ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Ziehung der Option in und zu einer Überhitzung des Kurses führt, weil mehr bei geringem Angebot nachgekauft werden muss.)
Dann erst kommt es zu Kursausschlägen die extrem hoch sein können und gleichzeitig den Markt von Verkaufsabsichten "befreien". Bei der Post hatten wir das, als sie in den EuroStoxx50 übernommen wurde. Die Folge davon kann sein, dass der oben genannte Fond sein Paket mit weit unterdurchschnittlichen Mitteln diese Kursausschläge einkauft. Natürlich würde der Aktienkurs auch ohne die Calls steigen, aber eben nur zum Einsatz der jeweiligen vollen Aktienkurse, was automatisch die damit erhältlichen Mengen verringert, was wiederum die Nachfrage senkt. Nachbörsliche Kursausschläge kämen dann, wenn überhaupt nur viel geringer vor.
Man darf nicht vergessen, dass der höhere Nachkaufkurs alle früher erworbenen Aktien mit ansteigen lässt. Also wird vor dem Verfallstag das Angebot so verringert, dass mit bestmöglichem Kapitaleinsatz die Balance zwischen dem Gewinn aus dem Optionsschein und der Anzahl der noch angebotenen Aktien immer eine gewisse Verminderung der Anzahl der angebotenen Aktien und eine Steigerung des Wertes des Optionsscheins ergibt. Das macht also einen nur sehr leichten Kursrückgang aus, weil dann streng preisbegrenzt die Aktien gekauft werden. Steigt jedoch der Aktienkurs, so wird nicht gekauft. Dieses Nachkaufverhalten wird von allen Anlegern praktiziert, die die selben Optionsscheinarten besitzen, auch wenn sie nicht die Option ziehen wollen.
Viele würden jetzt meinen, dass die Kursanstiege generelle Gewinnmitnahmen auslösen, das ist jedoch nicht der Fall, denn die Mehrzahl der Anleger ist nicht tagesorientiert und selbst ganz kurzfristige Zocker lassen die Gewinne laufen. Selbst an solchen extremen Tagen wie dem erwähnten Tag als die Post in den EuroStoxx50 aufgenommen wurde, gab es zwar intraday Gewinnmitnahmen der Zocker, aber zu so winzigen Zahlen im Verhältnis zum Gesamtvolumen dieses Tages, dass es so gut wie keine Auswirkungen hatte. Damals wie heute macht es den Ziehern der Calls nichts aus, wenn sie mehr Calls als beabsichtigt/geplant ziehen, weil der Kurs so gestiegen ist. Man kauft ja einen erfolgten Kursanstieg zum Preis von davor ein, und kann sogar danach den ursprünglich unbeabsichtigten Mehrkauf möglicherweise mit Gewinn verkaufen, weil der Aktienkurs am Montag nach dem Verfall sogar noch über dem Verfallskurs der Calls liegt.
Schönes Wochenende
Der Chartlord |