Das kommt dabei raus, wenn man das Land "der Straße" überlässt (und den Steinewerfern)
FAZ
Auswärtiges Amt: Fischers Gedenkpraxis Von Rainer Blasius
09. Februar 2005 Eine schriftliche Weisung des Ministers ist bisher nicht gefunden worden, aber eine ungewöhnliche Art des Totengedenkens hat dennoch auf Joseph Fischers Wunsch im Auswärtigen Amt in Berlin Einzug gehalten. Fast sechzig Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches erhalten Mitglieder des alten Auswärtigen Amtes - also der „Wilhelmstraße” - keine Nachrufe mehr in der Hauspublikation „internAA”, wenn sie Mitglied der NSDAP gewesen sind. Die für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland seit 1951 erbrachten Leistungen spielen für das geschichtsbewußte Außenamt keine Rolle mehr.
Die Nachruf-Regelung, über die angeblich ein allgemeiner Vermerk vom September 2003 in der Personalabteilung existieren soll, wurde nicht etwa im Auswärtigen Amt unter den Pensionären bekanntgemacht. Vielmehr fiel Ruhestandsdiplomaten auf, daß ihre im Herbst verstorbenen Kollegen Wilhelm Günther von Heyden (geboren 1908) und Franz Krapf (geboren 1911) nicht wie üblich mit einem Nachruf bedacht wurden, der sie des immerwährenden ehrenden Andenkens der obersten Bundesbehörde versichert.
„Unsachlich, unanständig, unehrlich”
Botschafter a.D. Heinz Schneppen machte Fischers Gedenkpraxis Ende Januar öffentlich. Das Verfahren sei „unsachlich, unanständig, unehrlich”, weil das Kriterium der Parteimitgliedschaft zu kurz greife, zumal auch hingerichtete Widerstandskämpfer der „Wilhelmstraße” wie Ulrich von Hassell und Adam von Trott zu Solz in der NSDAP gewesen seien. Damit werde bewährten Diplomaten „die Ehre des Nachrufs verweigert”. Aber auch im Auswärtigen Amt nahmen Bedienstete Anstoß daran, daß der langjährige Leiter der Besoldungsstelle, ein Beamter im gehobenen Dienst, nicht mit einem Nachruf bedacht worden sei.
Der Personalrat des Auswärtigen Amts wollte sich des Themas offensichtlich bisher nicht annehmen. Jedoch bat der CSU-Abgeordnete Klaus Rose, ein früherer Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung, am 21. Januar den Außenminister um Aufklärung: „Vor allem empört mich das Messen mit zweierlei Maß: wer Kommunist war, kann sich ,glaubhaft wandeln', wer Nazi war und zur SPD kam, ebenfalls. Wer aber nicht diese Voraussetzungen erfüllt, wird sogar nach seinem Tod noch diskriminiert, obwohl er größte Leistungen für Deutschland eingebracht hat. „ Der Abgeordnete wartet bis heute auf Antwort.
Regel überprüft und angepasst
Zwischenzeitlich haben sich auch mehrere Ruheständler beim Auswärtigen Amt über das unterlassene Gedenken für Franz Krapf beschwert. Der 1911 geborene Diplomat, NSDAP-Mitglied seit 1936, war von 1940 bis 1945 an der Botschaft Tokio Legationssekretär. Krapf, ein enger Freund von Erich Kordt, einem frühen und konsequenten Hitler-Gegner im deutschen diplomatischen Dienst, gehörte von 1951 bis 1976 dem neuen Auswärtigen Amt an, unter anderem als Gesandter in Washington, als Abteilungsleiter im Auswärtigen Amt und als Botschafter in Tokio und bei der Nato in Brüssel. Der ehemalige Bundesverteidigungsminister Georg Leber (SPD) schätzte ihn ebenso sehr wie der langjährige Außenminister Hans-Dietrich Genscher, der den am 23. Oktober 2004 Verstorbenen im Trauergottesdienst in Bad Godesberg umfassend würdigte.
Davon wollte Außenminister Fischer offensichtlich nichts wissen. So erkundigten sich mehrere ehemalige Botschafter, wo denn der Nachruf auf Krapf bleibe. Der Leiter der Zentralabteilung des Auswärtigen Amts antwortete ihnen schriftlich, daß „Kritik in Medien und Öffentlichkeit” dazu geführt habe, die „Regeln für die Ehrung verstorbener Amtsangehöriger zu überprüfen und anzupassen” - „nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Hinterbliebenen”. Jedoch wurde den Pensionären versichert, daß ihre alte Behörde selbstverstädlich „jedem in würdiger Form gedenkt”, wenn auch wohl nicht mehr jedem ein ehrendes Andenken bewahrt werden soll. So kam es zu einen sicherlich in der Amtsgeschichte einmaligen Vorgang: Alle ehemaligen Staatssekretäre, fast alle früheren Leiter der für Personal zuständigen Zentralabteilung und prominente Botschafter außer Diensten wie Berndt von Staden oder Erwin Wickert entschlossen sich zu einer gemeinsamen Aktion, vornehm im Stil, aber kompromißlos in der Sache.
Keine Stellungnahme
In einer großformatigen Zeitungsanzeige ließen sie die Öffentlichkeit am Mittwoch wissen: „In memoriam Franz Krapf Botschafter a.D.” Dann folgen die Lebensdaten und der Satz: „Freunde, Kollegen und Mitarbeiter bewahren ihm ein ehrendes Andenken”, sowie viele Dutzend Namen von Staatssekretären a.D., Botschaftern a.D., Ministerialdirektoren a.D., Generalkonsuln a.D.. Das Auswärtige Amt nahm dazu nicht offiziell Stellung. Im Herbst 2003 - so heißt es - habe sich eine damals noch aktive Amtsangehörige bei Fischer über den Nachruf für einen „Wilhelmstraßen-Beamten” beschwert, der wegen seines Verhaltens im „Dritten Reich” kein ehrendes Andenken verdient habe. Dieser „Vorfall” habe das Auswärtige Amt zu dem neuen Verfahren bewogen.
Text: F.A.Z., 10.02.2005, Nr. 34 / Seite 1
MfG kiiwii |