Zwang zum Optimismus
Sowohl die US-Notenbank als auch die Europäische Zentralbank haben sich zuletzt sehr optimistisch über die weitere Konjunkturentwicklung in den USA und der Euro-Zone geäußert. Mag sein, dass den Zentralbanken entsprechende Daten vorliegen, die die Aussagen stützen. Wahrscheinlicher ist aber , dass sich Alan Greenspan und Claude Trichet in Zweckoptimismus üben, denn die aktuellen Frühindikatoren liefern keine Hinweise auf eine kräftige Konjunkturerholung.
Die psychologischen Folgen von skeptischen Äußerungen der beiden Währungshüter zur weiteren Wirtschaftsentwicklung wären aber sicherlich verheerend: An den Aktienmärkten ginge es wohl steil nach unten, Firmen würden sich mit Investitionen zurückhalten. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung wäre wahrscheinlich. Insofern sind die Notenbanker in wirtschaftlich kritischen Phasen wie dieser fast zum Optimismus verpflichtet.
Aus ganzem anderem Grund äußern sich die meisten Bankanalysten zuversichtlich, wenn es um die weitere Entwicklung bei der Konjunktur und an den Finanzmärkten geht. Auch bei den Geldinstituten gibt es faktisch einen Zwang zum Optimismus, denn es gilt Anleger anzulocken, mit denen man Geschäfte machen kann. In einem schlechten Marktumfeld will aber kaum jemand investieren. Die fast immer positiven Prognosen für den DAX und für einzelne Unternehmen verwundern daher kaum.
Ein gewisser Grad an Optimismus ist an den Börsen sicherlich gerechtfertigt, der langfristige Trend bei Aktien zeigt immerhin aufwärts. Auf den Daueroptimismus der meisten Bankanalysten und die derzeitige Zuversicht bei den Notenbankern sollten sich die Anleger aber nicht unbedingt verlassen.
|