Sieht es an den internationalen Börsen trotz einer überraschenden und einer überraschend starken Leitzinssenkungen in den Vereinigten Staaten weiterhin fragil aus, so gilt das erst recht für den Devisenmarkt.
Denn der Dollar setzt seinen Abwertungstrend fort und markiert gegen den Euro neue Rekordtiefs. Am Mittwoch erreichte er im Tagesverlauf Kurse von bis zu 1,4731 Dollar je Euro. So schwach war die amerikanische Währung noch nie.
Ein Gespräch mit dem Währungsstrategen Hans Redeker von BNP Paribas in London gibt einen Einblick in die Verhältnisse an den Märkten und die weiteren Entwicklungen.
Das Thema des Tages ist der Dollar. Er hat gegen den Euro ein Allzeittief erreicht und die Abwertungsbewegung scheint in den vergangenen Tagen dynamischer geworden zu sein. Wieso?
Ich denke, dass die amerikanische Zentralbank am vergangenen Mittwoch einen markanten Fehler gemacht hat, indem sie ihre Zinssätze „auf neutral“ gestellt hat. Nicht die Zinssenkung um einen Viertelprozentpunkt hat die Krise ausgelöst. Sondern die Märkte realisieren, dass die Zentralbank die Lage falsch bewertet.
Was heißt das konkret?
In ihrem Statement geht sie davon aus, dass sich die amerikanische Konjunktur nach einem so genannten „Dip“ wieder erholen wird. Aus diesem Grund möchte sie weitere Daten abwarten und entsprechend handeln. Gleichzeitig schwächt sich der amerikanische Finanzsektor jedoch drastisch ab, was Wirkungen in anderen Teilen der Volkswirtschaft hat.
Welche?
Sie zeigen sich in Form von restriktiveren Kreditbedingungen, die die amerikanische Konjunktur mit großer Wahrscheinlichkeit an den Rand einer Rezession treiben werden, wenn die Zentralbank (FED) nicht beherzt eingreift. Kaum hatte die FED ihr Statement ausgegeben, so „versteilte“ sich die amerikanische Zinsstrukturkurve. Das ist ein Zeichen dafür, dass der Markt der FED kein Wort glaubt.
Und - liegt der damit richtig?
Ja. Denn das, was wir in den vergangenen Tagen aus der amerikanischen Finanzindustrie gehört haben, ist schlimm. Nehmen wir nur das Beispiel der Citigroup. Unser Credit Research geht davon aus, dass das Unternehmen alleine in den SIVs, also den außerbilanziellen Anlagevehikeln, eine Schieflage zwischen 16 und 24 Milliarden Dollar hat. Im Vergleich damit sehen die bisherigen Kapitalspritzen recht bescheiden aus. Der Asset Backed Commercial Paper Market ist in sich zusammengebrochen. Das heißt, diese Refinanzierungsart steht nicht mehr zur Verfügung. Aus diesem Grund sind SIVs an sich mit Risiko behaftet.
Mit welchen Folgen?
Ich könnte mir vorstellen, dass diese SIVs ihre Vermögenswerte im Markt werden verkaufen müssen. Genau das wollte man noch vor vier Wochen mit der Einrichtung eines „Superfonds“ verhindern. Diesen Fonds hat jedoch mittlerweile den plötzlichen Tod ereilt, weil die Banken, die die 75 Milliarden Dollar stellen wollten, mittlerweile mit den Aufräumarbeiten beschäftigt sind und die Mittel möglicherweise überhaupt nicht mehr zusammen bringen. Außerdem hat sich keiner außerhalb Amerikas dazu bereit erklärt, in diesen Superfonds einzusteigen. Damit ist die Idee tot.
Was bedeutet das für die Banken?
Sie müssen ihre Geschäftsmodelle ändern. Damit wird generell weniger Liquidität als bisher bereitgestellt, was die Volkswirtschaft in Richtung Rezession treiben kann.
… und für die Anleger?
Aus diesem Grund werden sich viele in den Vereinigten Staaten engagierte Anleger überlegen, ob sie ihre Vermögenswerte halten sollen oder nicht. In der Vergangenheit wurde das amerikanische Leistungsbilanzdefizit stark über den Rentenmarkt finanziert. Vor allem über Unternehmensanleihen und in den vergangenen Jahren vermehrt über strukturierte Produkte wie die CDOs. In jüngster Zeit ging jedoch genau in diesem Bereich das Interesse deutlich zurück. Das heißt die Finanzierung des Leistungsbilanzdefizit läuft nun vermehrt über die Geldmärkte und damit hängt der amerikanische Dollar am Tropf der Zinsdifferentiale. Da der amerikanische Dollar künftig wohl keinen Renditevorteil mehr erbringen wird, dürfte die amerikanische Währung abwerten, bis er günstig genug geworden ist, für ein kurzes Zwischenengagement.
Was unterscheidet die gegenwärtige Lage von jener Ende des Jahres 2004, als viele dachten, der Euro werde in einem Zug weiter nach oben laufen. Dabei kam es danach zu einer deutlichen Zwischenkorrektur.
Damals wurde die amerikanische Währung zu einem größeren Anteil von Wertpapierkäufen „offizieller Konten“ gestützt, die Dollar langfristig absorbiert haben. Diesmal ist der Anteil privater Anleger wesentlich höher. Sie jedoch müssen immer auf die Gewinn- und Verlustsituation achten und könnten zu Verkäufen gezwungen werden, wenn die Renditen ausbleiben oder die Risiken - wie etwa bei den CDOs - zunehmen. Die Struktur der Zu- und Abflüsse in den Dollar hat sich seit Februar deutlich verändert. Die so genannten TIC-Data zeigen, dass die amerikanische Währung ist inzwischen abhängig von kurzfristigen Zuflüssen, weil langfristige Investitionen nicht mehr stattfinden.
Wie weit kann der Dollar noch nach unten laufen?
Das ist davon abhängig davon, wie sich die amerikanische Zentralbank verhält. Sollte sie den Leitzins nicht so schnell senken, wie der Markt das erwartet, wäre das kontraproduktiv für die amerikanische Währung.
Wieso?
Das ist wie bei einer Party. Wenn am frühen Morgen die Musik leise gestellt wird, ist das Zeichen dafür, zu gehen. Nun haben die Amerikaner in den vergangenen Jahren die internationalen Anleger eingeladen zu einem Engagement an ihren Kapitalmärkten. Etwa 80 Prozent der gesamten globalen Ersparnisse sind in diese Richtung gegangen. Das heißt, viele haben alle amerikanische Dollars in Form von Wertpapieren in ihren Depots. Sollte die FED sich nun hinter die „Kurve stellen“ und die amerikanische Konjunktur in eine Rezession treiben, so werden sie nicht nur nicht mehr kaufen, sondern möglicherweise sogar verkaufen. Das würde zu einer Dollarkrise führen. Es geht im Kern darum, dass die amerikanische Zentralbank „die Musik laut“ und die langfristigen Investoren bei Stange hält.
Der Markt erwartet also, dass die amerikanische Reflationierungspolitik fortgesetzt wird?
Ja, denn langfristig kommt sie sowieso nicht daran vorbei. Im Moment geht der Markt jedoch davon aus, dass die FED zu langsam agiert und „preist“ aus diesem Grund eine Rezession ein. Wenn ich mit unseren Leuten am Interbanken-Desk rede, so bauen die Kunden keine Europositionen auf, sondern sie verkaufen Dollars, weil sie dazu gezwungen sind. Wir sind nicht in der Euphorie, wie im Jahr 2004.
Das heißt, der Euro kann noch weiter laufen?
Ich bin bisher davon ausgegangen, dass Euro-Dollar im laufenden Quartal eine Spitze bildet und danach konsolidiert. Nun kippe ich die Erwartung und gehe davon aus, dass das gegenwärtige Szenario bis ins erste Quartal des kommenden Jahres andauern kann. Und dann wird es sich nur ändern, wenn die amerikanischen Zinsen gesenkt werden. Die FED scheint noch nicht wahrgenommen zu haben, dass bei amerikanischen Banken die Vorstände Reihenweise über die Klinge springen, weil sie ein zu riskantes Portfolio „gefahren“ haben, dass die Finanzinstitute ihre Geschäftsgebaren ändern müssen, dass das die Kreditvergabe einschränken wird und dass sie genau diesen Effekt durch Zentralbankliquidität ausgleichen muss.
Welche Rollen spielen Äußerungen aus China, nach welchen sich die Allokation der Währungsreserven ändern werde?
Der Mann, der zitiert wird, hat eigentlich nichts zu sagen und entsprechende Meldungen sind völlig irrelevant. Sie zeigen allerdings eines: Die Welt ist „long“ Dollar.
Ist der Euro inzwischen nicht längst deutlich überbewertet?
Die Kaufkraftparität liegt nach unserer Schätzung bei 1,16 Dollar je Euro. Sollte die amerikanische Zentralbank flexibler werden und das konjunkturelle Wachstum in den Vordergrund ihrer Überlegungen stellen, dann könnte der Euro bis ins erste Quartal des kommenden Jahres auf 1,52 Dollar und laufen und dann zurückdrehen auf 1,4 Dollar oder gar etwas tiefer. Sollte sich die amerikanische Zentralbank dagegen hinter die Kurve stellen und hereinkommende Daten möglicherweise auch noch falsch interpretieren, so könnte der Euro im Extrem bis auf 1,65 Dollar laufen.
So eine Entwicklung würde sicherlich die globale Konjunktur abwürgen!
Ja, die FED hat auch eine globale Verantwortung. Das gilt auch für die Europäische Zentralbank (EZB) . Sie hat ein Inflationsziel. Allerdings sollte sie das dynamisch interpretieren. Denn wir alle wissen, dass im Januar ein Basiseffekt kommt, der die Inflationsraten wieder nach unten bringen wird. Zudem wirkt der hohe Eurokurs an sich schon restriktiv. Ein Interpretationswechsel der EZB im ersten Quartal des kommenden Jahres könnte dazu beitragen, die Entwicklung des Euro zu beruhigen.
Welchen Einfluss hat Asien?
Wenn man sich die realen, effektiven Wechselkurse anschaut, so sind die asiatischen Währungen unterbewertet. Hier gibt es Bewegungsspielraum. Die Staaten der Region werden alleine schon aufgrund der inflationären Entwicklung gezwungen sein, ihre Zinsen hoch zu nehmen und ihre Währungen aufwerten zu lassen. Das wird den globalen Finanzmärkten Liquidität entziehen.
Fazit?
Ich bin skeptisch für den mittel- und langfristigen Ausblick für die Kapitalmärkte. Denn wir laufen von verschiedenen Seiten ins Messer. Das erste ist die asiatische Liquidität, die geringer ausfallen wird. Das zweite ist eine amerikanische Zentralbank, die Fehlinterpretationen betreibt und der dritte Aspekt ist Erwartung, dass künftig bei gegebenem Wachstum die Inflationsraten höher ausfallen werden als bisher. Das kann nicht positiv sein für die Kapitalmärkte. |