Einführung Die Zustände im Irak sind erschreckend. Die Menschen leben in ständiger Angst, als Regimegegner denunziert zu werden. Willkürliche Verhaftungen und Hinrichtungen sind an der Tagesordnung. Drei bis vier Millionen Iraker, rund 15 Prozent der Bevölkerung, sind geflohen.
Die gravierenden Menschenrechtsverletzungen sind nicht das Werk übereifriger Einzelner, sondern die bewusste Politik des Regimes. Saddam hält sich an der Macht, indem er Angst und Schrecken verbreitet.
Folter Im Irak wird systematisch gefoltert. Daran sind auch hochrangige Vertreter des Regimes persönlich beteiligt. Amnesty International schreibt in ihrem Bericht vom August 2001, das Ausmaß und die Schwere der Folterungen im Irak könnten nur daher rühren, dass sie auf höchster Ebene akzeptiert würden.
Der Alleinherrscher Saddam ist auch Vorsitzender des allmächtigen Revolutionären Kommandorats (CCR), der Gesetze und Verordnungen erlässt und über allen anderen staatlichen Institutionen steht. Eine seiner Verordnungen garantiert Mitgliedern der Baath-Partei Immunität für jegliche Handlungen, die sie bei der Verfolgung von Feinden des Regimes begehen.
Der CCR eine Reihe von Verordnungen erlassen, in denen für bestimmte Vergehen harte Strafen vorgesehen werden (Amputation, Brandmarkung, das Abschneiden von Ohren oder andere Formen der Verstümmelung). Mitte 2000 billigte der CCR die Amputation der Zunge als neue Strafe für Verleumdung des Präsidenten oder seiner Familie. Auf die abschreckende Wirkung hoffend, zeigte das irakische Fernsehen Bilder dieser Bestrafung.
Udai Saddam Hussein, Saddams älterem Sohn, werden serienmäßige Vergewaltigungen und die Ermordung junger Frauen vorgeworfen. Er unterhielt in einem Gebäude am Tigrisufer eine private Folterkammer, die "rote Kammer". Während der Aufstände nach dem Golfkrieg im März 1991 richtete er persönlich Dissidenten hin. Besonderes Aufsehen erregte sein Befehl, der gesamten Fußballnationalmannschaft Prügel auf die Fußsohlen geben zu lassen, nachdem sie ein WM-Qualifikationsspiel verloren hatte. Auch Saddams zweiter Sohn, Kusai Saddam Hussein, hat als Chef der Behörden für innere Sicherheit die Anwendung von Folter offiziell erlaubt.
Folteropfer oder deren Familien haben Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty Internation u.a. folgende Foltermethoden genannt, die angewandt wurden: das Ausstechen der Augen, Durchbohren der Hände mit dem Elektrobohrer, Aufhängen an der Decke, Elektroschocks u.a. an Genitalien, Ohren, Zunge und Fingern, sexueller Missbrauch, Schläge auf die Fußsohlen, Scheinhinrichtungen und Säurebäder.
Frauen Frauen haben unter Saddam nicht einmal ein Grundrecht auf Leben. Eine Verordnung von 1990 erlaubt es männlichen Angehörigen, weibliche Angehörige im Namen der Ehre ungestraft zu töten.
Amnesty International berichtet von Fällen, in denen Frauen gefoltert, misshandelt oder summarisch hingerichtet wurden. Immer wieder erhalten Menschenrechtsorganisationen und oppositionelle Gruppen Berichte von Frauen, die nach Vergewaltigungen durch die Sicherheitskräfte in der Haft an Traumata leiden. Die Vergewaltigung weiblicher politischer Gefangener wird von Saddams Regime systematisch betrieben.
Im Oktober 2000 wurden mehrere Dutzend Frauen wegen mutmaßlicher Prostitution geköpft, ohne dass es ein Gerichtsverfahren gegeben hätte. Ein besonders eklatanter Fall war der von Najat Mohammed Haydar, einer Geburtshelferin in Bagdad, die laut Amnesty International wegen angeblicher Prostitution geköpft wurde, ohne dass irgendwelche Beweise vorlagen. Sie hatte Kritik an der Korruption im irakischen Gesundheitswesen geübt.
Gefängnisse Politische Gefangene im Irak leben unter unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen. Die britische Regierung weiß von drei besonders grausamen Gefängnissen.
Im Mahdschar-Gefängis auf dem Gelände der Polizeischule im Zentrum Bagdads sind 600-700 Menschen in 30 unterirdischen Zellen und 30 früheren Hundezwingern eingesperrt. Die Häftlinge werden zweimal täglich geschlagen, die Frauen regelmäßig vom Wachpersonal vergewaltigt. Zwei riesige Benzintanks neben dem Gefängnis sind mit ihm verbunden, und die Gefängnisleitung hat Anweisung, in einem Notfall das Benzin anzuzünden und das Mahdschar zu zerstören.
Das "Sidschn Al-Tarbut" ("Sarg-Gefängnis") befindet sich im dritten Untergeschoss des neuen Gebäudes des Direktorats für Allgemeine Sicherheit (DGS) in Bagdad. Die Gefangenen werden in rechteckige Stahlkästen gesperrt, bis sie ein Geständnis abgeben oder sterben. Die ca. 100-150 Kästen werden einmal täglich eine halbe Stunde geöffnet, damit die Gefangenen etwas Licht und Luft bekommen. Ähnlich grausam ist das "Kurtia"-Gefängnis ("die Dose") auf einem Gelände des DGS im Bagdader Bezirk Saddam City. Hier werden die Gefangenen in 50-60 Metallkisten von der Größe einer alten Teekiste gepfercht. Jede hat einen Wasserhahn und - anstelle einer Toilette - einen Maschenboden.
Willkürliche und summarische Hinrichtungen Hinrichtungen finden auch ohne rechtskräftiges Urteil statt. Den Angehörigen wird häufig untersagt, die Opfer nach islamischen Gepflogenheiten zu bestatten. Sogar die verwendete Munition ist ihnen in Rechnung gestellt worden.
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und der VN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtssituation im Irak berichten von der systematischen Erschießung von Gefangenen zur "Säuberung" der Gefängnisse. 1984 wurden im Gefängnis Abu Ghraib 4000 politische Häftlinge erschossen, zwischen 1997 und 1999 wurden bei weiteren "Gefängnissäuberungen" 2500 Gefangene hingerichtet. Auch zwischen Februar 2000 und Oktober 2001 wurden im Abu Ghraib in mehreren Etappen 145 Gefangene erschossen. Zwischen 1993 und 1998 wurden 3000 Häftlinge aus dem Mahdschar-Gefängnis auf dem Hinrichtungsgelände des Gefängnisses erschossen.
Verfolgung der Kurden Menschenrechtsorganisationen haben in den letzten 20 Jahren immer wieder über die Verfolgung der Kurden im Irak berichtet. Human Rights Watch liegen Berichte vor, wonach 1983 8000 kurdische Männer und Knaben ab 13 Jahren festgenommen und hingerichtet wurden. Amnesty International wies 1985 auf das Verschwinden von 300 kurdischen Kindern im Dorf Sulaimaniya hin. 1988 machten irakische Regierungstruppen kurdische Dörfer dem Erdboden gleich.
1987/88 fanden die so genannten Anfal-Kampagnen zur Niederschlagung kurdischer Aufstände statt, bei denen nach Schätzungen von Amnesty International über 100.000 Kurden getötet wurden oder verschwanden. Hierbei wurden auch chemische Waffen eingesetzt. Bei einem einzigen Angriff auf die kurdische Stadt Halabscha wurden bis zu 5000 Zivilisten getötet und weitere 10.000 verwundet.
Die Verfolgung der Kurden im Irak dauert bis heute an, obwohl der Schutz durch die Flugverbotszonen schlimmste Exzesse verhindert hat. Saddam betreibt im Norden des Iraks jetzt eine konsequente Arabisierungspolitik, um die kurdischen Ansprüche auf die erdölreiche Gegend um die Stadt Kirkuk zunichte zu machen. Kurden und andere Nichtaraber werden von dort in andere Gegenden des Iraks zwangsumgesiedelt. Seit 1991 sollen 94.000 Menschen von dort vertrieben worden sein. Ihr Land wird Arabern aus dem Süden Iraks zugewiesen.
Kurden wurden auch gezwungen, ihre ethnische Zugehörigkeit auf dem Ausweis als "Araber" anzugeben. Turkmenen dürfen sich nicht einmal als solche eintragen lassen: Sie haben nur die Wahl zwischen "kurdisch" und "arabisch".
Verfolgung der Schia Die Schia bildet mit einem Anteil von 60 Prozent der Bevölkerung die größte Religionsgemeinschaft des Irak. Saddam sorgt dafür, dass ihm keiner ihrer ethnischen oder religiösen Führer gefährlich werden kann, indem er alle, die zu prominent werden, umbringen lässt.
So sind im Lauf der Jahre sind immer wieder führende schiitische Geistliche hingerichtet oder ermordet worden. Beim Aufstand von 1991 verschwanden über 100 Geistliche. Bei einer friedlichen Demonstration 1999 gegen die Ermordung des höchstrangigen schiitischen Geistlichen im Irak schossen die Sicherheitskräfte in die Menge, wobei sie Hunderte von Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, töteten.
In den 90er Jahren ging das Regime daran, die Sumpfgebiete im Süden trockenzulegen, so dass die Bevölkerung zur Umsiedelung in städtische Gebiete gezwungen war, wo sie von den Sicherheitskräften leichter zu kontrollieren war. Die "Sumpf-Araber", ein eigener Volksstamm, der auf die alten Sumerer und Babylonier zurückgeht, hatte diese Gebiete seit Urzeiten bewohnt. Von der geschätzten halben Million "Sumpf-Araber" leben 40.000 jetzt in Flüchtlingslagern im Iran, die übrigen versprengt irgendwo im Iran. So könnte eine 5000 Jahre alte Kultur abrupt zu Ende gehen.
Schikanierung der Auslandsopposition Dem VN-Sonderberichterstatter liegen zahlreiche Berichte vor, wonach Angehörige von im Ausland lebenden Oppositionellen schikaniert oder eingeschüchtert wurden. So wurde ein Mann in Basra vom irakischen Geheimdienst gezwungen, seinen Bruder, ein in London lebenden Mitglieds des Iraqi National Accord, im Beisein des Beamten anzurufen und Druck auf ihn auszuüben, damit er mit dem Geheimdienst kooperiere. In einem anderen Fall wurde einem INA-Mitglied angedroht, seine Kinder und sein Bruder würden bestraft, falls er dem Geheimdienst nicht bestimmte Auskünfte über den Leiter der INA, Dr. Ayad Allawi, geben würde. Der irakische Geheimdienst hat mindestens einen Versuch unternommen, Dr. Allawi zu ermorden.
Ein ehemaliger General der irakischen Armee, der seit 1995 in Jordanien lebt und aktiv in der irakischen Opposition mitarbeitet, berichtet, seine Angehörigen seien festgenommen und verhört worden. Im Juni 2000 habe man ihm anonym ein Videoband zukommen lassen, auf dem die Vergewaltigung eines weiblichen Familienmitglieds zu sehen sei, und ihn aufgefordert, seine Aktivitäten einzustellen.
Besetzung des Kuwait Am 2. August 1990 fiel der Irak in Kuwait ein. Irakische Streitkräfte plünderten und vergewaltigten. Dem Roten Kreuz verweigerte der Irak den Zutritt. Amnesty Internation dokumentierte während der Besetzung des Kuwait zahlreiche andere Menschenrechtsverletzungen. Zur Verteidigung strategischer militärischer und ziviler Orte benutzte das irakische Regime Geiseln als menschliche Schutzschilder.
Der Irak versuchte, dem besetzten Gebiet seine eigene Identität aufzuzwingen und bestrafte kuwaitische Zivilisten für "Verbrechen" wie das Tragen eines Barts. Menschen wurden aus ihren Häusern gezerrt und in improvisierten Lagern festgehalten. Amnesty International listet 38 Foltermethoden auf, die von den irakischen Besatzungstruppen eingesetzt wurden, u.a. Prügeln, das Brechen von Gliedern, Herausreißen von Finger- und Zehennägeln, Einführen von Flaschenhälsen in das Rektum und Scheinhinrichtungen.
Über 600 Kuwaiter und Bürger von Drittstaaten sind noch immer vermisst. Der Irak weigert sich, seiner VN-Verpflichtung nachzukommen, über die Vermissten Auskunft zu geben.
Zum Ende des Golfkriegs setzte die fliehende irakische Armee ca. 1160 kuwaitische Ölquellen in Brand - eine Umweltkatastrophe gewaltigen Ausmaßes.
Schlussfolgerung Das Dossier kann nicht alle irakischen Leidensgeschichten unter Saddams Herrschaft aufzählen, vermittelt aber ein getreues Bild dessen, womit die Menschen im Irak tagtäglich konfrontiert sind. Es überrascht nicht, dass Iraker nach dem Bericht des VN-Hochkommissar für Flüchtlinge 2001 die zweitgrößte Flüchtlingsgruppe in der Welt bilden.
Saddam Hussein verfolgt seit seinem Machtantritt 1979 gnadenlos jede Opposition gegen ihn. Die kaltblütige Missachtung des menschlichen Lebens ist und bleibt das Kennzeichen seines Regimes.
Dieser Artikel stammt von der Webseite der britischen Botschaft in Berlin. |