Man könnte glauben, der Herr Münchau von der FTD liest hier im Thread mit ;-))
Meine Prognose ist übrigens, dass der Dollar Ende des Jahres wieder unter 1,30 steht. USA wird eher die Aktien-Investoren verprellen (mit Zinserhöhungen, siehe Bernankes Kommentare gestern) als die Auslandsschuldner, deren Leihgaben das Lebensblut Amerikas sind. Denn wenn kein neues Geld mehr aus dem Ausland nach Amerika strömt, kann man US-Aktien sowieso "knicken". Im Übrigen hat auch Europa kein Interesse an einem zu starken Euro, weil das die Exporterlöse mindert. Münchau rechnet im Artikel unten sogar mit EZB-Interventionen.
Daher auch meine Positionierung: short S&P-500, short EUR/USD (= long Dollar).
Amerika, ein Gruselmärchen von Wolfgang Münchau
Der Verfall des Dollar ist Teil einer tektonischen Umschichtung, die uns in den nächsten Jahren bevorsteht.
Vor zwei Jahren traten die bekannten US-Ökonomen Maurice Obstfeld und Kenneth Rogoff mit einem bemerkenswerten Artikel an die Öffentlichkeit (unten). Sie stellten eine Theorie auf, die erklärt, wie die globalen Ungleichgewichte wieder ins Lot kommen. Der Prozess werde mit einem Angebots- oder Nachfrageschock in den USA beginnen, möglicherweise durch einen Verfall der Hauspreise. Das hätte einen Rückgang des inländischen Konsums zur Folge, eine Rezession und einen Verfall des Dollar. Es scheint heute so, als hätten die beiden das Drehbuch für die USA und die Weltwirtschaft der Jahre 2006/07 geschrieben.
Wo stehen wir im Obstfeld-Rogoff-Szenario? Die Federal Funds Rate ist innerhalb weniger Jahre von 1 auf 5,25 Prozent gestiegen. Die Hypothekenzinsen liegen jetzt um die sechs Prozent. In den letzten Jahren haben sich Überkapazitäten im Wohnungsmarkt gebildet, besonders in den großen Städten der Küstengebiete. Es ist kein Ende des Preisverfalls in Sicht.
In den USA ist der inländische Konsum sehr stark von den Entwicklungen am Wohnungsmarkt abhängig. Das hängt mit dem flexiblen System der Hypothekenfinanzierungen zusammen. Die Kette Wal-Mart, ein Barometer des Konsums, verzeichnete im November eine nominal negative Umsatzentwicklung, was einen erheblichen realen Rückgang bedeutet.
Nun schwächelt auch noch der Dollar. Wir stehen möglicherweise am Anfang von Teil drei der Obstfeld-Rogoff-Horrorstory. Sie hatten errechnet, dass das fundamentale Abwertungspotenzial bei 20 bis 40 Prozent liegt. Ich würde mich nicht darauf verlassen, dass wir den Abwertungsprozess wie noch vor zwei Jahren deckeln können, als der Dollar kurzfristig auf 1,36 $ je Euro fiel. Damals drohte in den USA keine Rezession. Damals waren die Zinsen niedrig, und der Markt erwartete kontinuierliche Zinserhöhungen. Heute sind die US-Zinsen hoch, mit mittelfristig fallender Tendenz und steigenden Rezessionserwartungen. Ich wage keine Prognose, würde mich aber über einen Kurs von 1,50 oder 1,60 $ je Euro nicht wundern.
Interessant an dem Modell der Ökonomen war der Mechanismus, der zum Dollar-Verfall führt. Sie argumentierten nicht klassisch, wonach die Abwertung des Dollar den Abbau des Leistungsbilanzdefizits bewirkt, sondern umgekehrt: Der Verfall der Hauspreise war auslösendes Moment, gefolgt vom Konsumeinbruch einschließlich geringerer Nachfrage nach Importgütern. Die Dollar-Abwertung ist quasi Nebenprodukt. Genau das erleben wir momentan.
Obstfeld und Rogoff schrieben, aus europäischer Sicht sei die Sache klar. Die Europäer müssten sich ebenso wie die Amerikaner umorientieren, nur in umgekehrter Richtung: weg von handelbaren zu nicht handelbaren Gütern. Für Deutschland hieße das, wir produzieren etwas weniger Kolben und Gewinde für den Export und fahren dafür öfter mit dem Taxi zum Friseur und lesen mehr Zeitungen.
Selbst in einer angeblich flexiblen Volkswirtschaft wie den USA wird es einige Zeit dauern, bis die heimische Exportindustrie wieder so aufgestellt ist, dass sie Waren produziert, die das Ausland kaufen will. Schon allein wegen dieses Anpassungsprozesses ist die Wahrscheinlichkeit einer Rezession groß. Sie wäre dann wohl auch nicht so schnell vorüber wie 2001, als die Fed mit massiven Zinssenkungen reagierte und die Regierung das Defizit hochtrieb. Diesmal sind die Spielräume erheblich geringer. Die Fed wird im Frühjahr wahrscheinlich die Zinsen um ein Viertelpünktchen senken und danach weiter. Aber zu drastischen Schritten wird es nicht kommen.
Obstfeld/Rogoff erklären uns, wie es in Europa weitergeht. Es ist das Skript für das Ende unserer kleinen Aufschwungblase. Unsere exportabhängige Wirtschaft kann eine kräftige Dollar-Abwertung nur sehr schwer überstehen. Für eine Umschichtung hin zu nicht handelbaren Dienstleistungen ist die Wirtschaft zu unflexibel. Der Friseur wird bei steigender Nachfrage seine Preise erhöhen, anstatt neue Friseure einzustellen, die er am deutschen Arbeitsmarkt eh nicht so schnell findet. Das zeigt die Notwendigkeit von Strukturreformen: Flexibilität ist nötig, um schneller auf Schocks zu reagieren.
Was passiert bei uns, wenn der Dollar in den Boden versinkt? Der erste Hauch einer europäischen Antwort kam diese Woche vom französischen Finanzminister Thierry Breton, der extreme Wachsamkeit forderte. Europas Politiker werden irgendwann fordern, dass man etwas unternehmen muss. Vielleicht wird es ein paar taktische Interventionen auf den Devisenmärkten geben mit dem Ziel, den einen oder anderen Spekulanten auszuhebeln. Nur ist Ursache der Dollar-Abwertung nicht Spekulation, sondern ein lange bestehendes globales Ungleichgewicht, das sich jetzt zum Teil entlädt...
[Sehe ich nicht so. Die Ungleichgewichte sind im Dollarkurs jetzt schon mehr als eingepreist - A.L.]
... Der gute Breton mag ruhig wachsam sein - der Wechselkurs lässt sich so wenig beeinflussen wie vorhersagen. [Oben nennt Münchau trotzdem den Horrorkurs von "1,50 bis 1,60" - A.L.]. Die einzige Prognose, die ich wage, ist, dass Obstfeld und Rogoff mit ihrer Narrative in groben Zügen recht behalten werden.
* Maurice Obstfeld, Kenneth Rogoff (2004): "The Unsustainable US Current Account Position Revisited", NBER Working Paper No 10869; www.nber.org
Wolfgang Münchau ist Kolumnist der FTD und der FT. |