Feindliche Übernahme
Von feindliche Übernahme wird gesprochen, wenn die Kapitalmehrheit eines Unternehmens von einer Person oder einer anderen Gesellschaft gegen den Willen der Geschäftsleitung des Übernahmekandidaten erworben wird. Das Unternehmen wird danach meist in die Konzernstruktur des Käufers eingebunden oder zerschlagen und dann seine Teile mit Gewinn weiterverkauft. Das ist eine in den USA seit langem verbreitete, in Deutschland war es dagegen eine bis in die neunziger Jahre hinein unübliche Praxis.
Der Investor verschafft sich bei einer feindlichen Übernahme (unfriendly takeover) die Kontrolle über die Gesellschaft gegen den Willen von dessen Management. Bei Aktiengesellschaften kann dies durch den Erwerb der Aktienmehrheit an der Börse oder durch die Übernahme größer Aktienpakete von deren früheren Besitzern erfolgen. Diese Käufe finden in einem solchen Fall ohne Absprache Gespräche mit Vertretern des angegriffenen Unternehmens oder nach gescheiterten Fusionsverhandlungen statt. Gesellschaften deren Kapital sich überwiegend in Streubesitz (Kleinaktionäre) befindet, sind besonders häufig Objekte einer feindlichen Übernahme. Denn wenn ihnen ein Angebot gemacht wird, das über dem zur Zeit an der Börse zu erzielenden Kurs liegt, sind die meisten Aktionäre zum Verkauf ihrer Anteile bereit. Großaktionäre, die keine kurzfristigen Anlageziele verfolgen, sind schwerer zum Verkauf ihrer Aktienpakete zu bewegen.
Der Aufkäufer geht oft so vor, dass er zunächst einen Teil der Aktien über die Börse aufkauft. Dies geschieht meist verdeckt, um die Absichten zu verschleiern, den Kurs nicht zu stark in die Höhe zu treiben und frühzeitige Gegenmaßnahmen des angegriffenen Unternehmens zu vermeiden. Sobald auf diese Art ein größeres Paket erworben wurde, wird den verbliebenen Aktionären ein offizielles Übernahmeangebot öffentlich unterbreitet. Dabei muss der vom Aufkäufer gebotene Preis deutlich über dem aktuellen Börsenkurs liegen, weil es andernfalls für die Anteilseigner keinen Grund gibt, sich von den Papieren zu trennen.
Abgewickelt wird das Geschäft über die Banken, bei denen die einzelnen Kleinaktionäre ihre Wertpapiere deponiert haben. Die Bank empfiehlt ihren Kunden nach Analyse des Übernahmeangebots meist eine bestimmte Vorgehensweise. Da oft nicht abzusehen ist, ob die Mehrheit der Aktien tatsächlich abgegeben wird, sind die Übernahmeofferten meist mit der Klausel versehen, dass sie nur dann gilt, wenn ein ausreichend großer Prozentsatz der Aktien auch tatsächlich zum Kauf angeboten wird. Denn das Geschäft ist für den Angreifer nur dann interessant, wenn er die Mehrheit der Anteile auch tatsächlich unter seine Kontrolle bringen kann. Andernfalls kann der Zweck der Aktion - die Beherrschung des Unternehmens - nicht erreicht werden.
Das Management des angegriffenen Unternehmens versucht oft, eine feindliche Übernahme abzuwehren. Denn in den meisten Fällen wird die ehemalige Geschäftsleitung abgelöst, werden Arbeitsplätze abgebaut oder Kapazitäten stillgelegt. Oft werden die Gesellschaften auch wegen hoher stiller Reserven aufgekauft. In diesen Fällen geht es den Erwerbern nicht um strategische Ziele sondern allein um einen raschen Gewinn. Das Unternehmen wird in seine Teile zerlegt. Die einzelnen Betriebe und wertvoller aber oft ungenutzter Grundbesitz wird mit hohem Gewinn verkauft. Dadurch verlieren oft zahlreiche Beschäftigte ihren Arbeitsplatz.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich gegen den Zugriff eines Investors zu wehren: Ein dem tatsächlichen Unternehmenswert entsprechender Aktienkurs (Börsenkapitalisierung) treibt den Preis einer feindlichen Übernahme in die Höhe. Gleichzeitig werden die Gewinnchancen bei einer späteren Zerschlagung der Gesellschaft dadurch vermindert. Auch die Existenz einer "Goldenen Aktie", die dem Besitzer die Mehrheit der Stimmen selbst dann sichert, wenn die tatsächliche Kapitalmehrheit bei anderen liegt, schützt das Unternehmen vor feindlicher Übernahme. Mehrstimmrechts-Aktien gibt es jedoch nur noch in wenigen Fällen bei Traditionsunternehmen. Auch die Einführung eines Höchststimmrechts einzelner Aktionäre auf der Hauptversammlung kann einen gewissen Schutz bieten. Oft bleibt aber nur der Ausweg, sich freiwillig mit einem anderen Unternehmen zusammenzuschließen, um einen Aufkäufer abzuwehren.
Achtung: Aktionäre profitieren meist von einer feindlichen Übernahme, da das angreifende Unternehmen ihnen einen deutlich über dem aktuellen Börsenkurs liegendes Kaufangebot machen muss um sie zur AQbgabe ihrer Anteile zu bewegen. Deshalb führen Gerüchte über mögliche Übernahmepläne meist schon im Vorfeld zu steigenden Kursen. Davon kann der Anleger profitieren. Dagegen lohnt es sich oft nicht, an den Aktien in der Hoffnung festzuhalten, dass die vollmundigen Versprechungen des angreifenden Managements, durch Nutzung von "Synergien" würde der "shareholder value" und der Kurs des vereinten Unternehmens steigen, in Erfüllung gehen. Oft ist das Gegenteil der Fall. Besonders krasse Beispiele dafür sind die Citibank oder AOL/Time Warner. Außerdem hat das übernehmende Unternehmen die Möglichkeit, die verbliebenen Aktionäre der übernommenen Gesellschaft zwangsweise herauszukaufen (squeeze out). |