Die Aktien der Hypo Real Estate wurden wie fast kein anderes Unternehmen der Finanzbranche zur Hölle geschickt. Der Vorstand hatte mit seinem unsensiblen Coaching der im Sommer letzten Jahres aufgekommenen Subprimekrise maßgeblich zum Beinahe-Untergang des Unternehmens beigetragen.
Zuletzt hatte ein "Brief an die Mitarbeiter" für weitere Verstimmung gesorgt. Die Frage drängte sich auf, ob hier -allen zuvor abgegebenen gegenteiligen Beteue- rungen zuwider- eine latente Gewinnwarnung lanciert werden sollte; weil sich der Vorstand möglicherweise nicht traute, den Aktionären mit offenem Visier entgegen zu treten.
Steht man also vor den rauchenden Trümmern des einstigen Dax-Lieblings, so muss die alle bewegende Kardinalsfrage lauten: wurde HRE zu Recht zur Hölle geschickt? Um sich einen Überblick zu verschaffen, sollte man zuerst vergleichen, wie sich HRE im Vergleich zu anderen stellt. Nehmen wir zum Beispiel den Chart von Commerz- bank, so erkennen wir einen praktisch kongruenten Kursverlauf bis zum Jahreswech- sel 2007/2008. Im Januar -genau genommen beim Crash am 21.01.- öffnet sich dann die Schere. Da HRE im Januar aber auch keine schlechtere Faktenlage als COBA bot, kann man den Spread als "Funke-Syndrom" interpretieren. Diese 25 Prozent gingen demnach auf das Konto des Vorstands und seiner windigen Kommunikation.
Kommen wir zur nächsten Frage: rechtfertigen die fundamentalen Fakten erstens die Abstrafung an sich und zweitens deren Ausmaß?
Dazu wird ein Blick auf das Geschäftsmodell von HRE nötig. HRE ist keine Geschäfts- bank mit Voll-Dienstleistung, sondern eine international operierende Hypotheken- bank, die in erster Linie Gewerbeimmobilien und Staatsliegenschaften finanziert. Das Refinanzierungsmodell hat es ins sich: die Refinanzierung erfolgt nämlich zu einem Teil durch die Ausgabe von Pfandbriefen und...strukturierten Produkten. Das ist die Umschreibung für Derivate. Die Darlehensgewährung unterliegt den strengen Bestimmungen nach dem Abkom- men Basel II. Man darf daher unterstellen, dass die Darlehen besser besichert sind, als die meisten anderen Darlehen auf diesem Globus.
Neben dem Kerngeschäft führt HRE -ebenso wie alle Banken- ein Asset-Portfolio. In dieses hatten sie nach Angaben des Vorstands 40 CDOs (Collateralized Debt Obliga- tions) im Wert von 1,5 Mrd. US-Dollar (= 960 Mio.EUR) aufgenommen. Diese Subprimes waren es, die das Desaster auslösten: Funke beteuerte noch zu Beginn der Subprimekrise, man habe nichts zu befürchten. Ende 2007 jedoch musste man zugeben: ein Teil der CDOs musste wertberichtigt werden. Im 3.Quartal 2007 sind nach Unternehmensangaben 265 Mio. EURO und im 4. Quartal 390 Mio.EURO an Wertberichtigungen abgeschrieben worden, wovon 295 Mio. auf den Gewinn 2007 durchschlugen. (Quelle:http://www.ariva.de/...omfortabel_quot_abgedeckt_n2475945?secu=143856 Insgesamt sind somit 555 von möglichen 965 Mio. abgeschrieben. Das mögliche Restpotenzial im Falle eines Totalverlustes beträgt demnach 410 Mio. EURO. Das wäre im Vergleich zu anderen Banken eigentlich eine fast lächerliche Summe, die auch nur zum Teil auf den Gewinn durchschlagen würde, da man ja den Steuereffekt herausrechnen muss.
So weit, so gut? - Die Antwort darauf hängt von drei Faktoren ab: Erstens davon, ob der Vorstand die Öffentlichkeit über den Umfang des CDO-Portfo- lios wahrheitsgemäß informiert hat. Immerhin gibt es bis heute, trotz allergrößten Misstrauens, keine Anzeichen dafür, dass die Zahl (von 40) falsch ist. Zweitens von den sonstigen Risiken. Häufig genannt werden die Schwierigkeiten der Hypothekenversicherer (Monoliner) im Zusammenhang mit den versicherten Risiken von HRE. Bisher gibt es keinerlei Hinweise auf Ausfälle und ich halte sie auch ehrlich gesagt für nicht sehr wahrscheinlich, wenn man einen Blick auf das Klientel von HRE wirft und dabei Basel II im Blick behält. Drittens etwaige Einbrüche im Stammgeschäft. Hier sehe ich im Moment die größten Risiken. Das Refinanzierungsmodell mit seinen strukturierten Produkten dürfte derzeit nicht hoch im Ansehen stehen. Obwohl diese Produkte mit Subprimes fast nichts gemein haben. Ich vermute, dass sich Funkes Brief an seine Mitarbeiter auch auf mögliche Schwierigkeiten in dieser Richtung gründet.
Dass HRE nun auch mit der vorige Woche kollabierten Bear Stearns oder mit Carlyle verglichen wird, zeigt nur die Unfähigkeit der Marktteilnehmer, zu differenzieren. Bear Stearns war ein Broker und hat mit dem Geschäft von HRE etwa soviel gemein- sam, wie ein Krawattenladen mit einer Eisengießerei. Und Carlyle ist erst recht nicht mit HRE oder sonst einer Bank zu vergleichen. Carlyle ist ein Fond, keine Bank. Seine Schwierigkeiten haben mit der Subprimekrise unmittelbar nichts zu tun (Carlyle konnte einem Margin-Call nicht nachkommen).
Zusammenfassung: HRE könnte in den Zwang geraten, entgegen aller früheren Beteuerungen, den Rest seines CDO-Volumens abzuschreiben, also rund 410 Mio.EURO, die nach Steuern mit rund 270 Mio. den Gewinn 2008 belasten könnten. DASS die Abschreibung überhaupt vorzunehmen ist, steht derzeit jedoch definitiv nicht fest. Berücksichtigt man die restriktive Besicherung der gewährten Darlehen und die Struktur der Darlehensnehmer, kann man hier kein größeres Risiko erkennen, als es andere (Hypotheken-) Banken in Europa ebenfalls haben. Das selbe gilt für die Umsätze/Gewinne im Kerngeschäft. Daraus kann man nach heutiger Faktenlage nur den einen Schluss ziehen: HRE ist zu Unrecht stärker abgestraft worden, als alle Anderen - wenn man den "Funke- Faktor" außen vor lässt. Man sollte davon ausgehen, dass die Börse diese Assy- metrie früher oder später korrigieren wird. Ob man die sich daraus ergebende Chance nun "Jahrhundertchance" nennen möchte, sei dahingestellt. Aber eine Chance ist HRE, da bin ich mir sicher. |