Lese-Splitter & Denk-Anregungen

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neuester Beitrag: 19.10.22 20:43
eröffnet am: 06.06.15 13:01 von: boersalino Anzahl Beiträge: 66
neuester Beitrag: 19.10.22 20:43 von: boersalino Leser gesamt: 13394
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11.11.15 12:56
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoAndré Glucksmann - Die Macht der Dummheit

Die Dumpfheit des Dummkopfes löst, ohne sie selbst zu stellen, sämtliche Probleme des Philosophen. Durch sie wird die Zeit zur Ewigkeit und die unsterblichen Prinzipien regeln munter den zögernden Gang der Sterblichen. Der Widerspruch zwischen den Mitteln und dem Zweck entgeht dem Beschaulichen, für den nur der Zweck zählt, und gleichfalls dem Realisten, der sich ausschließlich für die Mittel interessiert, die ihn erfolgreich ans Ziel führen. [Semantisch etwas unsauber ausdifferenziert, alldieweil "Ziel" wie "Zweck" oder früher auch "Ende" mit beträchtlichen Überlappungen dieselben Bereiche eines Wortfeldes überdecken. boers.]
Der Ideologe, unser dritter Spitzbube, ist idealistischer als der Beschauliche und machiavellistischer als der Realist, er setzt auf beide Pferde; er läßt sich von vornherein an dem Punkt nieder, wo sich alle Widersprüche wie von selbst auflösen. Mit Hilfe der Ideologie findet der Engagierte allemal einen Ausweg aus jedem Dilemma; solange er sich im Besitz des Guten wähnt, wird er zwischen den Mitteln und dem Zweck nicht wählen müssen; die Ordnung und die Disziplin, die er einführt, sind weder ein reines Mittel noch ein einfacher Zweck, sondern die Selbstverwaltung des Guten durch das Gute. Die - zwangsläufig - auserwählte Nation, die reine Rasse und die führende Klasse sind Ziel und Weg in einem, und indem sie sich selbst schützen, retten sie die Welt; indem sie diese belagern, erobern sie sich selbst.

[Ebenda S. 164 f.]  

11.11.15 12:58
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129861 Postings, 7863 Tage kiiwiiversteh kein Wort

11.11.15 13:23
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoMöge die "Macht" mit dir sein, kiiwii

11.11.15 14:45

129861 Postings, 7863 Tage kiiwiiich tanke dier

12.06.16 09:35

58425 Postings, 5319 Tage boersalinoApokalyptik

Apokalyptik ist die geistige Heimat derer, die das Ende der Moderne [Der Epochenbegriff "Postmoderne" entlarvt das über die Zeit gerettete Ende als schlichte Nachspielzeit. boers.] für gekommen halten.
Das Bewußtsein, dem Präapokalyptikum anzugehören, haben viele Europäer, seit O. Spengler den Untergang des Abendlandes angesagt hat. Spenglers folgenschweres Werk wollte freilich den Begriff des Untergangs von allem Katastrophischen freihalten. Er dachte den Verfall der abendländischen Kultur in organologischen Kategorien, welche vom Denken Goethes stark beeinflußt waren. Aufstieg und Verfall des Abendlandes folgen dem Stirb und Werde der Natur. Der Untergang des Abendlandes ist nicht das Ende der Geschichte, sondern der Zerfall einer Kultur, der eine andere folgen wird.

[Ulrich H. J. Körtner: Weltangst und Weltende - Eine theologische Interpretation der Apokalyptik. S. 16]  

12.06.16 10:21

4679 Postings, 5553 Tage Monsieur HulotDas tut ja schon beim Lesen weh -

geschweige denn beim Verstehen, sofern man wirklich in den Irrgärten philophischer Gedanken lustwandeln möchte. ;-)  

12.06.16 12:48

58425 Postings, 5319 Tage boersalinoFür Labyrinthe gilt: Der Weg ist das Ziel, Tati !

01.02.17 14:39
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoMerkel - Vorbilder und Bilder des Menschen

"Wenn ich also auch nicht jeden Tag finde, daß den Menschen so ganz klar gesagt ist, was gut ist und was der Herr von uns fordert, kann ich doch für mich feststellen: Ich habe in meinem Leben Menschen getroffen, ich habe Gedanken gehört, und ich habe Erfahrungen gemacht, die mir zumindest die Hoffnung geben, daß ich besser verstehe, was der Mensch zu hat, die mir aber auch die Fähigkeit geben, immer einmal wieder zu zweifeln, ob das, was ich dann für richtig befunden habe, auch wirklich richtig ist und es immer wieder im Gegenüber zu anderen Menschen zu sehen und nicht selbstherrlich zu werden."

[Deutscher Evangelischer Kirchentag - Hamburg 1995 - Dokumente. S. 776]

ICH habe diese Worte nicht vergessen!!!

 

22.02.17 07:37
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoDie Aufklärung hat noch nicht begonnen

Drittens ergibt sich eine demokratische Behandlung der Erkenntnis, wenn der Staatsbürger seine Angst verliert und es wagt, seine eigenen Maßstäbe und nicht die Maßstäbe seiner sich als Herren aufspielenden, aber von seinen Geldern bezahlten akademischen Sklaven anzuwenden. Ist es wirklich so wichtig, die letzten Bestandteile der Materie ganz genau zu kennen? Ist es wirklich so wichtig, auf Steuerkosten tiefe philosophische Probleme zu erläutern, deren Lösung niemand hilft als einer kleinen Schicht autistischer Intellektueller? Wichtig genug, um Billionen daran zu verschwenden? Wenn Du, der Staatsbürger, anderer Meinung bist, dann sage es so und fürchte nicht die Verachtung der Experten. Du bezahlst sie, sie sind deine Diener, und wenn sie nicht tun, was Du willst, dann hört die Bezahlung eben auf.

[Paul K. Feyerabend - in: Von der Verantwortung des Wissens, hrsgg. v. P. Good, S. 38]

Eins zu eins übertragbar auf eine kleine Schicht autistischer Politiker.  

24.02.17 06:30
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58425 Postings, 5319 Tage boersalino"Niemand führt jenen, den Gott irreleitet."

Aber wenn jemand sich als ganz ohne Fehl hinstellte, dann sollte er dabei, und zwar gleich zu Anfang, zugeben, daß es ihm an Scham fehle, in Wahrheit gingen mir derlei Diskussionen unter reuigen Söhnchen des Kleinbürgertums schrecklich auf den Geist, sie, die mit ihren samtweichen Stiefeln naiv um Edelmut wetteiferten und aus diesem Vergleich auch noch den Geruch liberaler Tugendhaftigkeit zogen, ...

[Raduan Nassar - Ein Glas Wut. S. 32]  

21.05.17 07:37
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoÜber den geschichtsphilosoph. Wahrheitsbegriff

Wenn Wissenschaft auf die Gesellschaftslage "funktionalisiert" wird, wenn es - wie Mannheim [Mannheim, Karl: Ideologie und Utopie, F.a.M. 1969. (boers.)] ausführt - nur standortgebundenes und seinsverbundenes Denken gibt, so wäre demgemäß "falsches Bewußtsein" ein solches, das weder standortgemäß noch zeitgemäß ist: " Falsch und ideologisch ist ... ein Bewußtsein, das in seiner Orientierungsart die neue Wirklichkeit nicht eingeholt hat und sie deshalb mit überholten Kategorien eigentlich verdeckt."

[Karl Acham: Rationalitätsansprüche von Wissenssoziologie u. Weltanschauungslehre. In Orth (Hrsg.), Phänomenologische Forschungen 19, Vernunft und Kontingenz - Rationalität und Ethos in der Phänomenologie. Freiburg 1986]  

24.05.17 08:36
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoDas Denken aus dem Innern der Metaphern

Und eben darin enthüllt sich die Niederlage des Denkens, das sich in die Metapher verliebt hat. Wenn die Metaphern zur Erde zurückkehren, nachdem sie ihre Rolle im Himmel zu Ende gespielt haben, können sie etwas anderes bedeuten als vorher und etwas anderes beschreiben. Die Metaphern werden launisch, sie beschreiben die Welt in ausgewählten Bruchstücken, sie verwechseln manchmal den Menschen mit Gott. Sie bewirken, daß der Mensch vergißt, was sein Gedanke im Himmel nicht erblickt hat. Vergessen lassen ... Vergessen bedeutet nicht ein Problem lösen. Es bedeutet nur: die Aufmerksamkeit etwas anderem zuwenden. Die Metapher macht empfindlich, aber sie stumpft auch ab. Man kann es verstehen, daß manche die Eindeutigkeit vorziehen und deswegen um Blei für die Flügel bitten. Aber auch sie sind abgestupft und empfinden nur im verkehrten Sinn. Jene für die Erde, diese für den Himmel. Die einen sind nicht fähig, herabzuspringen, die anderen nicht fähig, in die Höhe zu springen. Letzten Endes ist sowohl das eine wie das andere eine Verstümmelung.

[Józef Tischner: Das Denken aus dem Innern der Metapher. In Orth (Hrsg.), Phänomenologische Forschungen 12, Zur Phänomenologie des philosophischen Textes. Freiburg 1982]  

05.06.17 07:21
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoPhänomenologische Notizen

Der Schriftsteller fügt die Worte so, daß ihr Gewebe etwas Wichtiges zeigt; er beweist nichts und ist nicht primär ein Rhetor, der seine Zuhörer überzeugen will. Wenn er zum Argumentieren übergeht, verliert seine Darstellung ihre suggestive oder bezaubernde Kraft. Das argumentative Verfahren zerstört die literarische Wirkung, außer in dem Falle, worin der Schriftsteller es in souveräner Beherrschung als ein Material oder Spiel seiner ästhetischen Absicht unterordnet. Das erkärt auch, warum Tendenzstücke und didaktische Poesie so uninteressant sind: die ganze Darstellung geht dabei in Illustrationen und dekorative Elemente auf. Das Wesentliche aber könnte auch auf eine nicht literarische Weise gesagt und bewiesen werden.

[Adriaan Peperzak: Phänomenologische Notizen zum Unterschied zwischen Literatur und Philosophie. In Orth (Hrsg.), Phänomenologische Forschungen 12, Zur Phänomenologie des philosophischen Textes. Freiburg 1982]  

05.06.17 07:50
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoDanke, Herr Sawitzke

Es tut gut, einen Leser zu haben und zu kennen. Er ist dann nicht der "implizite Leser".  

16.09.17 09:46
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoVergleichbarkeit staatlicher Großverbrechen

Bedenklich an der Singularitätsdiskussion insgesamt und den mit ihr verbundenen Wertungen ist im übrigen, daß sie dazu tendiert, Rangordnungen des Verbrechens herzustellen, die es ermöglichen, in einer Verbrechensdimension, die ohnehin jede Individualkriminalität weit in den Schatten stellt, das "Schlimme" vom "noch Schlimmeren" und das "noch Sagbare" vom "Unsäglichen" zu unterscheiden. Die Gefahr der Relativierung, die befürchtet wird, wenn der Völkermord an den Juden mit anderen Massentötungen der Geschichte verglichen wird, besteht schließlich nicht nur in diesem Fall, sondern ist eine ganz allgemeine.
Denn jede Abstufung führt, in welcher Richtung auch immer, zu Abwägungen, bei denen einem Ereignis nur auf Kosten anderer Ereignisse sein volles Gewicht beigemessen wird. Die herausgehobene Einzigartigkeit eines und sei es noch so ungeheuerlichen Verbrechenskomplexes, die nicht durch klare und eindeutige Kriterien, etwa Aussagen über das Ausmaß und den Umfang seiner Auswirkungen, legitimiert werden kann, wird so zwangsläufig mit der Verharmlosung anderer Verbrechen erkauft.
Die Konsequenzen derartiger Abstufungen müssen daher auf jeden Fall mitdiskutiert werden. Diese dürfen beispielsweise nicht zu dem Schluss verleiten, Massenverbrechen in Kriegen seien zu vernachlässigende Verbrechen zweiten Ranges. Der Blick auf die Vielfalt staatlicher Verbrechen muß also wohl ausgehalten werden, ohne daß dadurch das Unrecht der Einzelereignisse gemindert wird.
Überhaupt müssen wir uns fragen, wie es eigentlich dazu kommt, daß wir von dem Hinweis auf andere Verbrechen eine Verharmlosung und Relativierung des ja in seiner kriminellen Größenordnung und Bedeutung feststehenden Völkermordes befürchten.
Offenbar verfangen wir uns allzu leicht in Denkschemata, die das Stigma schwersten Unrechts und größter Verwerflichkeit nur dem Ausnahmeverhalten zuteil werden lassen. [Hervorheb. boers.]


[H. Jäger: Über die Vergleichbarkeit staatlicher Großverbrechen. In: E. Hesse (Hrsg.) Totalitarismus im 20. Jahrhundert - Eine Bilanz der internationalen Forschung (1999), S. 384 ff.]  

03.11.17 15:17
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3490 Postings, 2932 Tage SawitzkiLöschung


Moderation
Zeitpunkt: 04.11.17 12:50
Aktion: Löschung des Beitrages
Kommentar: Off-Topic

 

 

05.11.17 05:00
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoTheodizee

Selbst wenn Gutes aus Bösem erwachsen kann, lässt sich mit dem Philosophen Brian Davies fragen: "Was sollen wir von jemandem [das heißt Gott] halten, der die Übel so organisiert , dass sich aus ihnen Gutes ergeben kann?" Hätte er nicht irgendeine akzeptablere Weise zur Erprobung unserer Stärke finden können als Denguefieber, Britney Spears oder Taranteln?
Vielleicht ist das Böse in dieser unserer Welt unvermeidlich, aber warum hat Gott dann nicht eine andere geschaffen? Einige Theologen vertreten die These, Gott habe keine materielle Welt ohne Schmerz und Leid erschaffen können. Nach dieser Theorie müssen wir uns - wenn wir sinnliche Freuden oder einfach einen Körper haben wollen - mit dem Nachteil von Qual und Pein abfinden. Nach Ansicht des Philosophen Leibniz leben wir in der besten aller Welten, doch für andere Denker ist dieser Gedanke so unsinnig wie die Vorstellung der größten Primzahl. Zu jeder gegebenen Welt kann man sich immer eine bessere vorstellen (etwa eine, in der man Kate Winslet als Nachbarin hat).

[Terry Eagleton - Das Böse. S. 168 f.]  

22.11.17 05:40
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoZusammenhänge (1)

Bei ihren Versuchen, Pflanzen in Atmosphären künstlicher, 'nichtirdischer' Zusammensetzung aufzuziehen, machten amerikanische Raumfahrtbiologen jüngst eine bemerkenswerte Entdeckung. Ihre Schützlinge gediehen am besten nicht etwa in der gewöhnlichen Luft, die wir auf der Erde atmen, sondern in einem experimentell erzeugten Gasgemisch. Am üppigsten wucherten die Tomaten, Blumen und andere Alltagsgewächse dann, wenn man das Sauerstoffangebot auf etwas weniger als die Hälfte reduzierte und gleichzeitig den CO2-Anteil - normalerweise nur 0,03% - kräftig erhöhte.
Dieses Resultat erscheint zunächst einmal deshalb bemerkenswert, weil es eine geläufige und ohne großes Nachdenken für selbstverständlich gehaltene Ansicht als Vorurteil entlarvt, die Ansicht nämlch, die auf der Erde herrschenden Bedingungen seien für alle hier existierenden Lebensformen optimal. Aber die Bedeutung des Befundes der amerikanischen Biologen reicht darüber noch weit hinaus. Ihr Experiment erweist sich bei näherer Betrachtung als ein Exempel für die von vielen Zeitgenossen noch immer nicht erkannte Tatsache, daß die Menschen heute erst die Erde wirklich kennenlernen, da sie sich anschicken, sie zu verlassen. Erst die Beschäftigung mit dem, was jenseits der Erde liegt, gibt uns die Möglichkeit, zu begreifen, was und als alltäglich gewohnte Umwelt umgibt.  

23.11.17 05:18
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoZusammenhänge (2)

Pflanzen setzen bei der Photosynthese Sauerstoff frei. Ohne Pflanzenwelt wäre der Sauerstoffvorrat der Erdatmosphäre innerhalb von etwa drei Jahrhunderten verbraucht, wäre die Erde nach dieser Zeit für Mensch und Tier unbewohnbar. Die Versuche der Exobiologen erinnern uns nun daran, daß auch das Umgekehrte gilt. Bevor die Pflanzen auf der Erdoberfläche erschienen, war die Erde praktisch frei von Sauerstoff. Als die Pflanzen ihn zu erzeugen begannen, gab es noch niemanden, dem er hätte nützen können. Er war Abfall.
Dieser Abfall reicherte sich in der Atmosphäre unseres Planeten mehr und mehr an bis zu einem Grad, der die Gefahr heraufbeschwor, daß die Pflanzen in dem von ihnen selbst erzeugten Sauerstoff würden ersticken müssen. Der Versuch der Exobiologen zeigt, wie nahe diese Entwicklung dieser Gefahrengrenze tatsächlich gekommen war.
In dieser kritischen Situation holte die Natur zu einer gewaltigen Anstrengung aus. Sie ließ eine Gattung ganz neuer Lebewesen entstehen, deren Stoffwechsel just so beschaffen war, daß sie Sauerstoff verbrauchten. Während wir gewohnt sind, die Pflanzen einseitig als die Liferanten des von Tieren und Menschen benötigten Sauerstoffs anzusehen, verschafft uns die Weltraumforschung hier eine Perspektive, die uns das gewohnte Bild aus einem ganz anderen Blickwinkel zeigt: Wir stehen unsererseits im Dienste des pflanzlichen Lebens, das in kurzer Zeit erlöschen würde, besorgten wir und die Tiere nicht laufend das Geschäft der Beseitigung des als Abfall der Photosynthese entstehenden Sauerstoffs.  

24.11.17 05:30
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoZusammenhänge (3)

Wenn man auf diesen Aspekt der Dinge erst einmal aufmerksam geworden ist, glaubt man, noch einen anderen, seltsamen Zusammenhang zu entdecken. Die Stabilität der wechselseitigen Partnerschaft zwischen dem Reiche pflanzlichen Lebens und dem von Tier und Mensch ist ganz sicher nicht so groß, wie es die Tatsache vermuten lassen könnte, daß sie heute schon seit einer Milliarde Jahren besteht. Es gibt viele Faktoren, die ihr Gleichgewicht bedrohen. Einer von ihnen ist der Umstand, daß ein beträchtlicher Teil des Kohlenstoffs, der für den Kreislauf ebenso notwendig ist wie Sauerstoff - keine Photosynthese ohne CO2 - , von Anfang an dadurch verloren gegangen ist, daß gewaltige Mengen pflanzlicher Substanz nicht von Tieren gefessen, sondern in der Erdkruste abgelagert und von Sedimenten zugedeckt wurden. Dieser Teil wurde dem Kreislauf folglich laufend entzogen, und zwar, so sollte man meinen, endgültig und unwiederbringlich. Das Ende schien nur noch eine Frage der Zeit.
Wieder geschieht etwas sehr Erstaunliches: In eben dem Augenblick - in den Proportionen geologischer Epochen -, in dem der systematische [systemische - würde man heute sagen (boers.)] Fehler sich auszuwirken beginnt, erscheint wieder eine neue Lebensform und entfaltete eine Aktivität, deren Auswirkungen die Dinge wie beiläufig wieder ins Lot bringen. Homo faber tritt auf und bohrt tiefe Schächte in die Erdrinde, um den dort begrabenen Kohlenstoff wieder an die Erdoberfläche zu befördern und durch Verbrennung dem Kreislauf erneut zuzuführen.
Manchmal wüßte man wirklich gern, wer das Ganze eigentlich programmiert.

[Hoimar v. Ditfurth - Zusammenhänge (1974). In: Zusammenhänge - Gedanken zu einem naturwiss. Weltbild, S. 18 ff.]
 

10.12.17 08:36
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoDie Stationen der Matrix Welt

Das Recht zur Vermutung, daß die Welt sich in Form eines Buches 'matriziert' hat, nehme ich aus dem Negativen: als was sonst? Ich sagte schon - die Welt stand unter dem Zwang, sich abzuprägen. Sie wird also den relativ einfachen Weg gewählt haben - besser gesagt: Der Drang wird sich dort Bahn gebrochen haben, wo es am leichtesten war. In welcher Form läßt sich Erkenntnis leichter und einfacher auf relativ kleinem Raum darlegen als in einem Buch? Denken - Sprache - Schrift - Buch ... das sind die Stationen der Matrix Welt. Es muß also - es hat also ein Buch gegeben, in dem alle Erkenntnis der Welt enthalten war. Es gibt das Buch noch. (Einzige Einschränkung, wie gesagt: Es wird es erst geben; das konzediere ich; dann müssen wir natürlich scheitern. Ich glaube es aber nicht, denn wir stehen ja wohl eher am Ende der Welt als am Anfang, und die Welt wird mit ihrer Matrixbildung nicht so säumig gewesen sein.)

[Herbert Rosendorfer - Großes Solo für Anton. S. 184 f.]

 

05.05.18 15:09
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoDer Terror kommt nicht von außen (E. Altvater)

Sehr schnell wird man sehen, dass die Terrortaten im Zusammenhang mit den Kriegen der USA und ihren Verbündeten gegen den Irak, Jugoslawien und Afghanistan, und dann mit dem vom US-amerikanischen Präsidenten Bush 2001 ausgerufenen "Krieg gegen den Terrorismus" eskalierten. Dieser Krieg wird ja so geführt, dass "Schurkenstaaten" militärisch niedergeworfen und besetzt, nicht genehme Regime beseitigt und durch willige Regierungen ersetzt werden. Bei diesen militärischen Aggressionen wird auch die Zivilbevölkerung drangsaliert und terrorisiert. Im Irak sind nach Ende der Kampfhandlungen im Mai 2003 bis Mitte 2005 zwischen 39.000 und an die 100.000 Iraker getötet worden (nach FR  13.07.2005): ganze Städte wie Falludja sind vom US-Militär zerstört worden. Der Bombenterror, ausgeübt von "zivilisierten westlichen Mächten" im Kampf gegen den Terror, provoziert neuen Terror. Das ist eine Eskalationsspirale, von der niemand sagen kann, wo sie endet.
Was veranlasst gewählte Regierungen in demokratischen Ländern zu Bombardierungen, zur Anwendung von Folter, zu schweren Menschenrechtsverletzungen, zur Errichtung eines "Imperiums der Barbarei (vgl. Clark/Foster 2005)? Die Notwendigkeit, einen "Krieg gegen den Terror" führen zu müssen, kann weder eine Antwort noch Rechtfertigung sein.

[Elmar Altvater: Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen - Eine radikale Kapitalismuskritik. S. 141]  

06.05.18 05:00
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58425 Postings, 5319 Tage boersalinoWas veranlasst Regierungen in demokratischen ...?

Wörtlich schreiben sie, die Ablehnung von völkerrechtskonformen Maßnahmen tue "der völkerrechtlichen Bewertung keinen Abbruch". Zumal die Frage, ob Assad tatsächlich Giftgas eingesetzt hat, noch unbeantwortet sei.

Die Argumente des Dreierbündnisses sind überschaubar

Mit dem Gutachten gerät die Bundesregierung unter Druck. Noch am Mittwoch hatte Außenminister Heiko Maas (SPD) bei einer geheimen Sitzung des Auswärtigen Ausschusses betont, dass die Mission sehr wohl vom Völkerrecht gedeckt sei. Maas bezog sich auf die Resolution Nummer 2118 des Sicherheitsrats. Diese forderte vom Assad-Regime, kein Giftgas einzusetzen und alle Bestände zu vernichten.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/...on-usa-und-co-a-1204004.html  

21.10.18 12:55

58425 Postings, 5319 Tage boersalinoDie Krise der Moderne

Kein Weg aus der Krise ist auch der Postmodernismus. Denn der "Postmodernismus" proklamiert zwar ein Ende der Moderne, hat aber als Alternative nur "radikalen Pluralismus" oder Relativismus anzubieten: Wahrheit, Gerechtigkeit, Menschlichkeit im Plural, so, unter Berufung auf J.-F. Lyotard, Wolfgang Welsch [J.-F. Lyotard, La condition postmoderne, Paris 1979 / W. Welsch, Unsere postmoderne Moderne, Weinheim 1988]. Was hier aber als "Postmoderne" beschrieben wird, sind im Grunde Kennzeichen einer schon um die Jahrhundertwende beobachtbaren desintegrierten Spätmoderne. Denn sollen etwa Beliebigkeit, Buntheit, die Mischung von allem und jedem, soll die Anarchie der Denkrichtungen und Stile, das ästhetisch-literarische Collageprinzip, das methodologische "Anything goes", das moralische "Alles was Spaß macht", soll dieses oder ähnliches die Dilemmata der Moderne überwinden können?
Hier wird doch aus der Not des mangelnden Konsensus die Tugend der Beliebigkeit gemacht. Aber die Moderne in ihren Widersprüchen wird auf diese Weise nicht wirklich überwunden, sondern nur noch einmal in überdrehter Form wiederholt. Zumindest insofern trifft die konservative Kritik an der Moderne auch die "postmodern" getarnten Spätmodernen. Wie eine totalitäre Einheit ohne Vielfalt, so ist auch eine relativistische Vielfalt ohne Einheit kaum der Weg in eine bessere Zukunft.

[Hans Küng, Das Christentum, S. 877]
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