Mit einem Schlag ist der weltweit wenig bekannte chinesische Computerhersteller Lenovo zum globalen Mitspieler geworden. 1984 von einigen Akademikern mit 25.000 US-Dollar Startkapital von der Akademie der Wissenschaften in Peking gegründet, gehört Lenovo zu den Erfolgsgeschichten der Volksrepublik. Die Erben von Karl Marx und Mao Tsetung kaufen jetzt für 1,75 Milliarden US-Dollar nicht nur die PC-Sparte der International Business Machines, sondern mit dem Namen IBM für die PC-Sparte auch einen der neben Coca Cola und Microsoft bekanntesten Markennamen des Kapitalismus.
Schon als die Geschäftsgründer in den 80er Jahren im Zuge der ersten Marktreformen von Deng Xiaoping in China mit Computerhandel anfingen, verkauften sie IBM-Computer. "Xiahai -- ins Meer springen" oder besser ins Geschäftsleben einsteigen, lautete später die Losung, die das Milliardenvolk befolgte. Mit ihren guten Beziehungen begannen die Pioniere 1990 mit der Produktion eigener Computer, die unter dem Namen Legend auf den Markt kamen. Da ihnen kapitalistische Methoden keineswegs fremd waren, folgte 1994 der Börsengang in Hongkong, doch behielt die Akademie den Mehrheitsanteil.
Dass IBM-Computer jetzt "chinesisch" werden, scheint eine logische Konsequenz. "Die Idee ist gut", sagte auch der deutsche Unternehmensberater Roland Berger am Mittwoch in Peking. "Die beiden Marken passen zusammen." IBM habe Probleme auf der Kostenseite, weniger mit der Technik. Lenovo wiederum kann sich auf eine günstige Produktionsbasis in China stützen. Den dritten Platz weltweit könnten beide aber nur wahren, wenn die Unternehmensführung klappe, sagte Berger. "Die Managementfrage ist nicht so leicht zu bewältigen." Die Chinesen könnten leicht viele Chinesen anleiten -- "aber der amerikanische Stil der Geschäftsleitung ist ganz anders".
Das Klima im weltweiten Computergeschäft sei rau. Es würde ihn nicht wundern, wenn die Hauptkonkurrenten Dell und Hewlett-Packard die jetzt kommende Integrationsphase für Lenovo und IBM ausnutzen würden, um Marktanteile zu gewinnen. "Lenovo ist eine ausgezeichnete Firma", betonte Berger. "Aber einen neuen Geschäftsbereich mit einer anderen Kultur hinzuzufügen, ist ein ganz neues Spiel." Ex-IBM-Vize Stephen Ward macht jetzt das Tagesgeschäft aus den USA heraus, während der neue Vorsitzende Yang Yuanqing von Peking aus regiert.
In China hat Lenovo zunehmend mit heimischer und ausländischer Konkurrenz zu kämpfen und wollte deswegen in obere Marktsegmente vorstoßen, wo die Gewinne größer sind. "Eine weltbekannte Marke wie IBM ist die Eintrittskarte, um dieses Ziel zu erreichen", meinte Niki Chu von der Wertpapierfirma Sun Hung Kai. Mit dem Deal hat Lenovo, was es wollte: Eine weltweite Präsenz, ein Vertriebsnetz, Technologie und einen Markennamen, der vielen Kunden etwas bedeutet. IBM wiederum ist sein wenig profitables PC-Geschäft los. Ohnehin ließ IBM seine Hardware längst in China fertigen. Doch rückläufige Wachstumsraten und geringere Gewinnspannen machen allen Herstellern das Leben schwer -- jetzt und in Zukunft noch mehr, wie Marktbeobachter erwarten. Da werde es Lenovo schwer haben, seine Computer in China billiger herzustellen als etwa Hauptkonkurrent Dell.
IBM-Boss Palmisano setzt mit PC-Ausstieg auf höhere Gewinne
IBM-Konzernchef Sam Palmisano setzt mit dem Verkauf der Personal-Computer-Sparte an den Lenovo auf die wachstumsträchtigeren und viel lukrativeren IBM-Sparten. Er will mit der Betonung des Dienstleistungsgeschäfts sowie mit Servern und Großrechner sowie das Software und Chips mehr Geld verdienen als mit dem gewinnschwachen PCs. Das ist sein Hauptziel und war lange von der Wall Street gefordert worden. Er sieht in den PCs ein Massengeschäft, das sich mehr und mehr an Einzelkäufer richtet und damit zunehmend den Charakter der Verbraucherelektronik erhält. Dort haben nach seiner Ansicht nur noch Großproduzenten mit entsprechend kostengünstiger Fertigung eine Chance. Das mit PCs auch noch viel Geld zu verdienen ist, das hat der PC-Branchenführer Dell der Nummer zwei Hewlett-Packard und dem drittgrößten PC-Anbieter IBM allerdings seit Jahren vorexerziert.
Als IBM 1981 seinen ersten PC einführte machte der Computer-Branchenführer den Kardinalfehler, der winzigen Firma Microsoft und dem mittelgroßen Chip-Hersteller Intel die Betriebssoftware beziehungsweise die PC-Chips zu überlassen. Microsoft und Intel wurden dadurch zu Riesenunternehmen mit Milliardengewinnen -- IBM dagegen konnte sich mit Versuchen, im PC-Bereich eigene Techniken wie den Microchannel oder Systeme wie OS/2 zu etablieren, letztendlich nicht durchsetzen. "In den vergangenen Jahren haben wir IBM aggressiv neu positioniert und zum global führenden Anbieter von innovativen Lösungen für Unternehmen und Institutionen jeder Größe und aller Branchen gemacht", begründete Palmisano den Ausstieg aus dem PC-Geschäft. IBM hatte sich bereits vorher aus dem PC-Einzelhandelsverkauf und der Desktop-Fertigung zurückgezogen.
IBM hatte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 89,1 Milliarden Dollar, verdiente 7,6 Milliarden Dollar und beschäftigte weltweit 319.000 Menschen. Die PC-Sparte brachte rund zehn Prozent des Konzernumsatzes. Das von Palmisano forcierte Dienstleistungsgeschäft mit Gesamtlösungen für die Informationstechnologie-Bedürfnisse von Unternehmen und Organisationen in aller Welt bringt inzwischen mehr als die Hälfte des Umsatzes. Das Server- und Großrechnergeschäft läuft ebenso wie die Softwaresparte auf vollen Touren. Bei hochwertigen Chips hat IBM ebenfalls eine starke Position.
IBM sah sich angesichts des Siegeszuges der PCs und mittelgroßer Rechner während der achtziger und frühen neunziger Jahre mit den dinosaurierartigen IBM-Großcomputern in die Enge gedrängt und verbuchte 1993 einen Rekordverlust von acht Milliarden Dollar. Damals dachte das Unternehmen ernsthaft an eine völlige Aufspaltung. Der im April 1993 an die IBM-Spitze gerufene Louis V. Gerstner brachte den Konzern wieder auf Vordermann und leitete die verstärkte Neuausrichtung auf das Dienstleistungsgeschäft ein. Jetzt ist mit dem Ausstieg aus dem PC-Geschäft wieder ein grundsätzlicher Einschnitt bei IBM erfolgt.
IBM hatte jahrzehntelang unter der Führung der Watson-Dynasty gestanden. Thomas H. Watson hatte IBM 42 Jahre lang geführt. Er hatte IBM mit Hollerit- und anderen mechanischen Rechenmaschinen bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1956 zu einem Unternehmen mit einem Umsatz von 892 Millionen Dollar und 72.500 Mitarbeitern gemacht. Sein Sohn Thomas J. Watson Jr. verwandelte IBM mit Hilfe der Großrechner bis 1971 zu einem Mammutkonzern mit 8,3 Milliarden Dollar Umsatz und 270.000 Beschäftigten. Die Gesellschaft verbucht heute das elffache des damaligen Umsatzes. IBM hat allerdings auch nach Abgabe der PC-Sparte bei den IT-Konzernen weiterhin die Führung vor Hewlett-Packard. Der zweitgrößte Computerkonzern hatte 2003 rund 73 Milliarden Dollar umgesetzt. (Andreas Landwehr, Peter Bauer, dpa) (jk/c't) |