Sartorius: Kann der Dax-Neuling das starke Wachstum bestätigen – Aktie liegt seit Jahresanfang über 50 Prozent im Plus
(18.10.21, 17:31 onvista)
Nach den vorläufigen Zahlen von SAP ist Mittwoch das nächste Dax-Mitglied an der Reihe. Sartorius wird zum ersten Mal seine Zahle als Dax-Mitglied präsentieren. Die Geschäfte für den Laborausrüster und Pharmazulieferer liefen dank einer regen Nachfrage von Corona-Testherstellern und Impfstoffforschern in den ersten 6 Monaten hervorragend. Die Ziele für das Gesamtjahr hob das Unternehmen nach einem starken ersten Halbjahr erneut an. An der Börse kommt dies gut an und die Aktie stieg erst jüngst in den Dax auf und ist mit einen Plus von etwas mehr als 50 Prozent seit Jahresanfang auch direkt der zweitbeste Performer in der höchsten deutschen Börsenliga. Nur Porsche war einen kleinen Tick besser und auf Platz 3 folgt Daimler.
Clevere Strategie macht sich bezahlt
Seit seinem Amtsantritt im Mai 2003 hat Konzernchef Joachim Kreuzburg Sartorius durch zahlreiche Übernahmen zu einem Weltkonzern ausgebaut. Aktuell liegt der Fokus der Expansion auf Amerika und Asien. Neben dem Ausbau des Hauptquartiers in Göttingen zum Wissenschaftscampus und einem neuen Standbein in Berlin ist vor allem ein massiver Stellenaufbau weltweit im Gange.
Bei Sartorius fing bereits im 19. Jahrhundert alles mit der Wägetechnik an, doch dieser Bereich ist inzwischen fast schon Geschichte. Nach dem Verkauf der Sparte nach Japan vor wenigen Jahren stellt heute ein vergleichsweise kleiner Bereich des Unternehmens noch Geräte zur Messung von Gewichten her. Dies passt in Kreuzburgs Strategie: In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich das Unternehmen komplett gewandelt und als Zulieferer vor allem für die Pharmaforschung und als Laborausstatter etabliert.
Derzeit erlebt Sartorius einen wahren Bestellboom von Herstellern von Impfstoffen und Corona-Tests. An diese liefert Sartorius wichtiges Zubehör. Die Latte für das laufende Jahr legte Konzernchef Kreuzberg deshalb Anfang Juli das zweite Mal höher. Der Umsatz soll währungsbereinigt nun um rund 45 Prozent zulegen. Damit würde der Laborausrüster und Pharmazulieferer noch deutlicher wachsen als im Vorjahr. 2020 waren die Erlöse wechselkursbereinigt um rund 30 Prozent auf etwas mehr als 2,3 Milliarden Euro geklettert.
Das Unternehmen soll zudem noch profitabler werden. Im Gesamtjahr sollen nun etwa 34 Prozent des Umsatzes als Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen (Ebitda) und Sondereffekten im fortgeführten Geschäft hängen bleiben. 2020 hatte die operative Marge noch bei knapp 30 Prozent gelegen. Bis 2025 soll der Umsatz auf rund fünf Milliarden Euro steigen – die Profitabilität soll dann bei 32 Prozent liegen.
Die wichtigste Beteiligung für den Konzern ist die französische Sartorius Stedim Biotech , an der Sartorius rund 70 Prozent hält. Unter deren Dach läuft das Biotech-Geschäft des Konzerns. Die Sparte verkauft in der Pandemie gefragte Einweg-Materialien wie Bioreaktoren und Membranbeutel, aber auch Filtersysteme sowie Nähr- und Pufferlösungen für Zellkulturen. Dank der Nachfrage nach Corona-Tests floriert aber auch die Laborsparte, die unter anderem die Waagen, Pipetten und Verbrauchsmaterialien für Labore liefert.
Aktie ist ein Selbstläufer
Im September hatte Sartorius bei der Neuordnung der Dax-Familie den Aufstieg in die erste Börsenliga Dax geschafft. Kein Wunder: Das Papier hatte eine rasante Jagd hinter sich – bis Ende August hatte sich der Kurs allein in den fünf Jahren zuvor mehr als versiebenfacht.
Anfang Juli sorgten höhere Jahresziele für eine neue Welle der Euphorie. Die seit Jahren anhaltende und durch Corona angeheizte Rally war in den Monaten zuvor etwas ins Stocken geraten. Die nun im Dax notierte Vorzugsaktie hatte ein Rekordhoch nach dem anderen erklommen. Vor gut einem Monat hatten sie mit 599,60 Euro so viel gekostet wie noch nie, bevor ein Rückschlag auf zuletzt rund 520 Euro folgte.
Dennoch legte die Vorzugsaktie alleine in diesem Jahr um gut 50 Prozent zu, und das, nachdem sie 2020 rund 80 Prozent gewann und 2019 circa 75 Prozent. Damit reiht sich das Papier in die Liste der größten Gewinner unter den deutschen Standardwerten ein. Den letzten Jahresverlust gab es 2008 während der großen Weltfinanzkrise.
Über fünf Jahre gesehen summiert sich das Plus nun auf inzwischen rund 560 Prozent. Wer noch früher eingestiegen ist, hat ein größeres Plus im Depot. 2012 stieg der Kurs erstmals über die Marke von 10 Euro. Das Göttinger Unternehmen wurde bereits 1990 an die Börse gebracht. Damals hatte der Ausgabepreis für die Vorzugsaktie 610 D-Mark betragen. Bereinigt um die Währungsumstellung und zwei Aktiensplits beläuft sich der Ausgabepreis rechnerisch auf rund drei Euro.
Das Aktienkapital ist zu gleichen Teilen in Stamm- und Vorzugsaktien aufgeteilt. Von den etwas mehr als 37 Millionen Stammaktien gehören gut die Hälfte einer Erbengemeinschaft und rund 34 Prozent dem US-Unternehmen Bio-Rad Laboratories. Knapp neun Prozent hält das Unternehmen selbst. Rund sechs Prozent sind im Streubesitz.
Ganz anders sieht es bei den Vorzugsaktien aus: Hier werden rund 72 Prozent der Anteile, die nicht im Besitz des Unternehmens selbst sind, im Streubesitz gehandelt; 28 Prozent liegen nach Sartorius-Angaben bei Bio-Rad Laboratories. Sartorius selbst hält wie bei den Stammaktien rund neun Prozent. Der Konzern wird an der Börse inzwischen mit rund 41 Milliarden Euro bewertet – allein das Aktienpaket der Erbengemeinschaft kommt dabei auf fast elf Milliarden Euro.
Nur ein Analyst rät zum Verkauf
Von den 13 seit Ende Juni von dpa-AFX erfassten Experten, die Sartorius auf dem Schirm haben, empfehlen acht die Aktie zum Kauf. Vier raten zum Halten. Einer empfiehlt den Verkauf. Im Schnitt liegt das Kursziel bei rund 542 Euro. Allerdings weisen die Schätzungen mit 324 Euro (UBS) bis 632 Euro (Warburg) eine große Spanne auf. Aktuell kosten die Papiere etwas mehr als 520 Euro.
Der Laborausrüster hat laut Analyst Oliver Reinberg vom Investmenthaus Kepler Cheuvreux im laufenden Jahr ein imposantes Gewinnwachstum erzielt. Er rechnet mit einer Fortsetzung des Trends und einem dynamischen Jahr 2022. Der Covid-Umsatz dürfte auch im kommenden Jahr stark bleiben und das Wachstum im Basisgeschäft sich sogar noch beschleunigen. Auch eine Änderung der Auftragslage würde sich angesichts der Knappheit in der Branche positiv auswirken.
Analyst Richard Vosser von der US-Bank JPMorgan rechnet mit einem starken dritten Quartal des Laborausrüsters und Pharmazulieferers. Zudem geht er davon aus, dass Sartorius die Jahresziele erneut anheben wird. Analystin Delphine Le Louët von der französischen Großbank Societe Generale (SocGen) wies daraufhin, dass so hohe Wachstumsraten für ein Industrieunternehmen selten seien, wie sie für den Laborausrüster bis 2025 erwartet würden.
Das durchschnittliche Umsatzwachstum des Konzerns zwischen 2007 und 2020 hat nach Berechnung von Analyst Alexander Neuberger von der Privatbank Metzler 11,2 Prozent betragen. Dies spiegele das langfristige organische Wachstum des Konzerns besser wider. Abgesehen von dem durch die Pandemie induzierten Zusatzgeschäft werde das Wachstum von Sartorius derzeit durch die vorhandenen Kapazitäten getrieben. Diese reichten noch nicht aus, um die Nachfrage vollständig zu decken.
Im abgelaufenen dritten Quartal dürfte sich das Verhältnis Auftragseingang zum Umsatz nicht wesentlich geändert haben. Die Vollauslastung der Kapazitäten sollte bis weit in das erste Halbjahr 2022 reichen. Diese Situation erlaube es dem Konzern auch, weitere Skaleneffekte zu realisieren und Kostensteigerungen an seine Kunden weiterzugeben. Ab dem ersten Quartal des kommenden Jahres sollte Sartorius von dem Kapazitätsausbau zur Bewältigung der guten Auftragslage profitieren. Den aktuellen Rückgang des Aktienkurses sieht Neuberger als Kaufgelegenheit.
Skeptisch blieb hingegen UBS-Experte Michael Leuchten, der das Papier für deutlich zu hoch bewertet hält. Er geht zwar davon aus, dass Sartorius bis 2025 kräftig wachsen wird, glaubt aber nicht an das vom Konzernchef Kreuzberg ausgerufene Ziel von fünf Milliarden Euro. Die für das Wachstum notwendigen Investitionen dürfte zudem auf die Marge drücken. Zudem seien die durch Corona ausgelösten Umsätze hoch profitabel – dieser Effekte dürfte sich auch nicht ewig fortsetzen lassen.
Redaktion onvista / dpa-AFX |