SPIEGEL ONLINE - 01. Februar 2002, 15:31 http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,180236,00.html
Medien-Gerangel
Kirchs Pokerspiel und Springers Trumpf
Von Matthias Streitz
Im Duell mit dem Axel Springer Verlag greift Schuldenkönig Leo Kirch tief in die Trickkiste. Ein Gutachten und eine Klage sollen beweisen, dass Springers 800-Millionen-Option wertlos ist. Selbst dann hätte Springer noch ein Ass im Ärmel.
München/Hamburg - Der junge Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner hat dem 75-jährigen, halb blinden Potentaten aus München den Fehdehandschuh hingeworfen - und damit die Auftaktszene zu einem Thriller um Geld, Macht und Millionen geschrieben, wie sie die deutsche Medienszene selten erlebt hat. In den kommenden Wochen werden Springer und Kirch alle Kniffe nutzen, die das Gesetz hergibt, alle Kontakte in den höchsten Etagen der Macht auszuspielen versuchen.
Schröders Telefonate
Schon wird spekuliert, Kanzler Schröder habe die Rettung des Kirch-Imperiums als Chefsache deklariert. "Fast täglich" telefoniere Schröder deshalb mit Rolf Breuer, dem scheidenden Chef der Deutschen Bank, einem wichtigen Kreditgeber Kirchs, schreibt die "Süddeutsche Zeitung".
... Wenn die Option wertlos wäre, hätte Kirch aber kaum Woche um Woche mit Springer um Zahlungsaufschub gestritten.
Mehr als ein paar Wochen Zeitgewinn würden für Kirch auch dann kaum herausspringen, wenn er Döpfner auf legale Weise um die Millionen bringt. Denn wenn Springer-Chef Döpfner seinen Anteil an ProSiebenSat.1 nicht los wird - dann säße weiter der Kuckuck Springer in Kirchs Nest. Das könnte sich rächen, denn Springer wäre wohl in der Lage, Kirchs überlebenswichtige Börsenpläne zu torpedieren. ... Minderheitseigner der KirchMedia, denen der Münchner Unternehmer einen raschen Börsengang zugesagt hat, könnten dann ihren Einsatz zurückfordern. Solche Geldforderungen sind das Letzte, was Kirch derzeit braucht.
Schafft Döpfner, was Axel Springer nicht gelang?
... Manch einer glaubt nun, der junge Springer-Chef wolle die Chance nutzen, den ungeliebten Münchner ein für allemal aus dem Verlagsreich zu verbannen - auch um den Preis einer Pleite Kirchs. Kirch hatte sich 1985 nur gegen den langen Widerstand des Verlagsgründers Axel Caesar Springer bei den Hamburgern einkaufen, sich 40 Prozent der Anteile einverleiben und einen Posten im Aufsichtsrat sichern können. Springer-Sprecher betonen zwar, "ein Herausdrängen von Kirch aus dem Springer-Gesellschafterkreis steht überhaupt gar nicht zur Debatte". Doch das ist nur wenig glaubhafter als die Springer-Aussage, man sei "nicht auf Konfrontationskurs" zu Kirch gegangen. Beobachter trauen Döpfner jedenfalls zu, dass er die Monate vor seiner Amtsübernahme im Januar damit verbrachte, seine Strategie gegen Kirch im Details durchzuplanen. .... Und selbst wenn Kirchs Unternehmen bis zum Sommer nicht zerfallen ist oder von der Konkurrenz gefressen wurde, könnte der Australo-Amerikaner Rupert Murdoch den lachenden Dritten mimen: Der Gründer und Chef von News Corp., ganz im Gegensatz zu Kirch mit einer vollen Kriegskasse gerüstet, hat eine Option, Kirch Anteile zum Preis von 1,8 Milliarden zurückzuverkaufen. Die infame Strategie, Kirch erst in die Pleite zu treiben, um seine Gruppe dann billig schlucken zu können, ist Murdoch durchaus zuzutrauen.
Stoibers Sorgen
... auch Edmund Stoiber hat ein Interesse daran, dass Kirch nicht in den Bankrott stürzt. Stoibers Regierung hat stets behagt, wie Kirch München zu einem der wichtigsten Medien-Metropolen Deutschlands emporgehoben, für ehrgeizige Projekte wie Premiere Arbeitsplätze geschaffen hat. Mit dem Medien-Idyll an der Isar aber dürfte es vorbei sein, wenn Kirch seine Kredite von wohl zwei Milliarden Euro nicht an die halbstaatliche Bayerische Landesbank (BLB) zurückzahlen kann. Als andere Kredithäuser abwinkten, weil sie Angst umtrieb, Kirch könnte sich verspekulieren, stand die BLB fest auf der Unterstützerseite. Stoiber selbst sitzt zwar nicht im Kreditausschuss der Staatsbank - dafür aber sein Finanzminister Kurt Faltlhauser.
Ein Finanzdebakel bei einer öffentlich-rechtlichen Bank hat im letzten Jahr schon den Unions-Landeschef Eberhard Diepgen das Amt gekostet. Nur wollte Diepgen nicht Kanzler werden.
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DER SPIEGEL 6/2002 - 04. Februar 2002 http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,180483,00.html
Medien
Murdoch droht Kirch
Jeder gegen jeden und alle gegen Leo Kirch? Im Krieg zwischen dem Medienhändler und dem Axel Springer Verlag geht es nicht nur um viel Geld. Das Milliarden-Monopoly kann die Neuordnung der gesamten deutschen Medienlandschaft einläuten.
... Seither herrscht Krieg zwischen dem Axel Springer Verlag und der Kirch-Gruppe, die seit 16 Jahren vielfältig miteinander verflochten sind. Die bislang dramatischste Auseinandersetzung zwischen Europas größtem Zeitungshaus ("Bild", "Welt" ) und Kirchs mächtigem TV-Reich (Sat.1, ProSieben, Premiere World) wird nicht nur die beteiligten Konzerne nachhaltig verändern.
Pressehäuser von Holtzbrinck bis zur WAZ-Gruppe äugen bereits auf die Filetstücke der angeschlagenen Kirch-Gruppe. Es geht nicht nur um Milliarden. Die gesamte Medienbranche der Bundesrepublik steht vor einem gewaltigen Umbau.
... Auf mindestens drei Ebenen wird derzeit gleichzeitig gespielt.
Ebene eins: Seit Kirch Geschäfte macht, riskiert er Kopf und Kragen. Doch mittlerweile hat sein Reich mehr Verbindlichkeiten, als es wert ist: rund sechs Milliarden Euro. Am schlimmsten drückt die Investitionsruine Premiere World. Insgesamt etwa vier Milliarden Euro ließ sich Kirch seinen Plan bisher kosten, die Deutschen mit digitalem Bezahlfernsehen zu beglücken. Doch Georg Kofler, der vierte Premiere-Geschäftsführer in zwölf Monaten, übernahm am Freitag das größte Sorgenkind im Konzern: Die Abonnentenzahl stagniert bei offiziell 2,4 Millionen. Allein 2001 machte das Unternehmen mehr als 800 Millionen Euro Verlust. "Eine Besserung ist nicht zu erwarten", heißt es beim Gesellschafter Rupert Murdoch.
Ebene zwei: In seiner Not holte sich Kirch 1999 den Wahlamerikaner ins Beiboot Premiere World. Murdoch übernahm zunächst 24 Prozent der Anteile. Motto: Wenn`s klappt, ist`s recht. Klappt`s nicht, bekommt Murdoch sein Geld samt Zins und Zinseszins wieder zurück. Es klappt nicht. Seither droht auch Murdoch, im Oktober zwei Milliarden Euro zurückzufordern - und Kirch sieht sich neuerdings als Spielball der Global Player. Murdochs größter Einzelaktionär ist John Malone. Der mächtige US-Kabelnetzbetreiber würde über Kirchs Bezahlfernsehen gern das deutsche TV-Geschäft kapern.
Ebene drei: 2002 wird ein hartes Wahljahr. Einerseits ist der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht daran interessiert, dass knochenkonservative Medien-Cowboys wie Murdoch und Malone die Kirch-Krise ausnutzen, um auf dem deutschen Meinungsmarkt Fuß zu fassen. Andererseits weiß Schröder längst um das Verletzungsrisiko seines Konkurrenten Edmund Stoiber (CSU), bei dessen Bayerischer Landesbank Kirch allein mit mindestens 2,2 Milliarden Euro in der Kreide steht. Fällt Kirch, dann strauchelt die Bank, dann erwischt es auch Stoiber.
Der Filmhändler selbst kann derzeit nur noch zusehen, wie sein Lebenswerk zu verglühen droht. Der 75-Jährige kam schon in den vorigen Wochen mit dem Löschen kaum mehr nach - so schnell loderten in seinem Imperium immer neue Flammen auf. Die Forderung von Springer ist nun der Großbrand, den er unbedingt verhindern wollte. ....
Immer mehr Kirch-Gläubiger wollen ihr Geld sehen. Schon vor Monaten wurden die Kirch-Leute deshalb bei Döpfner vorstellig. Denn auch mit Springer hatte der Münchner im Sommer 2000 ein folgenschweres Geschäft abgeschlossen: 767 Millionen Euro für Springers 11,5-Prozent-Anteil an ProSiebenSat.1. Nicht sofort, sondern frühestens zum 1. Februar 2002. .... "Wir waren ja zu einem Zahlungsaufschub bereit", sagt Georg Thoma, Partner der US-Kanzlei Shearman & Sterling, die Springer vertritt. Dies hätte aber einen marktgerechten Zinssatz erfordert. Schließlich seien dem Springer-Verlag und seinem 40-Prozent-Aktionär Kirch durchs Aktienrecht enge Grenzen gesetzt. Doch die Münchner verwehrten den Einblick in ihre Bilanzen. "Wir brauchten Transparenz", sagt Thoma, "wir müssen wissen, wie es bei unserem Schuldner aussieht."
Während man bei Kirch die Causa schon auf einem langen Instanzenweg bis zum Bundesgerichtshof sieht, gibt sich Thoma sicher: "Die Rechtslage ist eindeutig."
... Kommt der Deal durch die Kirchsche Zahlungsverweigerung nicht zu Stande, könnte Springer den für Juni geplanten Börsengang der KirchMedia AG torpedieren.
... auslaufenden 460-Millionen-Euro-Kredit bei der Dresdner Bank zu verlängern. Das Institut verlangte deutlich höhere Sicherheiten und hielt den Konzern am kurzen Zügel: Zuerst verlängerte es den Kredit nur bis Januar, gerade wurde die Gnadenfrist auf heftiges Drängen Kirchs noch einmal bis April geschoben.
Die HypoVereinsbank sah sich im Dezember gar zu einer in Bankenkreisen höchst ungewöhnlichen Aktion genötigt: Per Pressemitteilung verkündete das Institut zur Beruhigung der Anleger, sein Kirch-Engagement liege bei "weniger als 500 Millionen Euro". Tatsächlich sind es 460 Millionen.
Selbst auf erneute Schützenhilfe durch die bisher so zuverlässige Bayerische Landesbank, mit mindestens 2,2 Milliarden Euro größter Kirch-Gläubiger, kann das Unternehmen nicht mehr bauen. Die wiederholten Interventionen der Bayerischen Staatskanzlei zu Gunsten des konservativen Franken gelten in der Wahlkampfmannschaft von Edmund Stoiber längst als eine der größten Gefahrenpotenziale für den Kanzlerkandidaten. ... Kein Wunder also, dass man in der Kirch-Zentrale das Gefühl nicht mehr loswird, man befände sich "in einem Haifischbecken" - aber nicht als Fisch, sondern als Futter. Auf nichts und niemanden kann man sich mehr verlassen. Nicht auf die Bayern. Nicht auf die Banken. Und schon gar nicht auf den Axel Springer Verlag, in den sich Kirch seit Mitte der achtziger Jahre teils klammheimlich eingekauft hat.
Als er dem Aufsichtsrat 1987 deutlich machte, dass er bereits über 26 Prozent der Anteile und damit über eine Sperrminorität verfügte, herrschte vor allem bei den Springer-Erben blankes Entsetzen. Schließlich hatte der Verlagsgründer Axel Cäsar Springer Kirch einst einen "Kriminellen" genannt. ... Der frisch gebackene Springer-Chef Döpfner hofft nun, kräftig flankiert von der Verlegerwitwe Friede Springer, ihm könne mit der Kampfansage an Kirch gelingen, was vorher kein Vorstandsvorsitzender des Verlags schaffte: den ungeliebten Großaktionär endlich wieder loszuwerden.
Doch dass das Springer-Paket dann wieder beim Verlag landet, wie man dort hofft, ist keinesfalls gewiss. Denn längst mischen bei dem Medien-Monopoly noch ein paar andere Spieler mächtig mit.
Die Deutsche Bank etwa, bei der Kirch seine Springer-Anteile als Sicherheiten hinterlegt hat, sähe das Aktienpaket gern bei der WAZ-Gruppe - eine Lösung, die auch dem Kanzler gefallen würde. ...
Vor allem ein Spieler hat sich in den vergangenen Wochen aber lautstark zu Wort gemeldet: Rupert Murdoch. Der gebürtige Australier, der mit seiner News Corp. mittlerweile ein globales Mediennetzwerk lenkt, hat bei der Kirch-Gruppe noch einen weitaus gewaltigeren Hebel in der Hand als Springer-Chef Döpfner: seinen jetzigen 22-Prozent-Anteil an Premiere.
Schmerzhaft muss Kirch jetzt erfahren, wie sein Partner mal mit Zuckerbrot, mal mit Peitsche die Machtübernahme in München versucht. Längst hat der Tycoon dabei nicht mehr nur Appetit auf Premiere, wo Kirch ihn gern als "präferierten Partner" begrüßen würde. Murdoch, der bisher nur 2,5 Prozent am wichtigen Herzstück KirchMedia hält, will die Kontrolle über die letzten Schätze des strauchelnden Konzerns erobern.
... In harschen Tönen hat Arthur Siskind, Vizepräsident bei Murdochs News Corp., vergangenen Mittwoch finanzielle Ansprüche angemeldet. "News Corp. wäre sehr besorgt", schreibt Siskind in einem Brief an Kirch-Geschäftsführer Dieter Hahn, wenn Kirch ausgewählten Gläubigern oder Aktionären finanzielle Vorzüge gewährte, "ohne News Corp. vergleichbare Rechte einzuräumen". ... "Bitte nehmen Sie zur Kenntnis", heißt es in dem frostigen Schreiben ("Yours very truly" ), dass im Falle einer Kirch-Insolvenz "News Corp. alle geeigneten rechtlichen Mittel einlegen wird".
FRANK HORNIG, MARCEL ROSENBACH |