Thiel-Aktie arbeitet fleißig an ihrem Negativimage
21. Mai 2003 Wer die Entwicklung bei Thiel Logistik in den vergangenen Monaten und Jahren verfolgt hat, der wird sich die Frage stellen, welcher seriöse Anleger überhaupt noch Aktien dieser skandalumwitterten Gesellschaft hält. Viele der Meldungen waren jedenfalls so haarsträubend, daß es eigentlich schon seit langem keinen Sinn mehr machte, an dem Titel festzuhalten.
Ein Absturz, der den Kurs vom Hoch bei 52,50 Euro hinunter bis auf ein Tief von 2,30 Euro führte, legt ein beredtes Beispiel dafür ab, wie negativ die Entwicklung gewesen sein muß. Zuletzt hatte der Titel aber Anstalten gemacht, auf dem tiefen Kursniveau eine Stabilisierung zu proben. Ein neues Management nährte die Hoffnung, daß die turbulenten Zeiten nun erst einmal vorbei sind und der Logistik-Konzern in sanfteres Fahrwasser einschwenkt.
Diese Hoffnung sollte man zwar auch jetzt noch nicht völlig abschreiben, die neuesten Nachrichten aus dem Unternehmen bedeuten aber einen echten Rückschlag. Denn wie es vorbörslich in einer Ad hoc-Mitteilung hieß, ist der Logistikdienstleister im ersten Quartal trotz Umsatzanstieg operativ in die roten Zahlen gerutscht und hat sich gleichzeitig von seinen bisherigen Planung für das Gesamtjahr verabschiedet. Die Aktie reagiert darauf mit einem Minus von 10,39 Prozent auf 2,76 Euro.
Vorstand nimmt Abschied von den Jahreszielen
Daß der Kursabschlag zurecht eintritt, zeigt sich daran, daß in den ersten drei Monaten 2003 bei einem Umsatz von 413,8 (Vorjahr: 352,2) Millionen Euro ein Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 8,6 Millionen Euro nach einem Gewinn von 17,7 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum angefallen ist.
Auf Grund des enttäuschenden Quartals beurteile das neue Management die Planungen des früheren Vorstands für das Geschäftsjahr 2003 als „deutlich zu optimistisch". Nach derzeitigem Kenntnisstand seien konkrete Prognosen für Umsatz und Ergebnis nicht möglich. Gleichwohl sei das neue Managementteam davon überzeugt, 2003 im operativen Geschäft einen Gewinn auszuweisen, hieß es. Noch im März hatte Thiel auf Grund eines neuen Kooperationsvertrages mit dem Axel Springer Verlag sein Umsatzziel erhöht. Danach rechnete das Luxemburger Unternehmen in diesem Jahr mit einem Umsatz von 1,95 Milliarden Euro und einem operativen Gewinn von 40 Millionen Euro.
Entsetzen bei Analysten über die Hiobsbotschaft
Analysten äußerten sich entsetzt über die Prognosekorrektur und den vorgelegten Geschäftsbericht. „Das Management ist zum großen Teil immer noch konzeptionslos, die Umsetzung einer neuen Strategie hat anscheinend noch nicht mal begonnen", kritisierte ein Analyst.
Diese Bestandsaufnahme unterstreicht eigentlich schon, daß sich aktuell höchstens Spekulanten in dem Titel engagieren sollten, die darauf setzen, daß Thiel doch noch irgend wann die Kurve kriegt. Sollte die Wende zum Besseren gelingen, wäre das Unternehmen nach der vollzogenen Kursabstrafung sicherlich recht günstig zu haben. Dem Umsatz von fast zwei Milliarden Euro steht jedenfalls nur ein Börsenwert von rund 200 Millionen Euro entgegen.
Doch eine Wette auf bessere Zeiten enthält eben viele unbekannte Variablen, was Zurückhaltung aus Anlegersicht am Geschicktesten erscheinen lässt. Zumal auch charttechnisch gesehen nach dem herben Tagesverlust eher wieder ein Absturz in Richtung Rekordtief droht, als daß ein Ausbruch aus dem intakten Abwärtstrend winken würde.
Der Chart zeigt den Kursverlauf der Thiel Logistik-Aktie.
Die in dem Beitrag geäußerte Einschätzung gibt die Meinung des Autors und nicht die der F.A.Z.-Redaktion wider.
Text: @JüB
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