Kriegsjunkies

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eröffnet am: 07.08.06 15:23 von: von Wutzleb. Anzahl Beiträge: 3
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695 Postings, 6736 Tage von WutzlebenKriegsjunkies

Kriegsjunkies

von Uri Avnery
uri-avnery.de / ZNet Deutschland 05.08.2006


ES WAR für mich ein erschreckender Augenblick, als es mir wie Schuppen von den Augen fiel.

Ich hörte eine der täglichen Reden unseres Ministerpräsidenten. Er sagte: „Wir sind ein wunderbares Volk!“ Er sagte: „Wir haben diesen Krieg schon gewonnen, es ist der größte Sieg in der Geschichte unseres Staates.“ Und weiter: „Wir haben das Antlitz des Nahen Ostens verändert“. Und noch mehr in dieser Art.

Nun, sagte ich zu mir selbst, das ist eben Olmert.

Ich kenne ihn, seitdem er etwas über 20 Jahre alt war. Damals war ich Mitglied der Knesset und Olmert war ( buchstäblich) Aktenträger eines anderen Knessetmitgliedes. Seitdem habe ich seine Karriere verfolgt. Er war niemals mehr als ein Parteifunktionär, ein Schmalspur-Politiker, der sich auf Manipulationen spezialisierte, ein mittelmäßiger Demagoge. Zwischendurch wechselte er mehrfach die Parteien und diente als Bürgermeister von Jerusalem mit der Note „kaum genügend“, bis er sich der viel versprechenden Sache Ariel Scharons anschloss. Rein zufällig wurde ihm der leere Titel „Stellvertretender Ministerpräsident“ verliehen. Und als Scharon seinen Schlaganfall erlitt, geschah etwas, worüber Olmert selbst sehr überrascht war: er wurde Ministerpräsident. Während seiner ganzen Karriere blieb er durch und durch Zyniker, an sich vom rechten Flügel, aber auch bereit, gegenüber Linken vorzutäuschen, er sei ein Liberaler.

Also – sagte ich zu mir – das wird eine weitere zynische Rede sein . Doch plötzlich kam mir ein entsetzlicher Gedanke: „Nein, der Mann glaubt tatsächlich, was er sagt.!“

Man kann es sich kaum vorstellen, aber anscheinend glaubt Olmert wirklich, dies sei ein erfolgreicher Krieg, den er gewinnen werde; er habe radikal die Situation Israels verändert; er sei dabei, den Neuen Nahen Osten zu bauen; er sei ein historischer Führer und Ariel Scharon weit überlegen, ( der ja immerhin im Libanon besiegt worden war und der der Hisbollah gestattete, ihr Raketenarsenal aufzubauen) . Je länger es ihm erlaubt sei, mit diesem Krieg fortzufahren, um so mehr werde sein Ansehen bei zukünftigen Historikern wachsen.

Ehud Olmert hat offensichtlich jeglichen Kontakt mit der Realität verloren. Er lebt in einer selbst geschaffenen Seifenblase. Seine Reden zeigen, dass er ein echtes Problem hat.

Von allen Gefahren, denen Israel jetzt ausgesetzt ist, sind es diese, die man am ernstesten nehmen sollte. Denn dieser Mann entscheidet ganz einfach über das Schicksal von Millionen: wer sterben, wer Flüchtling, wessen Welt zerschmettert werden wird.

ABER OLMERTS Problem mit dem Größenwahnsinn ist nichts im Vergleich zu dem, was mit Amir Peretz geschehen ist.

Genau vor neun Monaten nach der Wahl zum Laborpartei-Vorsitzenden, hielt Peretz in Tel Aviv auf dem Rabin-Platz eine Rede und verriet seinen Traum: im Niemandsland zwischen Israel und dem Gazastreifen solle ein Fußballfeld gebaut werden, und ein Fußballspiel solle zwischen der israelischen Jugend von Sderot und der palästinensischen Jugend des nahen Bet Hanoun stattfinden. Ein israelischer Martin Luther King!

Neun Monate später wurde uns ein Monster geboren.

Bei der Knesset-Wahlkampagne erschien Peretz wie ein sozialer Revolutionär. Er verkündigte, er wolle das Antlitz der israelischen Gesellschaft verändern, die nationalen Prioritäten neu festlegen, Milliarden Schekel des Militärbudgets der Bildung, Erziehung, Wohlfahrt zukommen lassen und dafür sorgen, dass die Kluft zwischen den Reichen und Armen kleiner werde. Als alter Friedensanhänger würde er natürlich Frieden mit den Palästinensern und der ganzen arabischen Welt anstreben.

Dies ließ ihn die Stimmen vieler Bürger gewinnen, einschließlich vieler, die normalerweise nicht daran gedacht haben, jemals Labor zu wählen.

Was dann folgte, ist Geschichte. Er verführte sich selbst, als Olmert ihm das Verteidigungsministerium anbot. Das war Olmert, der Zyniker. Er wusste - genau wie wir - dass Peretz in eine Falle tappt, dass er als reiner Zivilist ohne ernsthafte militärische Erfahrungen, zur leichten Beute der Generäle werden würde. Aber Peretz schrak nicht zurück. Das höchste Ziel seines Lebens ist, Ministerpräsident zu werden, und um ein glaubwürdiger Kandidat zu sein, glaubte er, er müsse sich selbst als Sicherheitsexperte präsentieren.

Seitdem ist Peretz zum Oberkriegstreiber geworden. Nicht nur, dass er alle Forderungen der Generäle unterstützt, nicht nur dass er als ihr Sprecher fungiert – er hat auch mitgeholfen, Israel in den Krieg zu treiben. Seitdem fordert er, der Krieg solle fortgesetzt, ausgedehnt und vergrößert werden, es solle mehr getötet, mehr zerstört, mehr besetzt werden. Er erklärte selbst: „Nasrallah wird niemals den Namen Amir Peretz vergessen!“ – wie ein verwöhntes Kind, dass seinen Namen in eine Touristenattraktion einritzt.

Im Augenblick versucht er sogar, extremer als Olmert zu sein. Während der Ministerpräsident zögert, weiter zu gehen und um die zu vielen Todesfälle durch Raketen und durch Gefechte auf dem Boden besorgt ist, die ihm womöglich den Siegesglanz verdunkeln könnten. Peretz will den Litani-Fluss erreichen, was immer es auch kosten mag. Da gibt es keinen anderen Weg, falls man Ministerpräsident werden will: man muss über Leichen gehen.

So ist uns also ein Monster geboren worden. Rosemaries Baby.

HEUTE, AM 25. Kriegstag können wir eine interne Bilanz ziehen. Was waren die Ziele? Welches sind die Ergebnisse?

„Die Hisbollah zu zerstören“

Wer würde gedacht haben, dass die Hisbollah am 25. Tag noch immer stehen und kämpfen würde? Ein paar tausend Kämpfer gegen die fünfstärkste Armee der Welt. Keiner spricht mehr davon, sie zu eliminieren. Weder Olmert, noch Peretz und Dan Halutz auch nicht – der dritte im unheiligen Bunde.

„Die Hisbollah schwächen“

Das ist eine verwässerte Version des ersten Zieles. Sie eignet sich besser; denn sie kann nicht nachgemessen werden. Jedenfalls werden in einem Krieg beide Seiten geschwächt. Menschen werden getötet und verwundet, Waffen werden zerstört, Installationen vernichtet. Doch während die israelische Armee eine Division nach der andern mobilisieren kann, und die Amerikaner sich beeilen, noch mehr Bomben zu liefern - können die Hisbollah denn solche Verluste verkraften?

Keiner weiß, wie viele Kämpfer die Organisation verloren hat. Die israelische Armee verteilt Schätzungen, ohne sie beweisen zu können. Die Libanesen sprechen von viel kleineren Zahlen und haben auch keine Beweise. Aber das ist nicht die Hauptsache. Eine Organisation wie die Hisbollah hat kein Problem, immer mehr Freiwillige für den „Heiligen Krieg“ zu gewinnen. Egal wie hoch ihre Verluste sein mögen, nach dem Krieg wird die Organisation so viele neue Kämpfer trainieren, wie nötig sind. Ihr Arsenal wird sich mit neuen Waffen wieder auffüllen, die aus dem Iran und Syrien kommen . Die Grenze ist lang. Es ist unmöglich, sie völlig abzuriegeln.

„Die Hisbollah von der Grenze entfernen“

Das ist ein zusammengeschrumpftes Ziel, nachdem die beiden vorausgegangenen Ziele sich als unerreichbar erwiesen haben - ist auch dieses Ziel unerreichbar. Die meisten Hisbollah-Kämpfer kommen aus der lokalen Bevölkerung der südlibanesischen Städte und Dörfer. Sie werden auch weiterhin dort sein, offen oder getarnt. Keine internationale Kraft wird dies verhindern können, und die libanesische Armee sicher auch nicht.

Die Raketen können weiter weg entfernt werden. Wie viele Kilometer? Zehn? Zwanzig? Das wird die Bedrohung Nahariyas, Haifas oder Tel Avivs nicht beeinträchtigen – besonders, seitdem die Reichweite der Raketen jedes Mal größer wird, wenn technisch noch weiter entwickelte Typen ankommen.

„Hassan Nasralla töten“

Im Augenblick scheint es, als sei der Bericht über seinen Tod eine Übertreibung gewesen, um Mark Twain zu zitieren. Als eine Art Parodie der Entebbe-Aktion wurde Nasrallah aus einem Krankenhaus in Baalbek gezogen – aber es war ein anderer Hassan Nasrallah. Uups!

In der Zwischenzeit lebt und blüht der echte Nasrallah. Verglichen mit den kitschigen Reden Olmerts mit den endlosen Klischees und der auf den Tisch schlagenden Faust, erlebt man den Hisbollahführer als sachlichen Redner, maßvoll und meist auch ziemlich glaubwürdig.

„Der israelischen Armee wieder das Abschreckungspotential zurückgeben.“

Keiner zweifelt daran, dass die israelische Armee eine gute, professionelle Armee ist, die fähig ist, reguläre Armeen zu besiegen. Aber dieser Krieg beweist, dass sie nicht in der Lage ist, eine militärische Entscheidung gegen eine fähige Guerillaorganisation mit entschlossenen Kämpfern zu erreichen. Wenn die Hisbollah nach 25 Tagen noch lebt und kräftig ausschlägt, dann ist die Abschreckung der israelischen Armee geschwächt worden – was immer auch von jetzt an geschehen mag.

Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen hat der Krieg die Sicherheit Israels beschädigt. Er hat bewiesen, dass Israels Etappe einer Gefahr preisgegeben ist, dass die Hisbollahkämpfer keinesfalls den israelischen Soldaten unterlegen sind, dass es kein De-Luxe-Krieg ist, dass die Luftkräfte nicht ohne die Landtruppen gewinnen können. Nicht einmal – wie hier - unter idealen Voraussetzungen, wenn die andere Seite so gut wie keine Luftverteidigung hat.

Einige trösten sich mit dem Gedanken, „die Araber haben gesehen, dass wir wahnsinnig werden können“. Wir reagieren auf eine kleine lokale Provokation mit einer Mord- und Zerstörungsorgie, zerstören ganze Länder und laufen eine Art nationalen Amok. Aber Amok laufen ist keine Politik. Es löst kein einziges Problem. Es ist ein unkontrollierter Reflex. Es erlaubt kein vernünftiges Denken. Dies erlaubt der andern Seite, uns durch vorausgeplante Provokationen zu manipulieren.

„Eine internationale Truppe an der Grenze entlang aufstellen.“

Dies ist eine Art Notlösung, nachdem die andern Ziele in Rauch aufgegangen sind. Zu Beginn des Krieges war Olmert energisch gegen solch eine Truppe, weil sie die Bewegungsfreiheit der israelischen Armee einschränken würde. Es ist klar, dass keine internationale Truppe kommen wird, solange vor Ort keine Waffenruhe herrscht und kein Abkommen mit der Hisbollah erreicht sein wird. Niemand will sich einem Kreuzfeuer aussetzen. Deshalb müssen diese Kräfte auch den Interessen der Hisbollah dienen, sonst beginnt ein Guerillakrieg gegen sie. Sind deswegen all die Opfer gemacht worden?

„Wir werden eine neue Situation im Nahen Osten schaffen.“

Das Ziel ist tatsächlich erreicht worden – aber nicht in der Weise, die Olmert es sich (und uns) erzählte. Die weitreichenden Kriegsfolgen werden nicht unmittelbar wahrgenommen. Sie gehören zur Kategorie, die Bismarck als „Imponderabilien“ definierte – Dinge, die man weder wiegen noch messen kann.

Zehn Millionen Araber und hundert Millionen Muslime sehen jeden Tag auf ihren Fernsehschirmen die entsetzlichen Bilder der zermalmten Babys, die Anblicke der schrecklichen Zerstörung. Das wird sich tief ins Bewusstsein der Massen einprägen und wird eine Menge Zorn und Hass anhäufen, der viel gefährlicher sein wird als ein Arsenal von Raketen. In diesen 25 Tagen werden Tausende von Selbstmordattentätern neu geschaffen. Und so wie die Gestalt Nasrallahs als Held der arabischen Welt wächst, so wird die Achtung vor den „moderaten“ arabischen Regimen abnehmen - genau die Regime, auf die die USA und Israel angewiesen sind, um den Neuen Nahen Osten aufzubauen.

NACH DEM 25. Tag wird der 26. kommen und noch ein Tag und noch einer. Präsident Bush, der uns in diesen Krieg gestoßen hat, treibt uns an, weiter zu machen ( „bis zum letzten israelischen Soldaten“ – wie man sagt) Genau wie Olmert, lebt er in einer Phantasiewelt.

Bush, Olmert & Co. können die Massen anstacheln und hinter sich sammeln, bis der Ruf „Der Kaiser ist ja nackt!“ empfängliche Ohren erreicht.

Eine der scheußlichsten Ansichten des Krieges ist das Bild der internationalen Diplomaten, die alles taten, um Olmert und Co in die Lage zu setzen, mit dem Krieg fortzufahren. Die UN ist seit langem ein Agent des Weißen Hauses geworden. Heuchelei und Scheinheiligkeit haben einen großen Tag, während auf beiden Seiten der Grenze Leben zerstört und Tote beerdigt wurden.

Olmert will so viele Tage wie möglich für die Fortsetzung des Kampfes „gewinnen“. Was wird unser Gewinn sein? Wir erobern den Südlibanon, wie Fliegen die Fliegenfalle erobern. Generäle präsentieren Landkarten mit eindruckvollen Pfeilen und zeigen, wie die Hisbollah nach Norden gedrängt wird. Das wäre überzeugend – wenn wir von der Frontlinie eines Krieges mit einer regulären Armee reden würden, so wie sie es in der Militärakademie gelernt haben. Aber dies ist ein völlig anderer Krieg. Im eroberten Gebiet bleiben die Hisbollahleute, und unsere Soldaten sind Angriffen ausgesetzt, wie die Hisbollah sie von ihrem ersten Tag an mit Erfolg ausgeführt hat.

Wir werden also bis an den Litani-Fluss gehen. Danach gibt es wiederum einen Fluss und noch einen Fluss. Der Libanon hat eine Menge Flüsse, an die wir gelangen können.

Vielleicht würde es sich für diese beiden Junkys, Olmert und Peretz, lohnen, von ihrem Rausch aufzuwachen, und die Landkarte zu studieren.

http://www.zmag.de/artikel.php?id=1887  

07.08.06 15:27
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24466 Postings, 7139 Tage EinsamerSamariterGeschrieben von ... Uri Avnery ...

Uri Avnery vertritt seit 1948 die Idee des israelisch-palästinensischen Friedens und die Koexistenz zweier Staaten: des Staates Israel und des Staates Palästina, mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt. Uri Avnery schuf eine Weltsensation, als er mitten im Libanonkrieg (1982) die Front überquerte und sich als erster Israeli mit Jassir Arafat traf. Er stellte schon 1974 die ersten geheimen Kontakte mit der PLO-Führung her.

Quelle: http://www.uri-avnery.de/

Euer

   Einsamer Samariter

 

07.08.06 15:28
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695 Postings, 6736 Tage von WutzlebenWeil man nur mit Feinden Frieden macht

Der Dolchstoß in den Rücken
von Uri Avnery


DER TAG nach dem Krieg wird der Tag des Dolchstoßes sein.

Jeder wird jedem die Schuld geben. Die Politiker werden einander beschuldigen. Die Generäle werden einander beschuldigen Die Politiker werden die Generäle beschuldigen. Und vor allem werden die Generäle die Politiker beschuldigen. In jedem Land und nach jedem Krieg, in dem die Generäle versagten, wird die Legende vom „Dolchstoß in den Rücken“ wieder laut. Wenn doch nur die Politiker die Armee nicht in dem Augenblick gestoppt hätten, als sie gerade im Begriff war, einen großartig historischen Sieg zu erringen... Dies geschah in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg, als durch diese Legende die Nazibewegung geboren wurde. Dies geschah in Amerika nach dem Vietnamkrieg. Das ist es, was jetzt hier geschieht. Man kann es schon spüren.

DIE SIMPLE Wahrheit ist die, dass bis jetzt, am 22. Tag des Krieges, kein einziges militärisches Ziel erreicht worden ist. Derselben Armee, die 1967 in nur sechs Tagen drei große arabische Armeen vernichtend geschlagen hat, ist es nicht gelungen, eine kleine „Terroristenorganisation“ in einem Zeitraum zu besiegen, der sogar schon länger als der folgenschwere Yom Kippur-Krieg ist. Damals hatte die Armee in nur 20 Tagen Erfolg, nachdem sie eine niederschmetternde Niederlage am Anfang schließlich in einen großartigen militärischen Sieg verwandelte.

Um den Eindruck zu erwecken, etwas erreicht zu haben, behauptete der Militärsprecher gestern, dass „es uns gelungen sei, 200 ( oder 300 oder 400 – wer zählt sie schon?) der 1000 Hisbollahkämpfer zu töten. Die Behauptung, dass die ganze schreckliche Hisbollah aus 1000 Kämpfern besteht, spricht allein schon Bände.

Nach Korrespondentenberichten ist Bush frustriert. Die israelische Armee hat nicht die „Ware geliefert“ . Bush hat sie im Glauben in den Krieg geschickt, dass sie eine mächtige Armee sei, die mit den neuesten und besten amerikanischen Waffen ausgerüstet den „Job in wenigen Tagen erledigen“ werde. Sie sollte die Hisbollah eliminieren, den Libanon einer Marionettenregierung der USA vermachen, den Iran schwächen und vielleicht auch den Weg zu einem „Regimewechsel“ in Syrien vorbereiten. Kein Wunder, dass Bush so ärgerlich ist.

Ehud Olmert ist sogar noch wütender. Er ging in gehobener Stimmung und mit leichtem Herzen in den Krieg, weil die Generäle der Luftwaffe versprochen hatten, die Hisbollah und deren Raketen innerhalb weniger Tage zu zerstören. Nun steckt er im Dreck – und kein Sieg ist in Sicht.

WIE GEWÖHNLICH beginnt mit dem Ende der Kämpfe ( möglicherweise schon früher) bei uns der Krieg der Generäle. Die Frontlinien tauchen schon auf.

Die Kommandeure der Landarmee beschuldigen den Generalstabschef und die machtbesessene Luftwaffe, die versprochen hatten, den Sieg alleine zu erlangen. Bombardements über Bombardements von Straßen, Brücken, Wohnvierteln und Dörfern – dann Schluss! Die Jünger des Generalstabschefs und der anderen Luftwaffengeneräle werden den Landkräften die Schuld geben und besonders dem Kommando Nord. Ihre Sprecher in den Medien erklärten schon, dass dieses Kommando voll unfähiger Offiziere sei, die man dorthin abgeschoben habe, weil im Norden nichts los wäre, während die wirklichen Aktionen im Süden (Gaza) und im Zentrum (Westbank) passierten.

Da gab es schon Andeutungen, dass der Chef des Kommando Nord General Udi Adam für diesen Job bestimmt worden sei – allein als Hommage gegenüber seinem Vater, dem General Kuti Adam, der im 1. Libanonkrieg getötet worden war.

DIE GEGENSEITIGEN Beschuldigungen sind alle berechtigt. Dieser Krieg ist voll militärischer Fehlschläge - von der Luft aus, auf dem Land und von See aus.

Sie hängen mit der schrecklichen Arroganz zusammen, mit der wir erzogen wurden und die zu einem Teil unseres nationalen Charakters wurde. Sie ist besonders typisch für die Armee - am meisten aber bei der Luftwaffe .

Seit Jahren erzählten wir einander, dass wir die aller-aller-allerbeste Armee der Welt hätten. Wir waren nicht nur selbst davon überzeugt, sondern auch Bush und die ganze Welt. Wir hatten einen großartigen Sieg im Sechs-Tage-Krieg gewonnen. Als dieses Mal die Armee nicht innerhalb von sechs Tagen einen großen Sieg erlangte, war deshalb jeder erstaunt . Was war nur geschehen?

Eines der erklärten Ziele dieses Krieges war die Rehabilitation der Abschreckung der israelischen Armee. Das ist so nicht geschehen.

Denn die andere Seite der Medaille - der Arroganz - ist die tiefe Verachtung gegenüber den Arabern, eine Haltung, die schon in der Vergangenheit zu Fehlschlägen geführt hat. Es genügt, an den Yom Kippur-Krieg zu erinnern. Nun erfahren unsere Soldaten auf schmerzliche Weise, dass die „Terroristen“ hoch motivierte, tapfere Kämpfer sind und keine Junkys, die von „ihren“ Jungfrauen im Paradies träumten.

Aber abgesehen von der Arroganz und der Verachtung für den Feind, gibt es ein grundsätzlich militärisches Problem: es ist einfach unmöglich, einen Krieg gegen Guerillas zu gewinnen. Wir haben dies während der 18 Jahre Besetzung im Libanon erfahren. Dann zogen wir endlich die Schlussfolgerung und gingen. Zwar ohne Verstand und ohne Abkommen mit der andern Seite (Wir sprechen ja nicht mit Terroristen ... auch dann nicht, wenn sie vor Ort die vorherrschende Macht sind ) Doch wir gingen.

Weiß Gott, wer den heutigen Generälen das unbegründete Selbstvertauen gab, das ihnen eingab, sie würden dort gewinnen, wo ihre Vorgänger elendiglich gescheitert waren.

Und das Wichtigste : selbst die beste Armee der Welt kann keinen Krieg gewinnen, der kein klares Ziel hat. Karl von Clausewitz, der Lehrmeister der Militärwissenschaften hat es folgendermaßen formuliert: „Der Krieg ist nichts anderes als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Olmert und Peretz, zwei absolute Dilettanten, haben dies auf den Kopf gestellt: „Der Krieg ist nichts anderes als die Fortsetzung des Mangels an Politik mit anderen Mitteln.“

MILITÄREXPERTEN sagen, um in einem Krieg Erfolg zu haben, muss es (a) ein klares Ziel geben, es muss (b) ein erreichbares Ziel sein, und (c) es müssen die nötigen Mittel dafür vorhanden sein.

Alle drei Vorbedingungen fehlen in diesem Krieg. Das ist die Schuld der politischen Führung. Deshalb sollte die Hauptschuld den Zwillingen, Olmert-Peretz , angelastet werden. Sie waren der Versuchung des Augenblicks erlegen und führten den Staat in einen Krieg, in eine Entscheidung, die voreilig, unüberlegt und fahrlässig war.

Nehemia Strassler schrieb in Haaretz: Sie hätten den Krieg nach zwei oder drei Tagen stoppen können, als alle Welt darin übereinstimmte, dass Hisbollahs Provokation eine israelische Antwort rechtfertigte, als noch keiner an den Fähigkeiten der israelischen Armee zweifelte. Die Operation hätte sensibel, sachlich und verhältnismäßig ausgesehen.

Aber Olmert und Peretz konnten nicht aufhören. Als Greenhorns in Kriegsangelegenheiten wussten sie nicht, dass man sich nicht auf die Prahlerei der Generäle verlassen kann, dass selbst die besten militärischen Pläne das Papier nicht wert sind, auf denen sie geschrieben sind, dass im Krieg das Unerwartete erwartet werden muss und dass nichts so schnell vergeht wie Kriegsruhm. Sie waren berauscht von der Popularität des Krieges, sie waren von einer Herde katzbuckelnder Journalisten angestachelt worden, die wegen des Feldherrenruhms ihren Verstand verloren hatten.

Olmert wurde von seinen eigenen unglaublich kitschigen Reden begeistert, die er mit seinen Handlangern einstudiert hatte. Peretz schien vor einem Spiegel zu stehen und sich schon als nächsten Ministerpräsidenten, Mister Sicherheit und als zweiten Ben Gurion, zu sehen .

Und so marschierten sie wie zwei Dorftroddel beim Klang von Trommeln und Trompeten an der Spitze eines Marsches von Toren geradewegs in eine politische und militärische Panne.

Es wäre verständlich, wenn sie nach dem Krieg den Preis werden zahlen müssen.

WAS WIRD die Folge dieses Schlamassels sein?

Keiner redet mehr über die Eliminierung der Hisbollah, von ihrer Entwaffnung oder der Zerstörung aller Raketen. Das hat man längst vergessen.

Zu Beginn des Krieges wies die Regierung den Gedanken weit von sich, eine internationale Truppe entlang der Grenze aufzustellen. Die Armee war der Überzeugung, dass solch eine Truppe Israel nicht schützen würde, sondern nur ihren Handlungsspielraum einschränken werde. Auf einmal ist die Aufstellung solch einer Truppe zum Hauptziel der Feldzugs geworden. Die Armee fährt mit ihrer Operation nur fort, „um die Grundlage für die internationale Truppe vorzubereiten“, und Olmert erklärt, dass der Kampf so lange weitergehen soll, bis diese Truppe vor Ort erscheint.

Das ist natürlich ein erbärmliches Alibi, eine Leiter, mit der man vom hohen Baum wieder heruntersteigen kann. Die internationale Truppe kann nur in Übereinstimmung mit der Hisbollah aufgestellt werden. Kein Land wird Soldaten an einen Ort schicken, wo sie die Einheimischen würden bekämpfen müssen. Und überall werden die lokalen Schiiten in ihre Dörfer zurückkehren – und zusammen mit ihnen auch die Hisbollahuntergrundkämpfer.

Außerdem ist die Truppe total vom Einverständnis der Hisbollah abhängig. Falls eine Bombe unter einem Bus voll französischer Soldaten in die Luft gehen sollte, wird ein Schrei durch Paris gehen: bringt unsere Söhne heim! Das geschah, als 1984 die US-Marines in Beirut bombardiert wurden.

Die Deutschen, die die Welt in dieser Woche damit schockierten, weil sie gegen eine Waffenpause waren, werden sicher keine Soldaten an die israelische Grenze schicken. Es wäre gerade das, was sie noch bräuchten: gezwungen zu werden, auf israelische Soldaten zu schießen.

Und noch wichtiger: nichts wird die Hisbollah daran hindern, jederzeit, wenn sie will, ihre Raketen über die Köpfe einer internationalen Truppe zu schicken . Was sollte die internationale Truppe denn dann machen? Das ganze Gebiet bis Beirut erobern? Und wie wird Israel reagieren?

Olmert will, dass die Truppe die libanesisch-syrische Grenze kontrolliert. Auch das ist illusorisch. Die Grenze ist lang. Sie geht im ganzen Westen und Norden des Libanon entlang. Jeder, der Waffen schmuggeln will, wird dies nicht über die Hauptstraßen tun, die von internationalen Soldaten kontrolliert werden. Er wird Hunderte von Möglichkeiten entlang der Grenze finden. Mit der angemessenen Bestechung kann man im Libanon alles erreichen.

Deshalb werden wir nach dem Krieg mehr oder weniger an derselben Stelle wie vorher stehen, bevor wir mit diesem Abenteuer begonnen haben, vor der Tötung von fast tausend Libanesen und Israelis, vor der Vertreibung von mehr als einer Million Menschen aus ihren Häusern, Libanesen und Israelis, vor der Zerstörung von mehr als eintausend Wohnungen im Libanon und in Israel.

NACH DEM Krieg wird die Begeisterung sich beruhigen: die Einwohner des Nordens werden ihre Wunden lecken, und die Armee wird beginnen, ihre Fehlschläge zu untersuchen. Jeder wird behaupten, dass er oder sie von Anfang an gegen diesen Krieg war. Dann wird der Tag des Gerichts kommen.

Die Schlussfolgerung, die sich von alleine stellt: werft Olmert aus seinem Amt, schickt Peretz nach Hause und entlasst Halutz.

Um einen neuen Kurs einzuschlagen, den einzigen, der das Problem lösen wird: Verhandlungen und Frieden mit den Palästinensern, den Libanesen und des Syrern - und mit der Hamas und der Hisbollah.

Weil man nur mit Feinden Frieden macht.


http://www.zmag.de/artikel.php?id=1880

 

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