Am Freitag beginnt die Fußball-Bundesliga. Erstmals bietet auch die Telekom Live-Spiele über Internet-Fernsehen an. Statt eines Massenerfolgs droht jedoch ein Minderheitenprogramm
von Hans Sedlmaier, Euro am Sonntag
Am Freitag beginnt die Fußball-Bundesliga. Um ihrem neuen, schnellen VSDL-Angebot zum Durchbruch zu verhelfen, bietet die Deutsche Telekom alle Spiele live über Internet-TV an. Doch statt eines Massenerfolgs wird es ein Minderheitenprogramm. von Hans Sedlmaier
Wenn der Schiedsrichter am Freitag um 20.45 Uhr in der Münchner Allianz Arena das Spiel FC Bayern gegen Dortmund anpfeifft, dann ist das erste Tor dieser 44. Fußball-Bundesliga schon gefallen: Es ist ein bitteres Eigentor des Ligasponsors Deutsche Telekom. "Keine tausend Zuschauer" prophezeit ein Insider dem Rosa Riesen zum Start seines Angebots, über Internet-Fernsehen (IP-TV) alle 612 Spiele der 1. und 2. Bundesliga live zu übertragen. Die Telekom selbst nennt keinerlei Kundenzahlen. Dabei wollte der Ex-Monopolist zum Bundesligastart für die mit seinem Angebot derzeit erreichbaren 3,3 Millionen Haushalte ein neues Medienzeitalter einläuten, so T-Com-Chef Walter Raizner noch vor zwei Wochen. Bereits bis Jahresende sollen sechs Millionen Haushalte in den deutschen Ballungsgebieten mit dem superschnellen VDSL-Netz versorgt sein, über das die Telekom ihr Produkt "T-Home" in die Wohnzimmer schicken will.
T-Home ist das Kernstück der Deutschen Telekom in einem dramatischen Kampf um die Kunden. Konzernchef Kai-Uwe Ricke steht dabei unter enormem Druck: Schließlich kündigen jedes Quartal 500 000 Kunden ihren Festnetzanschluß und wechseln zur Konkurrenz. Gleichzeitig hat die technische Entwicklung dazu geführt, daß man über die aufgerüsteten alten Kabel viel mehr als bisher in die Wohnungen bringen kann. Sowohl über eine Telekomleitung als auch über die Anschlüsse der Kabelnetzbetreiber geht alles glei chzeitig: Glotzen, Klönen und im Netz herumklicken.
Im Zentrum aller Überlegungen steht eine Dreifach-Strategie – im Fachjargon Triple Play genannt –, die Fernsehen, schnelles Internet und Telefonie umfasst. Das Ziel der Telekom, aber auch ihrer Kabel-Konkurrenten, wie Kabel Deutschland (KDG): Man muss den Kunden dazu bringen, alle Dienste nur noch über das eigene Kabel zu nutzen. Schließlich kann man so deutlich mehr an ihm verdienen und ihn gleichzeitig enger ans Unternehmen binden. Die Telekom kann dann nicht mehr nur Telefon- und Online-Gebühren kassieren, sondern sich ihr neues Fernsehangebot teuer bezahlen lassen – vor allem, wenn der Kunde zusätzliche Bezahlformate bestellt. Die Kabelbetreiber dagegen können zu ihrer monatlichen TV-Gebühr noch eine Rechnung für Internet- und Telefonnutzung stellen. Mit ihrem Produkt T-Home will die Deutsche Telekom die Konkurrenz wieder auf Abstand bringen. Schließlich hat beispielsweise Hansenet bereits im Mai regional begrenzt mit Alice homeTV ihr eigenes Triple-Play-Angebot gestartet, das zum Telefon und Internetzugang auch 60 TV-Sender anbietet.
"Wir schaffen eine ganz eigene Erlebniswelt", hatte Kai-Uwe Ricke vollmundig versprochen. T-Home soll nicht nur Telefonieren und schnelles Surfen ermöglichen und über hundert TV-Kanäle ins Wohnzimmer liefern, sondern auch Filme nach Bedarf (Video on Demand), zeitversetztes Sehen von Sendungen ermöglichen und – vor allem – interaktiv sein. Das heißt: Der Zuschauer kann über einen Rückkanal auf das Programm Einfluß nehmen. Er könnte so etwa direkt mitwetten, ob ein Kandidat bei "Wer wird Millionär?" weiterkommt oder tippen, welcher Kandidat am Ende die Million holen wird.
Doch von dem groß angekündigten Internet-Angebot T-Home ist bisher nicht mehr zu hören und sehen als ein wenig Bezahlfernsehen samt Bundesliga für eine kleine Schar von Technikfreunden, die dafür zunächst knapp 81 Euro pro Monat zahlt, ab Beginn der Bundesl iga-Rückrunde sogar 91 Euro.
Schuld soll die Software von Microsoft sein, die offenbar so instabil läuft, dass wesentliche Teile des Angebots störungsanfällig sind. Auch andere Telekomunternehmen haben schon schlechte Erfahrungen mit der Microsoft-Plattform gemacht. So musste der Start des Online-Fernsehens Bluewin TV von Swisscom wegen der Fehleranfälligkeit des Microsoft-Produkts immer wieder verschoben werden. Der Software-Gigant schweigt zu dem Thema. Allerdings hat auch T-Com-Chef Raizner seinen Anteil am Debakel: Er hatte die Software erst nach der Cebit bestellt – viel zu spät, um die komlexe Plattform für die Telekom-Wünsche noch rechtzeitig zu konfigurieren. Nun verspricht T-Com-Sprecher Martin Frommhold zwar "ein Rundum-Sorglos-Paket" – wenn es denn soweit ist. Er schwärmt von der Bild- und Tonqualität, sagt dann auf Nachfrage aber auch: "Die Bildqualität wird noch weiter optimiert." Rundum sorglos klingt irgendwie anders. Dabei begann alles so hoffnungsvoll, als Walter Raizner am 21. Dezember freudestrahlend den Kauf der Bundesliga-Übertragungsrechte via Internet verkünden konnte. Nur 50 Millionen Euro pro Saison zahlt die Telekom – im Gegensatz zu 220 Millionen Euro, die der neue Fernsehrechteinhaber Arena – eine Tochter der Regionalkabelfirma Unity Media – jährlich hinlegt.
Danach war vor allem der bisherige Rechteinhaber Premiere der große Verlierer. Der Aktienkurs wurde einstellig und Premiere-Chef Georg Kofler wurde recht einsilbig, wenn man ihn nach seinem Zukunftskonzept fragte. Dann zeigte sich, daß auch Arena große Probleme hatte, die potenziellen Zuschauer über Kabel zu erreichen, ein Vertrag mit KDG – mit 9,6 Millionen Kunden der größte Betreiber in Deutschland – scheiterte.
In der Zwischenzeit hatte der verzweifelt-umtriebige Premiere-Chef Kofler einen heftigen Flirt mit der Telekom begonnen. Sein Angebot: Premiere liefert die nötige Sendelizenz und produziert das Bundesliga-Fernsehen für die Telekom. Diese wiederum sendet die digitalen Datenpakete nicht nur über Internet, sondern auch über Satellit – was vertraglich möglich wäre. Damit wäre Premiere schlagartig wieder deutschlandweit im Rennen gewesen. Sogar ein Einstieg der Bonner bei den Münchnern stand im Raum. Doch die Telekom biss nicht an. Statt der angepeilten Liebesheirat kam es zu einem kühlen Dienstverhältnis. Premiere produziert, aber die Telekom sendet nur über Internet. So wurde für Premiere und Arena der Weg frei, die eigenen Probleme in letzter Minute durch eine Vernunftehe zu lösen: Premiere kann seinen Kabel-Abonnenten wieder Bundesliga zeigen – als eigenen Arena-Kanal – und bekommt dafür Geld. Im Gegenzug vermarktet Arena Premiere-Programm-Pakete mit.
Drei Milliarden Euro will Telekomchef Ricke in den Aufbau des schnellen VDSL-Breitbandnetzes investieren. Eine Million Kunden bis Ende 2007 ist das interne Ziel der Telekom, bis 2010 sollen es drei Millionen sein. "Das halte ich für utopisch", sagt Frank Rothauge, Telekomexperte bei Sal. Oppenheim. Schließlich sei Fernsehen kein Wachstumsmarkt. Internet-TV werde erst in vier bis fünf Jahren eine Rolle spielen. Lars Godell vom Marktforschungsunternehmen Forrester Research schätzt, dass der Telekom im neuen VDSL-Netz ein Verlust von 1300 Euro pro Kunde droht. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass es zehn oder mehr Jahre dauern wird, bis sich die Investition rechnen wird. "Die Telekom befindet sich in einem klassischen Dilemma", meint Telekomexperte Per-Ola Hellgren von der Landesbank Rheinland-Pfalz. Denn die Investition stelle ein hohes Risiko dar. Andererseits müsse die Telekom auf schnelle Breitbandnetze setzen, da nur hier weiter Wachstum erwartet werde. Beim klassischen Mobilfunk der zweiten Generation seien die Grenzen bereits erkennbar.
Fünf Tage vor Anpfiff der Bundesliga: die Akteure Arena und Premiere sind auf dem Spielfeld und warten – von T-Home ist nichts zu sehen. "Die Telekom hat den Mund einfach zu voll genommen", sagt der Telekom-Analyst einer großen deutschen Bank. Und sie hat noch ein weiteres Problem: Für die Drei-Milliarden-Investition will Konzernchef Ricke einige Jahre "Regulierungsferien". Das heißt: Regulierer Matthias Kurth von der Bundesnetzagentur soll ihm freistellen, was er von Konkurrenten für die Nutzung des neuen VDSL-Netzes verlangen darf. Doch sowohl Kurth als auch die EU-Kommission werden dabei mitreden. Wie das Schicksalsspiel der Deutschen Telekom ausgeht, hängt also von weiteren Schiedsrichterentscheidungen ab.
Gruß Moya |