Analyse
Warnung: Tabaksteuer macht abhängig Die Anti-Raucher-Politik steht im krassen Widerspruch zur Förderung des Tabakanbaus.
Von Wolfgang Roth, Süddeutsche Zeitung
Das Recht, sich umzubringen, steht jedem zu; deshalb ist es nur konsequent, dass der Versuch der Selbsttötung straffrei ist.
Das bedeutet aber nicht, dass die Gesellschaft nicht versuchen sollte, Menschen von diesem letzten Schritt abzuhalten. Ähnliches gilt, wenn sich Suchtabhängige nach und nach ruinieren.
Tun sie es mit einem legalen Suchtmittel, ist es letztlich ihre freie Entscheidung, soweit die Sucht einen freien Willen noch zulässt.
Es aber gar nicht soweit kommen zu lassen, daran muss die Allgemeinheit ein Interesse haben, zumal die Folgen der Sucht das solidarische Gesundheitssystem belasten.
Im Falle des Tabak- und Alkoholkonsums sind das hohe Kosten, nicht obwohl, sondern weil es sich dabei um ein legales Verhalten handelt, im Falle des maßvoll genossenen Alkohols sogar um ein unschädliches.
Nach Schätzungen der Bundesärztekammer sterben in Deutschland jährlich 100.000 Menschen an den Folgen des Rauchens.
„Rauchen kann tödlich sein“. „Rauchen führt zur Verstopfung der Arterien und verursacht Herzinfarkte und Schlaganfälle.“ Wenn nun von 1. Oktober an derlei Warnhinweise auf Tabakwaren angebracht werden müssen, dann handelt es sich dabei um eine zwar staatlich erzwungene, aber wahrheitsgemäße Aufklärung über ein Produkt.
Das ist ungewöhnlich, weil der Staat, sieht man von Medikamenten und gefährlichen Chemikalien ab, kaum einen Produzenten zur Wahrheit zwingt. Die hohe Zahl der Kranken und Toten ist aber Rechtfertigung genug. Wissen die Raucher das nicht von alleine? Und nützen solche Warnhinweise überhaupt etwas?
Nun, wenn sie nichts nützen, dann schaden sie jedenfalls nicht (wer zeigen will, dass er den Tod nicht fürchtet, findet auch auf Deutschlands Straßen ein Demonstrationsfeld).
Wenn sie hingegen nützlich sind, schaden sie der Tabakindustrie und vernichten Arbeitsplätze, also das, was das Land am dringendsten braucht.
Aber ist es deshalb völlig egal, was an einem Arbeitsplatz produziert wird? Und, weiter gefragt: Muss der Staat einen freien, unbeeinflussten Absatz garantieren, wenn an diesem Arbeitsplatz ein legales, aber potenziell schädliches Produkt hergestellt wird?
Muss er nicht. Nicht jede Waffe darf von jedem gekauft werden, nicht jedes Zubehörteil darf exportiert werden. Soweit bei Tabakwaren Warnhinweise vorgeschrieben werden und Werbung verboten wird, handelt es sich außerdem um EU-Vorgaben.
Das beliebte Argument der Wettbewerbsverzerrung zieht also nicht.
Vertreter der reinen Lehre weisen auf einen Widerspruch hin: Mit welchem Recht wird überhaupt Werbung für ein legales Produkt verboten? Warum verbietet man das Produkt nicht, wenn es schädlich ist?
Die widerspruchsfreie Welt gibt es aber nur in der Utopie klassischer Marxisten. Die Realität sieht so aus, dass aus praktischen und kulturhistorischen Gründen immerfort Widersprüche auszuhalten sind.
Deshalb kann es sinnvoll sein, Rauschmittel zu verbieten, die potenziell weniger gefährlich sind als Alkohol – und Tabakwaren zuzulassen, aber ihre Anpreisung zu unterbinden.
Nicht nur ein Widerspruch, sondern verlogen ist es hingegen, wenn der Tabakanbau gleichzeitig mit EU-Mitteln und nationalen Programmen subventioniert wird.
Verlogen ist auch die Haltung der Bundesregierung, die angeblich alle Bestrebungen zur Eindämmung des Rauchens unterstützt, aber gegen das Brüsseler Werbeverbot klagt – die offizielle Version lautet, die EU habe sich nationale Kompetenzen angemaßt.
In Wahrheit hängt der Bundesfinanzminister an der Nadel; er ist abhängig von der Tabaksteuer, der zweitgrößten spezifizierten Verbrauchsteuer nach der Mineralsteuer.
Deshalb soll die im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform geplante Erhöhung in Stufen stattfinden. Das ist zwar wegen der Umstellung an den Automaten sehr unpraktisch, bietet aber eine gewisse Garantie, dass sich die Raucher in kleinen Dosen an die Verteuerung gewöhnen.
***************** (SZ vom 2.10.2003) **************************
wie man sieht, hat sich der verbraucher nicht an die preiserhöhungen gewöhnt sondern war so flexibel wie man es immer vom ihm fordert und hat wiederum einen neuen markt eröffnet, einen schwarzen .. |