Griechenland, blinder Passagier der Euro-Zone
Er gilt als einer der Gründerväter des Euro: Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel. Bei Markus Lanz sinnierte er, welche "Geburts- oder Erziehungsfehler" bei dessen Einführung Schuld an der Krise sind.
Da saß er nun, der Vater des Euro. Ruhig und ein wenig in sich gekehrt, mit ernstem Blick, ja es hatte gar den Anschein, dass sich so etwas wie Trübsal in ihm auftat. Wo einst Euphorie und Aufbruchsstimmung herrschten, machten sich nun Zweifel an den vormaligen Zielen und Träumen breit. Theo Waigel, der als ehemaliger Bundesfinanzminister maßgeblich für die Einführung des Euro verantwortlich zeichnete, war bei Markus Lanz zu Gast. Und den Eindruck, den er dort hinterließ, war nicht gerade von Zuversicht geprägt.
"Die Welt kann man als Einzelner nicht retten", sagte Waigel trotzig. Seit einigen Jahren tobt sie nun, die Krise um den Euro, und einer seiner Schöpfer muss seit seinem Ausstieg aus der Politik 2002 tatenlos mit ansehen, wie sein Baby zugrunde geht.
Waigel, der mit 18 Jahren der Jungen Union beitrat und dessen politisches Vorbild immer Franz Josef Strauß war, gilt als einer der Väter des Euro, brachte er als Finanzminister 1995 doch dessen Namen als Vorschlag in den Europäischen Rat mit ein.
Geburtsfehler der Währung
Er ist so gesehen keineswegs der Initiator des Euro, wohl aber dessen Geburtshelfer. Und sein Kind, will man bei diesem sinnbildlichen Vergleich bleiben, ist in den vergangenen Jahren ziemlich auf die schiefe Bahn geraten, steht für manch einen sogar vor dem endgültigen Absturz. Wenn in diesen Zeiten also selbst der Vater des Euro resigniert, sollte man sich so langsam ernsthafte Sorgen machen.
"Die Frage ist doch: Sind das Geburts- oder Erziehungsfehler?", versuchte Waigel das Bild des Vaters vom Euro zu untermauern. Man könne von niemandem verlangen, Regeln einzuhalten, gegen die das eigene Land verstieße, sagte Waigel und verwies damit auf den Stabilitätspakt, den auch Deutschland nicht erfülle.
Ausufernde Bankengeschäfte, kriselnde Staatshaushalte – im Grunde hatte Waigel diese negativen Folgen des Finanzsystems schon damals in Sicht, drängte er doch schon bei der Einführung des Euro auf noch stärkere Sanktionsmöglichkeiten. Doch schon damals überwogen persönliche Interessen das Wohl der Gemeinschaft.
Das Regelwerk wurde nach und nach aufgeweicht. Der Fehler, der uns laut Waigel heute zu schaffen macht, sei genau jene Flexibilität der Regelauslegung gewesen.
So tauchte zwischen all der Resignation immer wieder auch der alte, typische Theo Waigel auf. Direkt und mit klaren Zielvorstellungen. Selbst als Lanz fälschlicherweise erwähnte, dass Waigel neun Jahre Finanzminister gewesen sei, korrigierte er ihn: "Neuneinhalb!" Seine markanten Augenbrauen seien bis heute Schutzgebiet, niemand dürfe sie schneiden. "Da darf niemand dran."
Gleichzeitig gab er sich bescheiden an diesem Abend. Er sei zwar sparsam, jedoch auch nicht geizig. Auf spekulative Papiere habe er während der Krise nie gesetzt.
Griechenland soll durchgefüttert werden
Waigel, der als Kind Not und Elend der Nachkriegsjahre erlebte, betrachtete Europa stets als ein großes Friedensland, das sich vor allem durch seine offenen Grenzen, eine gemeinsame Währung und Solidarität auszeichnet. Doch diese so oft gewünschte Solidarität ist derzeit eher verpönt als gewollt, die europäische Idee in weite Ferne gerückt. Aufgrund Griechenlands sturer Haltung gegenüber neuen Auflagen machte sich dann auch beim ehemaligen deutschen Finanzminister so etwas wie Ernüchterung breit.
Anhand eines Beispiels versuchte er, seine innere Haltung zu verdeutlichen: Wäre Griechenland ein blinder Flugzeugpassagier und würde mitten im Flug entdeckt, hätte man genau zwei Möglichkeiten: Entweder man schmeiße ihn – mit oder ohne Schwimmweste – aus dem Flugzeug, oder man füttere ihn bis zur Landung durch. Vorausgesetzt, er halte sich an die Auflagen. "Ansonsten muss er halt vorher von Bord gehen", sagte Waigel unumwunden.
Er habe nie verstanden, warum Griechenland in die Währungsunion aufgenommen worden sei. Von seinen einstigen Vorstellungen einer solidarischen Gemeinschaft war in diesem Moment nichts mehr zu spüren. Stattdessen die eindeutige Zielvorgabe: Die Griechen müssen raus aus dem Euro, wenn sie sich nicht an die Auflagen halten. Damit schwenkte er so stark wie selten auf die Meinung der Masse ein, die laut jüngsten Umfragen überwiegend für einen Euro-Austritt der Griechen plädiert.
Wirkliche Antworten auf die Euro-Krise fand auch Waigel an diesem Abend nicht, was jedoch auch daran lag, dass Moderator Markus Lanz immer wieder urplötzlich die Themen wechselte und Waigel nicht auf eine mögliche Lösung festnagelte. Dieser hätte angesichts seiner Erfahrung und seines Sachverstandes ganz sicher zumindest eine vernünftige Antwort auf die dringenden Finanzfragen parat gehabt. Lanz gab ihm die Chance dazu nicht.
Dennoch, so resigniert, wie sich Waigel an diesem Abend gab, kann davon ausgegangen werden, dass es gerade für ihn schwere Zeiten sein dürften, die Währung – oder besser: seine Währung, dessen Namen er erfand – so dahin siechen zu sehen.
http://www.welt.de/fernsehen/article106421005/...r-der-Euro-Zone.html |