sehr interessant was sich im Hintergrund abspielt.
Bernd Förtsch ist wieder da
Aktientipps: Rückkehr der selbsternannten Gurus
Kein Thema hat seit dem Ende des Internethypes die Fantasie der Börsianer so beflügelt wie die Nanotechnologie. Kurse von Mini-Unternehmen werden in Internetforen und von selbst ernannten Gurus in die Höhe getrieben – zu deren eigenem Nutzen. Wie schon vor einigen Jahren tut sich Bernd Förtsch, Herausgeber der Postille "Der Aktionär“, dabei hervor.
Förtsch wurde Ende der Neunziger durch Auftritte in der Börsensendung von 3Sat bekannt. Seine Kombination aus TV-Empfehlungen, Aktientipps im eigenem Heft und Fondsberatung beschäftigte Börsenaufsicht und Staatsanwaltschaft, allerdings – wie in fast allen Insiderverfahren – ohne Ergebnisse. In der Baisse verblasste Förtschs kleiner Stern. Seit die Börse besser läuft, kehren seine Fans zurück. Das weiß er zu nutzen.
Am 12. Dezember 2003 gründeten Förtsch und Marco Beckmann die Nanostart AG. Beckmann ist Mitarbeiter von Förtsch in dessen Gesellschaft für Börsenkommunikation und war Redakteur beim „Nanotech-Report“, der von Förtschs Börsenmedien AG herausgegeben wird. Die Nanostart gehört laut Handelsregister der BF Holding, die sich ebenfalls im Besitz von Förtsch befindet. Förtsch ist Aufsichtsrat, Beckmann Vorstand.
Der 26-jährige Förtsch-Mitarbeiter ist zugleich als Berater für die Aktienauswahl des H&A Lux DAC Nanotech zuständig. Der Fonds wurde im September 2003 von der Luxemburger Tochter des Bankhauses Hauck & Aufhäuser (H&A) aufgelegt. Auch Förtsch selbst berät einen Fonds von H&A. Der stellvertretende Chefredakteur des „Aktionär“, Alfred Maydorn, ist Berater des H&A Lux DAC Internetfonds.
Nachdem die beiden Nanotech-Investmentvehikel gegründet waren, schlug Beckmann zu. Für den Fonds kaufte er im vergangenen Jahr Aktien des schwedischen Nanotech-Unternehmens Obducat. Im Januar 2004 übernahm er für Nanostart und den Fonds zudem 15 Millionen Aktien aus einer Kapitalerhöhung des Mini-Unternehmens, das 2003 gerade mal 4,2 Millionen Euro umsetzte. Beckmann zahlte bei der Kapitalerhöhung 0,88 schwedische Kronen, deutlich weniger als den Börsenkurs.
Als Obducat dann den Einstieg von Nanostart und des H&A Lux DAC Nanotech bekannt gab – Beckmann garantierte auch noch die Zeichnung einer millionenschweren Wandelanleihe der Schweden –, brachen bei der Aktie die Dämme. Die Nanotech-Jünger im Internet jubelten und kauften. Von Anfang Januar bis Februar stieg der Kurs von gut einer Krone auf fünf Kronen, fiel mittlerweile aber wieder auf gut drei Kronen zurück.
Parallel zur Aktie zog im Januar der Fondskurs nach oben. Gut für den Fonds: Der Kursanstieg von Obducat und anderen Nano-Aktien ließ seinen Wert im Januar um rund 30 Prozent steigen. Das lockte Anleger, die seit Februar rund 20 Millionen Euro einzahlten. Seitdem bewegt sich der Fonds aber nur seitwärts. Gut für Förtsch: Die von seiner Nanostart gehaltenen Obducat-Aktien haben ihren Wert fast vervierfacht.
Schützenhilfe bekommt der Aktienkurs von Obducat von den Förtsch-Medien. Als der „Aktionär“ Anfang Februar mit dem Titel „Mega-Markt Nanotech“ erschien, empfahl die Redaktion des „Nanotech-Report“ die Aktie. Im selben Heft wurde mit einer Anzeige der Nanotech-Fonds promotet ("Hier ist der Aktienfonds zum neuen Mega-Trend“).
Um den Nano-Hype zu schüren, spannte Förtsch früh einige Börsen-Kumpel ein: Markus Frick (laut „Bild“-Zeitung "Vom Bäcker zum Millionär“) wurde im Dezember interviewt ("Auf Markus Frick hören“). Seine Anhänger können mit einem teuren Newsletter „dabei sein, wenn die ersten Nanotech-Werte explodieren“. Kollege Maydorn vom „Aktionär“ trommelt mit; auch als Fondsberater des Internet-Fonds. Der Börsenmakler Berliner Freiverkehr AG hat dafür gesorgt, dass viele Nano-Aktien an der Berliner Börse gelistet wurden. Obducat wird vor allem in Berlin schon stärker gehandelt als in der Heimat.
Beckmann hält jetzt als Chef der Nanostart Obducat-Aktien, gibt aber zugleich Kauf- oder Verkaufsempfehlungen für den Fonds ab. Interessenkonflikte sind programmiert, wie schon bei Förtsch in den wilden Jahren des Neuen Markts. Wie wurden Aktien zwischen Fonds und AG verteilt? Und wie managt Beckmann später die Bestände? Verkauft zuerst die Nanostart, leidet der Fonds, weil der Kurs einbricht – und umgekehrt. Wann werden die Förtsch-Blätter empfehlen, die Aktie zu verkaufen: Bevor oder nachdem Fonds und Nanostart ausgestiegen sind? Förtsch will sich nicht äußern und verweist auf Beckmann. Der sieht keine Interessenkonflikte: „Wir machen nichts anderes als die Deutsche Bank. Die hält Allianz-Aktien, die auch von ihrer Fondsgesellschaft DWS gekauft werden.“
Die Nanostart solle vor allem in nicht börsennotierte Gesellschaften investieren. Förtsch und Beckmann bereiten sich so auf Nanotech-Börsengänge vor, die in den USA bereits anlaufen. Bei der börsennotierten Obducat kam Nanostart ins Spiel, damit Beckmann 15 Millionen Aktien zum günstigen Kurs bekam. Der H&A Nanotech-Fonds war damals zu klein, um die Aktienmenge aufzunehmen. Wie viel in den Fonds floss und welchen Anteil Nanostart bekam, geben die Beteiligten nicht bekannt. Beckmann beteuert nur, er werde die Aktien nicht auf den Markt werfen: „Obducat wird ein großer Konzern.
HEIKE SCHWERDTFEGER
27.04.2004
Quelle: wiwo
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