Unternehmen Klöckner im Sog von WCM
Der Maschinenbaukonzern Klöckner-Werke könnte wesentlich stärker in den Sog der Insolvenz der WCM Beteiligungs- und Grundbesitz AG geraten als bislang angenommen. Der Schaden aus dem Forderungsausfall könnte im schlimmsten Fall einen höheren dreistelligen Millionenbetrag erreichen. Womöglich war WCM schon 2005 überschuldet. Seite 14
Text: F.A.Z., 13.11.2006, Nr. 264 / Seite 11
Klöckner-Werke im Sog der WCM-Insolvenz
Maschinenbaukonzern droht höherer Forderungsausfall / WCM war möglicherweise schon 2005 überschuldet
kön. FRANKFURT, 12. November. Der Maschinenbaukonzern Klöckner-Werke AG (KW) könnte wesentlich stärker in den Sog der in der vergangenen Woche beantragten Insolvenz der WCM Beteiligungs- und Grundbesitz AG geraten als bislang angenommen. Mitte vergangener Woche nannte der zu den führenden Verpackungs- und Getränkemaschinenherstellern gehörende Konzern mit Sitz in Frankfurt eine Forderung gegenüber WCM von 80,4 Millionen Euro. Der Schaden aus dem Forderungsausfall könnte jedoch im schlimmsten Fall einen höheren dreistelligen Millionenbetrag erreichen. Zugleich gibt es Hinweise, daß die Lage bei der Muttergesellschaft WCM wesentlich schlimmer gewesen ist als bisher bekannt. Womöglich war das Unternehmen schon im Jahr 2005 überschuldet.
KW hat in dem Ende vergangener Woche veröffentlichten Zwischenbericht für die ersten neun Monate auf die Gefahr hingewiesen, eine Restrukturierung der WCM-Struktur und deren Bilanz im Dezember vergangenen Jahres rückgängig machen zu müssen. Mit der damaligen Maßnahme (siehe Kasten), die selbst für Fachleute nur schwer zu durchschauen war, sollte ein großer Teil von WCM-Verbindlichkeiten abgebaut und somit die Überschuldung verhindert werden. KW spricht in seinem Zwischenbericht von einem betroffenen Volumen von "rund 280 Millionen Euro".
"Zusammen mit unseren rechtlichen Beratern überprüfen wir derzeit, ob die zum Jahresende 2005 durchgeführten Restrukturierungsmaßnahmen von der Insolvenz der WCM AG betroffen werden", heißt es im letzten Absatz des 25 Seiten umfassenden Zwischenberichts. Durch diese Maßnahmen habe KW Forderungen gegenüber WCM realisieren "und vor allem den inneren Wert der verbleibenden Klöckner-Aktien erheblich steigern können". Zudem steht im Zwischenbericht der wichtige Hinweis: "Die dazu erforderlichen Maßnahmen sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Bedingt durch die Insolvenz, könnte es unter Umständen erforderlich sein, die Restrukturierungsmaßnahmen aufzuheben und rückabzuwickeln." In diesem Fall, heißt es dort, würde das buchmäßige Eigenkapital des KW-Konzerns um weitere 15 Millionen Euro belastet werden, womit die Eigenkapitalquote auf rund 42 Prozent sinke.
Tatsächlich könnte aber der Schaden nach Ansicht von Bilanzexperten deutlich höher sein, wenn nämlich nach Rückabwicklung die Forderungen gegenüber WCM wieder in der Bilanz auftauchen. Da diese nicht besichert sind, müßten sie - je nachdem, was in der Insolvenzmasse übrigbleibt - weitgehend abgeschrieben werden. Das Unternehmen selbst machte dazu keine Angaben und vertröstete auf die Ergebnisse der juristischen Prüfung.
Eingeweihte Kreise sprechen sogar davon, daß die Restrukturierung de facto gar nicht stattgefunden habe, worauf nun auch der Hinweis im Zwischenbericht hindeutet, daß die Maßnahmen noch nicht voll abgeschlossen seien. Diese "Verrechnerei", von der Unternehmenskenner sprechen, zieht damit noch weitere Kreise: Demnach würden nämlich die Geschäftsabschlüsse für 2005 sowohl von WCM als auch von KW auf Sachverhalten basieren, die nicht eingetreten sind. Als Folge könnte dem Vernehmen nach die Richtigkeit der Bilanzen beider Unternehmen angezweifelt werden. Im Geschäftsbericht 2005 des KW-Konzerns hat es von der damaligen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO bereits ein eingeschränktes Testat gegeben. Sie bemängelte den zu hohen Transaktionswert der Klöckner-Aktien im Zusammenhang mit der Restrukturierung, die damals mit 18 Euro eingingen. BDO wurde daraufhin auf der KW-Hauptversammlung im vergangenen August von Vorstand und Aufsichtsrat nicht zur Wiederwahl vorgeschlagen. Statt dessen kam Price Waterhouse Coopers als neuer Wirtschaftsprüfer zum Zuge.
Der Warnhinweis kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die HSH Nordbank als Hauptgläubiger von WCM bereitet derzeit die Versteigerung eines Aktienpaketes von 68 Prozent an KW vor. Dieses Paket dient als Sicherheit für einen Kredit über 170 Millionen Euro, der im Oktober von der Bank vorzeitig fällig gestellt worden ist. Die überschuldete WCM ist Eigentümerin dieses Aktienpakets und hat sich heftig gegen die vorzeitige Rückzahlung des Kredites sowie gegen die beabsichtigte Versteigerung der Beteiligung gewehrt. Der Insolvenzantrag wurde gestellt, nachdem auch der zweite Gläubiger KPI Holding, die den Kindern des Investors und WCM-Aktionärs Karl Ehlerding gehört, seine Forderungen über 30 Millionen Euro zurückverlangt hatte. Die verworrene Lage mit den möglicherweise schwerwiegenderen als bislang angenommenen Folgen könnte den Preis für KW drücken. Unternehmensbeobachter gehen aber davon aus, daß die HSH in jedem Fall ihren Kredit aus dem Verkauf begleichen kann.
Der Insolvenzverwalter hat die Möglichkeit, Vorgänge und Transaktionen in einem unter Insolvenz stehenden Unternehmen rückgängig zu machen, die bis zu drei Jahre zurückliegen. Mit den Hinweisen auf die fehlende Korrektheit in der Restrukturierung sowie mit dem eingeschränkten Testat in der KW-Bilanz könnte es Anfechtungsgründe geben, die den Weg für die Rückabwicklung ebnen.
Text: F.A.Z., 13.11.2006, Nr. 264 / Seite 14
MfG kiiwii |