Tauchaer Lintec AG hält an Expansionskurs fest
Computer-Konzern plant Aufstockung des Grundkapitals um 30 Millionen DM / Senioren-PC kommt im Juli in den Handel
Leipzig. Hans Dieter Lindemeyer ist vernarrt in Galopp-Rennpferde. Ähnlich wie auf der Rennbahn setzt der Chef der am Neuen Markt notierten Lintec Computer AG (Taucha) auch als Unternehmer hin und wieder alles auf eine Karte. Sein Lieblingspferd heißt derzeit RFI Mobile Technologies GmbH. Die 80-prozentige Lintec-Tochter aus Mönchengladbach stellt Zubehör für Notebooks her und entwickelt serienreife Lösungen für den neuen Datenfunk-Standard Bluetooth. Dieser drahtlosen Verbindung zwischen elektronischen Geräten wie PCs und Telefonen oder Minicomputern im Haushalt gibt Lindemeyer derzeit die besten Entwicklungschancen. "RFIkönnte zum Weltmarktführer werden", sagt er während eines Redaktionsbesuchs in unserer Zeitung. Nur müsse das Pferd, pardon, die Firma schnell fit gemacht und an den Start gebracht werden.
Kurz gesagt, RFIbraucht Geld, viel Geld, um schnell wachsen zu können. Da ein Börsengang, wie von Lindemeyer schon seit langem geplant, angesichts des schwachen Interesses der Anleger am Neuen Markt nicht viel bringen dürfte, geht der Lintec-Chef andere Wege der Kapitalbeschaffung.
Gegenwärtig würden zehn Prozent des Lintec-Grundkapitals in Aktien in England platziert. Die Hälfte der 800 000 Aktien seien bereits an den Mann gebracht worden. Der Lintec-Chef verspricht sich davon eine Aufstockung des Kapitals um 30 Millionen DM. Mit dem Geld sollen unter anderem zwei Firmen gekauft werden, "die RFIbei Forschung und Entwicklung im Bluetooth-Bereich unterstützen und ergänzen". Dabei handele es sich um eine schwedische Firma mit Sitz in Stockholm und um ein deutsches Unternehmen, deren Namen der ostdeutsche Vorzeige-Manager aber noch nicht nennen will.
Der 48-Jährige hat zudem weitere Geldgeber gefunden, die Anteile an einer der Firmen erwerben wollen. "Jetzt muss der Diamant nur noch geschliffen werden", sagt er. Im Wettlauf mit der Konkurrenz sei Lintec somit bereits eine Pferdelänge vorn. Gelinge das Vorhaben, "dann werden wir über viele Jahre viel Geld verdienen in diesem Wachstumssegment"
Einen Pferdefuß hat das Ganze allerdings. Die Aufstockung des Kapitals laufe unter Ausschluss der Altaktionäre, damit ist Lindemeyer bald nicht mehr Mehrheitsaktionär. Aber das Risiko gehe er ein, ansonsten gefährde er das ungebremste Wachstum des ostdeutschen Senkrechtstarters, den Lindemeyer in wenigen Jahren schon im Nemax 50 sehen will. Derzeit liege der Konzern an 96. Stelle. "Wir sind aber bereits jetzt oft schon unter den zwanzig am meisten gehandelten Unternehmen am Neuen Markt."
Solides Wachstum sieht er auch beim Absatz von Hardware, vordringlich Computern. Deutschlandweit hat Lintec einen Marktanteil von drei Prozent, im Süden Ostdeutschlands liege er bei rund zwölf Prozent. "Viel größer soll der auch gar nicht werden. Wir wollen weg vom Massengeschäft, hin zu mehr Qualität", so Lindemeyer. Ein Beispiel: Speziell für die ältere Generation hat Lintec gemeinsam mit der Leipziger Universität einen Senioren-PC entwickelt, der für rund 3000 DM im Juli in den Handel kommen soll. "10000 Stück könnten wir in diesem Jahr verkaufen, 50000 im nächsten Jahr", gibt Lindemeyer das "moderate Absatzziel" vor, das ungefähr einen Umsatzzuwachs von 150 Millionen DM entspreche. Insgeheim erhofft er sich aber mehr, da der Bedarf an altersgerechter Technik überaus groß sei. In den USA beispielsweise würden die Computer mit Medizintechnik kombiniert und zur Überwachung von Patienten zu Hause eingesetzt.
Der studierte Mathematiker lässt keinen Zweifel daran, dass er das rasante Wachstum der letzten Jahre (55 Prozent Umsatzsteigerung im Jahr 2000) beibehalten und Lintec weiter zu einem europaweit präsenten Informations- und Technologie-Konzern ausbauen will. Obwohl dem Unternehmen noch immer das Image eines reinen Computerbauers anhängt, tummelt sich Lintec längst in einer Vielzahl von Bereichen. Neben der eigenen Software-Entwicklung, der digitalen Fotoübertragung (Pixelnet) oder der Herstellung von Kühlersystemen für Computer sind vor allem im Beteiligungsgeschäft (MVCMitteldeutsche Venture Capital AG) Firmen, die mit Lintec kaum jemand in Verbindung bringen würde. So etwa ein Finanzdienstleister aus Dresden oder der Berliner Zusteller PINAG. Bei der Nennung dieser Firma leuchten Lindemeyers Augen ähnlich wie auf der Galopprennbahn. Das in Berlin, Potsdam, Dresden und Leipzig tätige Unternehmen stelle Postsendungen aller Art zu, habe bereits rund 300 Mitarbeiter und mache im Monat eine Million DMUmsatz. "2001 kommen wir mit PIN in die Gewinnzone", sagt Lindemeyer. Für ihn ist die Berliner Firma der einzige ernsthafte Konkurrent der Deutschen Post beim Zustelldienst in Großstädten. Mit MVC ist Lintec zu 25,1 Prozent an der Berliner PIN beteiligt.
Das Interesse ausländischer Logistikkonzerne an einer Übernahme sei groß. "Wir aber wollen PINan die Börse bringen. Das Wachstumspotenzial ist riesig." Wann? Lindemeyer zuckt die Schultern. PIN gehe bereits in Kürze in die deutsche Börsenmetropole Frankfurt am Main. "Allerdings vorerst nur, um der Post auch dort zu zeigen, dass wir die Schnelleren sind."
Internet: www.lintec.de
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