Penis erfolgreich verpflanzt - und wieder amputiert
Es war eine Premiere und ein voller Erfolg - zumindest medizinisch: Chinesische Chirurgen haben einem Mann einen fremden Penis verpflanzt. Obwohl die Operation gelang, wurden der Patient und seine Frau nicht glücklich. Da griffen die Ärzte erneut zum Skalpell.
Für die Ärzte ist es ein medizinischer Triumph, der ihnen einen Eintrag in die Premierenliste der Chirurgie garantiert. Für den Patienten ist die Geschichte der mutmaßlich ersten erfolgreichen Penis-Transplantation nur ein weiteres trauriges Detail eines schlimmen Schicksals, das acht Monate zuvor seinen Lauf nahm.
Bei einem Unfall im Winter wurde einem 44-jährigen Chinesen aus der bezirksfreien Stadt Guangzhou der Penis so stark verletzt, dass nach einer Notoperation nicht mehr als ein winziger Stummel von wenigen Millimetern übrig war. "Gewöhnlich konnte er sich nicht mehr stehend entleeren", beschreiben seine Ärzte die Situation, "und beim Geschlechtsverkehr hatte er auch Schwierigkeiten."
Weilie Hu und seine Kollegen aus der Abteilung für Urologie des Bezirkskrankenhauses von Guangzhou haben nach eigener Darstellung wieder und wieder diskutiert, ob sie das Äußerste wagen sollten: die Transplantation. "Sehr traditionell sehen die Chinesen den Penis als Lebensquelle, welche die Erblinie fortführen soll", schreiben die Ärzte, "man betrachtet ihn als das Symbol der Männlichkeit." Sowohl von Seiten des Patienten als auch von seiner Gattin habe es ein "starkes Bedürfnis nach einer Behandlung" gegeben, sagen die Ärzte verschämt. Keine Frage, der Verlust war groß. Als auch die Ethikkommission der Klinik zustimmte, legte das Ärzteteam die Skalpelle an - und zwar an den Penis eines 22-jährigen Hirntoten, dessen Eltern der Spende zugestimmt hatten.
15 Stunden Operation für 14 Tage Fremdgewebe
Das abgetrennte Körperteil - zehn Zentimeter in der Länge, konserviert in einer vier Grad Celsius kalten Flüssigkeit - fand seinen neuen Platz. In einer Fallstudie für das renommierte Fachmagazin "European Urology" schreiben Hu und seine Kollegen: "Wir präsentieren hier den ersten Bericht einer erfolgreichen Penistransplantation mit mikrochirurgischen Techniken."
15 Stunden dauerte demnach der Eingriff, bei dem Blutgefäße und Nervenstränge einzeln zusammengefügt wurden, bevor der Spenderpenis am Stumpf des Patienten festgenäht werden konnte. Zehn Tage nach dem Eingriff habe man dem Patienten den Katheter entfernt, und er habe problemlos Wasser lassen können.
Der Bericht der Chinesen, der im Oktober veröffentlicht werden soll und schon jetzt auf der Website zugänglich ist, klingt soweit nach einem bevorstehenden Happy End. Mit derselben Technik hatten französische Chirurgen im Dezember 2005 einer Frau Teile eines Gesichts verpflanzt. Obwohl es sich nicht um ein komplettes Antlitz handelte, war von der ersten erfolgreichen Gesichtstransplantation der Geschichte die Rede.
Nach einzelnen Fällen von Männern, die bei Unfällen ihr eigenes Geschlechtsorgan wieder angenäht bekommen hatten, schien der Eingriff von Hus Team nun auch die Verpflanzung fremder Penisse in den Kanon des medizinisch Machbaren zu rücken.
Sexuelle Funktionstüchtigkeit ungewiss
"Eine Penistransplantation sollte nicht komplizierter sein als irgendeine andere", sagte der britische Transplantationsexperte Andrew George vom Imperial College London der Zeitung "The Guardian". Nur mit der Zeit könne man hingegen sehen, ob sich auch nervlich ein Empfinden einstelle - und der Patient in der Lage sein werde, mit dem verpflanzten Teil den Geschlechtsakt auszuführen.
Was die Ärzte jedoch nicht vorhergesehen hatten, war die Reaktion des unglücklichen Organempfängers auf das Transplantat: Sowohl der Patient als auch seine Frau sträubten sich gegen das fremde Organ. Der fremde transplantierte Penis habe bei beiden "schwerwiegende psychische Probleme" hervorgerufen, berichten die Ärzte. Am Tag 14 nach der Operation schnitten sie den Penis auf den ausdrücklichen Wunsch des Patienten wieder ab.
Für die Ärzte war es das faktische Scheitern ihrer Behandlung - sie mussten eine selbstkritische Ergänzung ihres Berichts bei "European Urology" einreichen, noch bevor ihr erster Beitrag gedruckt war. "Was nach der Operation passierte, war einfach jenseits unserer Vorstellungskraft und der des Patienten", schreiben sie, "weil es der erste Versuch einer solchen Transplantation war."
Heftige psychische Reaktion auf den fremden Penis
Eine spätere Analyse habe gezeigt, dass die Durchblutung des Transplantats vielversprechend gewesen und keine Spur einer Abstoßung erkennbar gewesen sei. Allerdings sagten die Mediziner, dass die "angeschwollene Form des transplantierten Penis" mitverantwortlich für die psychische Reaktion gewesen sein könnte.
Beim ersten Menschen, dem eine ganze Hand transplantiert worden war, zeigten sich ähnliche Folgen: Der 50-jährige Neuseeländer Clint Hallam bezeichnete das fremde Körperteil als "abscheulich und verblüht" und bat seine Ärzte, es wieder zu entfernen - er habe sich davon "mental gelöst". Der Fall hatte großes Medienecho ausgelöst und auch den US-amerikanischen Schriftsteller John Irving zu seinem Roman "Die vierte Hand" inspiriert. Darin entwickelt sich unter anderem zwischen der Witwe des Hand-Spenders und dem Empfänger der Transplantation eine Beziehung.
Psychische Faktoren seien ein ernstzunehmendes Thema für viele Patienten, die ein Spendergewebe empfangen, sagte der französische Gesichtschirurg Jean-Michel Dubernard dem "Guardian". Er war auch an der letztlich erfolglosen Behandlung Hallams beteiligt und der erfolgreichen Gesichtstransplantation.
Der israelische Chirurg Yoram Vardi vom Rambam Medical Center in Haifa schreibt in einem Kommentar für "European Urology", dass bei begleitender Betreuung und psychologischer Behandlung die Amputation des angenähten Penis hätte vermieden werden können. Wenn man darauf achte, könne diese Behandlung in der Zukunft eine "ernstzunehmende Option" werden.
Für die Handlung in Irvings Buch dürfte das allerdings nicht gelten. Hier hatte sich die Witwe des Organspenders ein Besuchsrecht beim Empfänger des Transplantats und seinem neuen Körperteil gesichert. |