Eckhard Spoerr, Vorstandschef der freenet AG, kaufe für 1,63 Milliarden Euro die Stuttgarter Debitel von der Heuschrecke Permira. Die Experten würden sich freuen, dass Spoerr sich durchgesetzt und die Transaktion durchgepeitscht habe. Immerhin hätte sich der mehrfache Multimillionär und Porsche-Fahrer auch bequem zurücklehnen können und sich von United Internet und Drillisch übernehmen lassen und so einen hübschen zweistelligen Millionenbetrag als Abfindung auf einen Streich vereinnahmen. Jetzt müsse Spoerr indes hart arbeiten und Debitel integrieren, was alles andere als ein einfacher Job sei.
Für die freien Aktionäre wäre eine Übernahme seitens United Internet und Drillisch natürlich kurzfristig lukrativer gewesen. Aber United Internet-Chef Ralph Dommermuth habe nie ein Übernahmeangebot auf den Tisch gelegt, sondern nur auf Zeit gezockt. Dommermuth, der offensichtlich Wendelin Wiedeking habe spielen wollen, habe stattdessen herzzerreißende Briefchen an freenet geschrieben und stets mögliche Übernahmepreise in die Presse posaunt, anstatt aktiv zu handeln.
Dommermuth habe erst 12, dann 13, 14 und dann doch 16 Euro je freenet-Aktie auf den Tisch blättern wollen. Allerdings hätte Dommermuth bei einem Übernahmeangebot nach gesetzlichen Bestimmungen mindestens den Preis zahlen müssen, für den in den letzten sechs Monaten freenet-Aktien gekauft worden seien. Das sei bei der MSP Holding, das Beteiligungs-Vehikel von United Internet und Drillisch, im Dezember der Fall mit einem Preis von über 17 Euro je freenet-Aktie gewesen.
Diese Vorerwerbsregel gelte noch bis Juni. Dann hätte der Milliardär und Ferrari-Fahrer tatsächlich ein geringeres Übernahmeangebot an freenet machen können. Das Spielchen auf Zeit habe den Deal nun aber vermasselt. Und der umtriebige Schwabe Spoerr habe währenddessen gehandelt und sich Debitel vereinnahmt. Jetzt wolle Dommermuth mit allen Mitteln die Transaktion verhindern, was ihm allerdings wohl kaum gelingen dürfte.
Es wäre schon einmalig in der deutschen Wirtschaftsgeschichte, wenn Dommermuth den Kauf von Debitel noch stoppe. Der United Internet-Chef sollte sich geschlagen geben. Er hätte schon vor Monaten reagieren müssen und sich beispielsweise über eine außerordentliche Hauptversammlung im Aufsichtsrat von freenet positionieren sollen. Das habe er jedoch verpasst. Vermutlich habe er die falschen Berater gehabt oder sei beratungsresistent gewesen.
Verlierer in dem Deal sei nicht nur United Internet, sondern auch Drillisch-CEO Paschalis Choulidis, schließlich setze Spoerr nun exakt die Idee der Konsolidierung unter den Mobilfunk-Serviceprovidern von Choulidis um und baue einen Jumbo-Reseller auf. Kapitän dieser Firma sei Spoerr und nicht Choulidis, der sich gerne auf diesem Thron gesehen hätte. Gewinner der Übernahme sei natürlich Spoerr selbst. Aber den besten Deal habe Investor Permira gemacht. Die hohen Schulden von Debitel seien kurzerhand an freenet durchgereicht worden. Mit freenet-Aktien habe Permira zudem handelbare Aktien in der Hand. Summa summarum ein wunderbarer Exit für Permira.
freenet kaufe Debitel für 32 Millionen neue freenet-Aktien, die Permira erhalte. Zudem sei ein Verkäuferdarlehen von 132,5 Millionen Euro vereinbart worden. Die größte Bürde sei aber die Übernahme der Schulden von über 1,1 Milliarden Euro von Debitel. Die nunmehr massive Verschuldung wolle Spoerr durch den Verkauf des strauchelnden DSL-Geschäfts senken. freenet habe knapp 1,2 Millionen DSL-Kunden. Ein fairer Marktpreis pro Kunde wäre nach Erachten der Experten 100 Euro. Das wären dann knapp 120 Millionen Euro für freenet. Möge sein, dass ein Stratege deutlich mehr auf den Tisch blättere. Die im Markt kursierenden 500 Millionen Euro für das DSL-Geschäft würden jedoch astronomisch erscheinen. Aber schön, wenn es trotzdem so komme.
Spoerr könnte zudem das hoch profitable Web-Hosting Geschäft, Strato, verkaufen. Ob diese Einheit zum Verkauf stehe, habe das Unternehmen auf die Nachfrage der Experten aber nicht kommentieren wollen. Ein dreistelliger Millionenbetrag für Strato sollte durchaus drin sein.
Den Schuldenberg werde Spoerr durch Veräußerungen, aber auch durch starke Free Cashflows reduzieren. Auch wenn das Mobilfunk-Geschäft von freenet und Debitel sicher nicht zum Geschäftsmodell mit viel Sexappeal zähle, würden die Kunden doch stets Cash abwerfen. Für 2009 sei ein EBITDA von mindestens 450 Millionen Euro geplant. Wie zu hören sei, solle diese Hausnummer sehr konservativ sein.
Die Experten würden wegen der Kundenaktivierungskosten in der Vergangenheit bei freenet durchaus mit Sonderabschreibungen rechnen; dies habe aber keine Auswirkungen auf die Cashflows der kombinierten Gesellschaft. Positiv: freenet könne durch die Übernahme der Debitel die Verlustvorträge von mehr als drei Milliarden Euro voll nutzen. freenet dürfte somit auf die Gewinne in den nächsten Jahren lediglich mit einer Steuerquote von circa zehn Prozent belastet werden. Ein echtes Asset!
Die Chancen bei der Aktie von freenet seien höher als die Risiken. Auf Basis der künftigen Cashflows und entsprechenden Cash-Earnings sei das Papier äußerst reizvoll und sehr niedrig bewertet. Sollte sich Dommermuth entgegen der Erwartungen der Experten doch noch durchsetzen und den Kauf von Debitel verhindern, sei dies nicht negativ für die Aktie. Gestehe sich Dommermuth seine Niederlage ein, werde er freenet wohl kaum schaden. Er müsse wie Drillisch und alle anderen Aktionäre großes Interesse an einem steigenden ffreenet-Aktienkurs haben. Schließlich habe er für sein Paket erheblich mehr als 15 Euro bezahlt. |