Die Weltwirtschaft steckt in einer einmaligen Krise. Für die IG Metall steht deshalb fest: Die grenzenlose Profitgier als vermeintliche Triebfeder menschlichen Fortschritts darf nicht weiter die Wirtschaft bestimmen. Diese Ideologie ist gescheitert. Wir brauchen eine neue Idee für das Zusammenwirken von Politik und Ökonomie und mithin für das Zusammenleben der Menschen.
Die aktuelle Krise ist nicht allein die Folge von Fehleinschätzungen und Fehlentwicklungen des Marktes oder einer Überhitzung der Finanzmärkte. Sie ist von Grund auf das Ergebnis der Ideologie einer zügellosen Marktwirtschaft. "Mehr Rendite, schnellere Rendite, höhere Rendite" - das war nicht nur der Schlachtruf der Gierigen in Banken und Börsen. Er wurde schleichend zum überwiegenden Credo des wirtschaftlichen Handelns.
Ob national, auf europäischer Ebene oder im Weltmaßstab: Die grenzenlose Freiheit des Marktes wurde zum Fetisch erklärt, dem sich die demokratischen und emanzipatorischen Interessen der Staatsbürger zu unterwerfen hatten. Die Deregulierung der Märkte, die Privatisierung öffentlichen Eigentums und die Einschränkung von Rechten der Arbeitnehmer dienten einer blinden Anpassung des Menschen an die Bedürfnisse und die Anforderungen des Marktes.
An der Verwurzelung dieser Ideologie des Geldes und der Gier haben nicht nur Banken und Unternehmen mitgewirkt. Die Politik hat sich zu häufig den reinen Marktinteressen untergeordnet und bereitwillig zum Erfüllungsgehilfen der Wirtschaft gemacht. Teile der Wissenschaft haben die Begründungen dafür geliefert, Medien haben diese Ideologie unkritisch propagiert. Mit anderen Worten: Die Krise ist nicht vom Himmel gefallen und sie ist auch kein Naturereignis, sie ist das Ergebnis menschlichen Willens und Handelns.
Jetzt ist entschlossenes Handeln geboten, damit wir die Krise überwinden. Daneben müssen die Ursachen für die Krise öffentlich aufgearbeitet, Roß und Reiter öffentlich benannt werden. Darauf haben die Menschen ein Anrecht. Es gilt, aus den Fehlern zu lernen. Nur so können wir eine zukunftsfähige Gesellschaft gestalten, in der das Wohl aller Menschen im Mittelpunkt steht.
Wir appellieren ...
... an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages: Richten Sie einen Untersuchungsausschuss "Finanzmarktkrise" ein, um Ursachen, Verantwortlichkeiten und Folgen der Krise zu untersuchen, zu dokumentieren und notwendige politische Schlussfolgerungen zu ziehen.
... an die Vorstände der Banken: Entschuldigen Sie sich öffentlich bei den Menschen für Ihr Handeln und wirken Sie mit an der demokratischen Regulierung der Finanzmärkte und stellen Sie die Finanzierung der Unternehmen sicher.
... an die Vorstände der Unternehmen: Ziehen Sie die Lehren aus der gefährlichen Shareholder-Orientierung und richten Sie Ihre Unternehmensstrategien auf langfristige Ziele unter Wahrung nachhaltiger, sozialer und ökologischer Kriterien und auf die Sicherung von Arbeitsplätzen aus.
... an die Arbeitgeberverbände: Beenden Sie endlich die Manipulationsfabrik "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", mit der Sie die gescheiterten Konzepte des Neoliberalismus verbreitet haben.
... an die Journalisten und Publizisten: Arbeiten Sie Ihren Teil der Verantwortung für die Entwicklung der letzten Jahre auf. Übernehmen Sie Verantwortung und berichten Sie kritisch über die Interessen der öffentlichen Akteure.
... an die Wissenschaftler: Entwickeln Sie einen Verhaltens- und Transparenzkodex, um die öffentliche und private Finanzierung der Forschung offenzulegen und die wissenschaftliche Unabhängigkeit sicher zu stellen.